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29.12.2005, © Vivienne
Mythos Sissi
Kaum eine österreichische Kaiserin ist so über die Grenzen unseres Landes bekannt geworden wie eben jene Sissi, Elisabeth, Bayrische Prinzessin aus Possenhofen und Cousine ihres späteres Mannes Franz Joseph, deren Schönheit zu Lebzeiten schon gerühmt wurde und die doch Zeit ihres Lebens schon der Nymbus des Tragischen umgab. Fünfzig Jahre ist es mittlerweile her, dass die legendäre Sissi-Trilogie von Ernst Marischka mit dem ersten Teil startete und da konnte man bei der ARD wohl nicht anders als über die Weihnachtsfeiertage eine eigenen Show darüber zu gestalten
Ich werde mir Feinde machen, ob meiner harten Meinung, das weiß ich jetzt schon, aber besagte Sissi-Filme habe ich ehrlich gesagt als Kind das letzte Mal vollständig gesehen und das Zuckerlrosa-Image, das dem österreichischen Kaiserpaar dabei verpasst wurde, stößt mir ziemlich sauer auf. Noch dazu, wo die beiden Hauptdarsteller, Karl-Heinz Böhm und Romy Schneider (im Übrigen beide Deutsche, da auch Romy nach der Scheidung der Eltern in Deutschland aufwuchs) im Zuge ihrer Karriere stark unter dem Image, in das sie gewaltsam gepresst wurden, zu leiden hatten. Böhm selber ging einer Diskussion darüber bei der ARD-Show wohlweislich aus dem Weg, immerhin bekam er dort auch wieder die Chance über sein eigenes Lebens- und Hauptwerk, Menschen für Menschen, zu sprechen, aber eine entscheidende positive Wende seiner Karriere blieb ihm durch die Rolle des Franzl sicher verwehrt.
Sein viele Jahre später hoch gelobter Film Peeping Tom, mit dem er einen radikalen Schlussstrich unter die klebrige Habsburger-Romantik aus den 50er-Jahren setzen wollte, wurde von der Kritik völlig zerfetzt. Erst später erhielt der Streifen die Anerkennung, die ihm zustand, aber zu spät, als dass Böhm davon noch karrieremäßig hätte profitieren mögen. Was ihn aber letztlich nicht mehr so getroffen haben dürfte, da der Sohn des berühmten Dirigenten Karl Böhm ohnedies zu Höherem berufen war (ohne das im Geringsten ironisch zu meinen), sein humanitäres Projekt wurde von ihm ins Leben gerufen, der damit spät aber doch die Altlast der Ernst Marischka-Trologie endgültig abstreifte und die Liebe seines Lebens fand
Auch Romy Schneider litt sehr unter dem Image, nur mehr mit dieser Rolle identifiziert zu werden. Vielleicht noch mehr als Böhm empfand sie die Rolle als ein Gefängnis aus dem sie auszubrechen wünschte um doch noch einmal in den 70er Jahren in die Rolle der schönen Habsburgerkaiserin zu schlüpfen. Unter der Regie von Luchino Visconti und an der Seite Helmut Bergers als Ludwig II gab sie der Elisabeth aber ein völlig konträreres Gesicht Auch mit anderen Rollen, die – nach einem kurzen Hollywood-Abenteuer durchwegs in Frankreich entstanden. Und in denen sie in Filmen wie Der Swimmingpool oder Trio Infernal so manchen biederen Sissi-Fan brüskierte bis schockierte.
Romy Schneider, die unglaublich schöne wie begabte Schauspielerin, hatte ein mehr als unglückliches Leben, und wie die österreichische Kaiserin verlor sie ihren Sohn auf tragische Art und Weise. Mit Sicherheit hat sie aber nicht die Sissi-Rolle gebrochen, sondern vor allem ihre exzessive, sich selbst verzehrende Art zu lieben Sissi, die von ihrem Franzl genau genommen ja Sisi (mit einem einfachen s in der Mitte) gerufen wurde, mag als Gattin des österreichischen Kaisers auch bald ihre Illusionen verloren haben. Auch wenn die Schwiegermama, Filmfans als die böse Sophie bekannt, nicht halb so schlimm war, wie es in den Streifen mit gezielter Schwarzweißmalerei dargestellt wurde. Schwerer zu ertragen waren da sicher die strenge Etikette, die die ungezwungen aufgewachsene Prinzessin, sehr einschränkte, und ganz speziell auch der gute Franz Joseph selbst, der ein notorischer Fremdgänger war und seine junge, schöne Frau fast ständig betrog.
Auf eine Wiener Schauspielerdynastie dürfte er so befruchtend gewirkt haben, dass mehrere Sprosse daraus seinen Lenden entstammen dürften. Die große Liebe war also Sisi für Franz sicher nicht, und er vermochte ihr auch nicht annähernd den Halt zu geben, den sie am Hof gebraucht hätte. Nachdem Elisabeth also ihre Pflicht, für einen Thronfolger zu sorgen, erfüllt hatte, zog sie sich sukzessive von ihrem Mann und von Wien zurück. Sie war eine Träumerin, denke ich, mit depressiven Anwandlungen und im Grunde auch ein Freigeist, dem das enge Korsett als Kaiserin die Luft abschnürte.
Hätten Franz Josef und Sissi so wie weiland die Windsors Charles und Diana in unseren Tagen gelebt, wäre die Ehe früher oder später offiziell gescheitert. Man hätte sich scheiden lassen und Franz Joseph hätte vielleicht die Hofschauspielerin Katharina Schratt, seine langjährige wie heimliche Geliebte, offiziell geheiratet So aber war diese Ehe in jenen Tagen schon lange nur mehr eine leere Hülle, bevor die schöne Elisabeth im Tod erst jenen Helfer fand, ihren irdischen Zwängen endgültig zu entrinnen Meine Wahrheit, die sich in der Sissi-Trilogie vor fünfzig Jahren nicht findet. Aber ich lasse gern die weiterträumen, die ihre Augen nicht öffnen wollen .
Vivienne
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