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03.05.2005, © Vivienne

 

Hilflos ausgeliefert – dem eigenen Vater

Geht es Ihnen auch so? Manchmal beschleicht einen schon das Grauen, was man alles in den Zeitungen lesen kann oder in den Nachrichtensendungen im Fernsehen zu sehen bekommt. Vor allem auch im eigenen Land, teilweise in nächster Umgebung: ein furchtbarer Selbstmord, eine halb irre Alkolenkerin ohne Führerschein oder schlimme Familientragödien. Für mich persönlich toppte in den letzten Tagen die Meldung eines gewalttätigen Vaters die Liste. Zwanzig Jahre ist der Bursch alt, zwanzig Jahre und Zivildiener und hat regelmäßig seine kleine, hilflose Tochter mit roher Gewalt zum Schweigen gebracht. 

Er sei bei ihrem Schreien immer ausgerastet, gab der junge Mann bei der Einvernahme an. Was seine fünf Jahre ältere Lebensgefährtin, die im Grunde doch um einiges reifer sein müsste, nicht davon abhielt, ihm das Kind immer wieder anzuvertrauen. Und sie sah auch ungerührt zu, wenn er das Kind des Öfteren an die Wand warf oder prügelte. Das Kind, das erst Jänner Ende zur Welt gekommen ist, lebt. Laut Aussage der behandelnden Ärzte wird das Baby durchkommen. Und man kann nur der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass seine leiblichen Eltern nie wieder die Möglichkeit haben werden, das Kind zu sich zu nehmen. Der leibliche Vater, der nach einem seiner letzten Übergriffe dann doch selber den Arzt verständigte, wodurch der Kleinen im Spital das Leben gerettet werden konnte, sitzt Gott sei Dank im Gefängnis.

Angesichts eines derart furchtbaren Falles tauchen viele Fragen auf. Der prügelwütige Vater war schon an seinem früheren Wohnort aufgefallen, er zog aber dann mit seiner kleinen Familie in die Stadt und entzog sich dadurch der weiteren Aufmerksamkeit der Behörden. Nicht mehr zuständig! lautete anscheinend die Devise und die Kollegen im anderen Bezirk auf den gefährlichen Familienvater aufmerksam zu machen, steht wohl nicht deklariert in der Postenbeschreibung des mit der Geschichte betrauten Beamten. Dienstlich sind der Herr oder die Herrschaften vielleicht aus dem Schneider, menschlich und sozial werden sie es nie sein, weil sie es sich viel zu einfach gemacht haben…

Aber noch so manches fällt mir zu diesem Prügelvater ein, der viele „Gleichgesinnte“ hat, denn – wie ich an anderer Stelle schon schrieb: Kindererziehung artet oft in eine Spirale der Gewalt aus, wer seinen Nachwuchs nicht ohne Anwendung von brutaler Gewalt großziehen kann, gibt nur die Schläge weiter, die er als Kind selber einstecken musste. Ohne über seine Nasenspitze hinaus zu sehen und ohne dazuzulernen. Vielleicht haben Sie sich schon gefragt, liebe Leser, warum Ihre Vivienne selber keine Kinder hat. Der springende Punkt war für mich selber – abgesehen davon, dass ich nie einen wirklich passenden Mann geliebt habe – die Verantwortung, die ich gescheut habe. Die Aufgabe, ein eigenes Kind groß zu ziehen, schien für mich unüberwindbar.

Und deshalb kam es auch nie dazu, dass ich schwanger wurde. Offenbar – so mein persönlicher Eindruck – denken sich aber die wenigsten Leute etwas dabei, wenn sie ein Kind in die Welt setzen. Ein Kind, dem man eine möglichst unbeschadete und schöne Kindheit schenken soll, dessen Ausbildung man aber auch finanzieren soll können, immer in der Hoffnung, dass es auch einmal einen seriösen, gut bezahlten Job ausüben kann. In einem Zeitalter, in dem es noch nie zuvor so einfach war, ein Kind bzw. seine Geburt voraus zu planen und man annehmen können müsste, dass kaum ein Paar, kaum eine Frau ungewollt schwanger werden dürfte, steigen die Abtreibungszahlen und viele Babys werden in desolate Verhältnisse geboren.

In desolate Verhältnisse, wie das kleine Mädchen, das von seinem unreifen, hoffnungslos überforderten Vater fast zu Tode misshandelt worden wäre. Vater mit zwanzig  – er und seine Freundin dürften sich wenig Gedanken über Verhütung gemacht haben. Oder darum, ob man nicht schlichtweg zu jung wäre ein Kind zu bekommen. Beziehungsweise ob die momentanen Voraussetzungen passend wären. Der jugendliche Vater ist beim Schreien des Kindes also immer ausgerastet – eine relativ geringe finanzielle Investition und Überlegungen, wer von beiden wie verhütet, hätte dieses makabre Paar nicht in eine ungewollte oder unüberlegte Elternschaft gedrängt. Ein kleines Kind schreit nun mal – und wer damit nicht klar kommt, sollte sich gut überlegen, „ob er es jetzt einfach passieren lässt…“

Harte Worte für den jungen „Mann“, das gebe ich zu, die aber auch gerechtfertigt sind. Auch für die „Mutter“ empfinde ich kein Verständnis. Ungerührt zuzusehen, wie der geliebte Mann Gewalt am gemeinsamen Kind anwendet und nichts dagegen zu unternehmen – kann man so eine Frau Mutter nennen? Wir leben schon in einer verkehrten Welt. Adoptionswilligen Eltern werden jede Menge Steine und Behördenwillkür in den Weg gelegt: eigenes „Fleisch“ darf man aber nach Belieben in die Welt setzen und damit verfahren, wie man möchte. Nachschub kann man ja jederzeit produzieren…

Vivienne

 

 

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