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11.07.2005, © Vivienne
Versteckte Arbeitslosigkeit der Frauen
Eine Studie des IHS (Institut für Höhere Studien) im Auftrag von Frauenministerin Maria Rauch-Kallat brachte an den Tag, was ohnedies niemanden erstaunt, der sich etwas ernsthaft mit Arbeitslosigkeit und ihren Ursachen auseinandersetzt: Frauen sind in einem viel höheren Ausmaß von Arbeitslosigkeit betroffen als Männer, die im Grunde durchwegs von der Entwicklung der Konjunktur profitieren. Jetzt ist es also offiziell. Dass dieser negative Trend nicht gleich ins Auge fällt, hat auch einen triftigen Grund. Frauen, die einen Job suchen, werden nämlich vom AMS vermehrt in Maßnahmen gesteckt, umgangssprachlich AMS-Kurse genannt, durch die sie für deren Dauer aus der Statistik verschwinden.
Reine Makulatur, auf gut deutsch gesagt: Schönfärberei. Die Arbeitsämter tun dies notgedrungen, weil sie auch unter Druck stehen und dem Ministerium in Wien ziemlich egal ist, wie und wo vermittelt wird, Hauptsache nicht mehr in den offiziellen Zahlen! Ein ganzer Bereichszweig, muss man fast schon sagen, profitiert durch die Organisation dieser Maßnahmen ich habe mich schon in einem anderen Beitrag unmissverständlich über deren Praktiken ausgelassen, die den betroffenen Arbeitslosen selber absolut nichts bringen außer sie kennen die richtigen Leute Aber zurück zur Studie des IHS, die ursprünglich gar nicht veröffentlicht werden sollte. Frauen rutschen also immer leichter in die Arbeitslosigkeit, und die Gründe dafür liegen auf der Hand.
In erster Linie zeichnet wohl die auf drei Jahre ausgedehnte Karenz dafür verantwortlich, dass Frauen sich schwer tun, nach der Babypause in qualifizierten Jobs unterzukommen. In unserer schnelllebigen Zeit gehörst du als Frau zum Alteisen, wenn du drei Jahre weg von neuen Computeranwenderprogrammen weg bist. Kaum eine Firma nimmt sich die Zeit, eine (ehemalige?) Arbeitskraft wieder korrekt einzuschulen, die nach der Karenz auf den Arbeitsmarkt drängt. Jobinserate verraten es uns: perfekt musst du sein, in allen Bereichen, und flexibel, dann bist du gerade gut genug für die verantwortungsvolle Position. Und was die ganzen Maßnahmen für Wiedereinsteigerinnen betrifft, möchte ich hier gar nicht ins Detail gehen. Ich kann nur jede junge Mutter beglückwünschen, der Derartiges erspart bleibt sondern die die Möglichkeit wahrnehmen kann, sich in wirklich fundierten Kursen weiterzubilden.
De facto profitieren durchwegs Männer von den leichten Fortschritten der Konjunktur und der Anstieg der Arbeitslosenzahlen erfolgt fast ausschließlich auf Kosten der Frauen. Das gibt auch zu denken, und wenn man sich vor Augen hält, dass die Studie auch von einer versteckten Arbeitslosigkeit spricht, auf die im Detail nicht eingegangen wird, braucht man wohl in Wirklichkeit nicht lange zu überlegen, wo diese wurzelt. Wenn eine echte Alleinerzieherin arbeitslos ist, scheint sie durch ihren Bezug in der offiziellen Statistik auf. Sehr viele Frauen leben aber in Beziehungen oder sind verheiratet, suchen zwar einen Job und pilgern regelmäßig zum AMS, für die Statistik ist aber ihre Suche nicht relevant: Keine Leistung, kein Beitrag zur Statistik. Solche Frauen gibt es nicht wenige, so manche Mutter hat mit der Schwangerschaft ihre Ausbildung abgebrochen und hat dann nach zwei oder mehr Kindern und etlichen Jahren daheim nicht nur keinen Anspruch auf Geld vom AMS sondern auch Null Chancen, wieder im Berufsleben Fuß zu fassen.
Nach Ansicht der Autoren der Studie besteht ein dringender Handlungsbedarf, damit Frauenarbeitslosigkeit nicht zu einem strukturellen Problem wird. Ich würde noch viel weiter gehen. Was ist mit solchen Frauen, wenn die Beziehung irgendwann scheitert? Erst jüngst habe ich über die aktuellen Scheidungszahlen (fast 50% bundesweit) in Österreich geschrieben also ein durchaus reelles Problem. Das Abgleiten in die Armut beginnt oft schleichend und was bleibt diesen Frauen später im Alter: nicht krankenversichert, ohne eigenen Anspruch auf Pension, angewiesen auf Sozialhilfe und Almosen? Macht sich irgendjemand auch darüber Gedanken?
In diesem Zusammenhang fühle ich mich fast gemüßigt auf einen alten Wunschtraum der Linken den Anspruch auf ein Grundentgelt für jedermann – zurückzugreifen. In so einem Fall hätte er durchaus seine Berechtigung, denn ganz abgesehen davon, dass Frauen mit der Kindererziehung einen wichtigen wie unverzichtbaren und unbezahlten Beitrag für die Gesellschaft leisten: in diesem Fall wäre ein Grundentgelt die Möglichkeit Würde und Selbstachtung zu bewahren und unabhängig von einer neuen Beziehung ein weitgehend unabhängiges Leben zu führen verfügbare Arbeitsplätze oder mangelnde Ausbildung hin oder her.
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