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05.06.2005, © Vivienne
Vier tote Babys und niemand hat es bemerkt?
Ein grauenhafter Fall von Kindsmord ist dieser Tage in Graz publik geworden. Und natürlich zufällig Geschichten dieser Art haben es an sich, dass niemandem etwas aufgefallen sein will von diesen unerwünschten Schwangerschaften: weder den Nachbarn oder Untermietern, noch den Kollegen. Obwohl die Frau berufstätig war und nicht von daheim aus gearbeitet hat. Die Frage, ob man juristisch nun von einem Mord in vier Fällen auszugehen hat, überlasse ich den Fachleuten. Das Paar, das seit etwa acht Jahren zusammenlebt, wird wohl ungeachtet dessen bis zu letzt an seiner Verteidigungsstrategie festhalten und dabei sicher auch von seinem Rechtsbeistand unterstützt werden.
Den Anwälten in diesem Land geht es ja wie schon an anderer Stelle bemerkt nicht vorrangig um Wahrheitsfindung oder Gerechtigkeit sondern nur darum, den eigenen Mandanten frei zu bekommen oder seine Strafe möglichst gering zu halten. Unabhängig von der wahren Schuld. Auf diese Art und Weise hat wohl der Kindesvater die besseren Karten, auch wenn es schwer fallen dürfte, die Version der Ahnungslosigkeit vor Gericht aufrecht zu halten. Wer, wenn nicht der Lebensgefährte selber, kann denn ganz sicher gewusst haben, dass die Frau ein Kind erwartete? Nur er, da er mit einer ziemlichen Regelmäßigkeit mit ihr geschlafen haben muss sonst wäre sie kaum so oft schwanger geworden.
Die Motivation der Frau ist allerdings nicht greifbar für mich. Gut, ihr Freund wollte keine Kinder mehr, er war auch arbeitslos, aber warum hat dann keiner der beiden begriffen, das akuter Handlungsbedarf besteht? Und wenn schon der Partner nichts von sich aus dazu beigetragen hat, möglichen Nachwuchs zu verhüten warum hat es dann die Frau einfach passieren lassen? Mindestens viermal ist sie ungewollt schwanger geworden (momentan wird noch geprüft, ob am früheren Wohnort der beiden ebenfalls Babyleichen versteckt sind), und das kann doch kein Zufall mehr sein. Ich kann mir vorstellen, dass Verhütung einmal schief geht, wenn etwa ein Kondom platzt. Andere Verhütungsmethoden wie Scheidenzäpfchen sind auch nicht übermäßig sicher.
Aber wenn eine Schwangerschaft schließlich passiert, muss ich mir a) überlegen, ob ich das Kind will und b) mir für die Zukunft eine andere, sichere Verhütungsstrategie einfallen lassen. Ich kann doch nicht tun, als ob nichts wäre, und dann mein Kind in der Badewanne zur Welt bringen, wo es ertrinkt. Und dann frisch und fröhlich weiter ungeschützten (oder schlecht geschützten) Verkehr miteinander haben auf ein Neues in die nächste Schwangerschaft! Dass dem Vater der Babys partout nichts aufgefallen sein will, halte ich schon deshalb nur für den Teil einer fragwürdigen Verteidigungsstrategie. Aber wer geht schon gerne ins Gefängnis und wer lügt nicht, wenn er sich davor bewahren möchte. Doch seine Freundin muss eine Verdrängerin großen Stils sein eine bizarre Persönlichkeit, die einerseits die Babys nicht haben wollte sie andererseits aber um sich herum wissen wollte.
Ich habe zum Thema Abtreibung immer wieder die Argumentation gehört, welch ein Unrecht diese angesichts der realen Gegebenheiten darstellen würde: So viele Frauen und Paare könnten selber oft keine Kinder haben obwohl sie sich sehnlich welche wünschen. Auch wenn ich diese Überlegungen besser nachvollziehen kann als man annehmen möchte: sich darüber Gedanken zu machen, ob ich ein Kind austrage oder nicht, heißt zumindest einmal sich ernsthaft mit dessen Existenz auseinander zu setzen. Wie immer man dann auch aus seiner persönlichen Situation heraus entscheidet. Aber dieses Paar, oder zumindest die Frau, haben sich schon dem Thema Verhütung erfolgreich verweigert. Und dann auch die Schwangerschaften ignoriert. Aus welcher Motivation heraus? Hat die Frau vielleicht doch insgeheim von einem Kind geträumt obwohl ihr Partner, der aus einer früheren Ehe schon drei hatte, weiteren Nachwuchs ablehnte?
Ich selber tendiere durchaus zu dieser Überlegung. Obwohl ich bei einer mehrfachen Kindesmörderin zumindest auch Ansätze einer schweren Geisteskrankheit vermute. Mit der Schuld leben, sie verdrängen und gleichzeitig ohne Planung weitere Kinder zeugen als hätte es nichts gegeben das alles scheint darauf hinzuweisen. Gerade dahingehend frage ich mich, ob denn wirklich niemandem aufgefallen sein kann, dass mit der Frau einiges nicht stimmte. Einiges nämlich, das über Reizbarkeit, merkwürdiges Verhalten und Launenhaftigkeit weit hinausgeht. Man stelle sich nur vor, dass die Frau immer aufpassen musste, was sie sagte um sich nicht zu verplappern und unüberlegt über Schwangerschaft und Geburt zu reden. Oder gar über ein Baby in der Tiefkühltruhe
Wenn ich selber versuche, mich in so ein Denkmuster zu vertiefen: mir scheint das sehr schwierig zu sein, immer völlig überlegt zu sprechen. Außerdem hätte ich das Gefühl, ich müsste platzen, wenn ich solch ein Geheimnis in mir verbergen müsste. Denn der Lebensgefährte wird auch wenig Lust gehabt haben, mit seiner Freundin diese Geburten zu diskutieren pardon: er wusste ja offiziell gar nichts! Es scheint mir ehrlich gesagt ein schwieriges Unterfangen zu sein, immer in Geheimnistuerei zu leben ohne dass man halb verrückt wird dabei oder das eine oder andere eben doch vom Umfeld bemerkt wird. Aber einmal mehr lässt sich wohl nicht von der Hand weisen, dass der Mensch feig und desinteressiert ist und sich um seinen Nächsten viel zu wenig kümmert. Vielleicht hätte zumindest ein Babymord verhindert werden können, wenn jemand so viel Mut gehabt hätte, mit seinen Beobachtungen zur Polizei zu gehen
Vivienne
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