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11.04.2005, © Vivienne

Wie sehr kann man der Justiz trauen?

Zur Zeit macht ein Fall aus Oberösterreich wieder Schlagzeilen in den Medien. Tibor Foco, ehemaliger Rennfahrer, verurteilt wegen Mordes an einer Prostituierten, und seit Jahren auf der Flucht soll Opfer der Justiz geworden sein. Die damalige Kronzeugin Regina Ungar, die aus tristen familiären Verhältnissen ins Rotlichtmilieu abgedriftet ist, erklärte nun offen, im Prozess zur Aussage gegen Foco genötigt worden zu sein. Sie drängt ihrerseits auf eine Wiederaufnahme des Verfahrens, nicht nur wegen Foco sondern auch aus eigenen Interessen. Trotz des Freispruchs im lange zurück liegenden Prozess erhebt sie Anspruch darauf, völlig rein gewaschen zu werden. Mit großen rechtlichen Problemen, denn nur als Verurteilte hätte sie das Recht eine Wiederaufnahme zu beantragen…

Mehr lässt sich im Wesentlichen und zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu diesem Fall sagen. Er ist sehr komplex und mir fehlen zu viele Hintergrundinformationen. Auf jeden Fall scheinen sich die Hinweise zu häufen, dass Tibor Foco ohne wirkliche Beweise verurteilt worden ist und sich bei einem Freigang an der Linzer Uni abgesetzt hat, weil er sich von unserer Justiz keine faire Behandlung erwarten durfte… Wie gerecht ist unsere Justiz? Nicht nur anhand dieses Beispiels habe ich mich das schon öfter gefragt. Wie fair und menschlich ist eine Rechtssprechung, die weniger der Wahrheitsfindung dient als anderseits vielmehr einen Verteidiger ermächtigt, bei einem Kinderschänder, der ihm gegenüber womöglich sogar ein (verstecktes) Geständnis abgelegt hat, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln einen Freispruch zu erreichen?

Recht ist nicht Gerechtigkeit! Was jeder Student der Rechtswissenschaften in seinen ersten Seminaren und Vorlesungen wieder und wieder zu hören bekommt, erfährt mancher brave Bürger, der auf seinen Rechtsstaat vertraute, oft erst, wenn er sich auf einen längeren Rechtsstreit einlässt. Justizia ist blind, ihr Urteil schlägt nicht immer zugunsten der Wahrheit aus. Vor allem wenn ein gefinkelt agierender Rechtsanwalt der Gegenseite „Gummi-Paragraphen“ zugunsten seines Mandanten geradezu verformt. Bisweilen ist auch ein Gesetz so „verwurstelt“ formuliert, dass der Verstand die Sachlage zwar klar erfasst, aber der Gesetzestext keine Möglichkeit lässt, wirklich ein klares, eindeutiges Urteil zu finden, das den Fakten gerecht wird.

Noch schlimmer ist aber die Sachlage, wenn es – wie im oben beschriebenen Fall des Tibor Foco – anscheinend Interessen gegeben hat, diesen Mann um jeden Preis hinter Gittern zu bringen, und das lebenslänglich. Wenn nötig sogar mit einer durch Handgreiflichkeiten erzwungenen Zeugenaussage, wie Regina Ungar bereits mehrfach erklärt hat. Schlecht könnte einem werden, wenn man sich damit auseinandersetzt, dass man womöglich selber einmal Opfer einer derartigen Gesetzesbeugung wird und man selber unschuldig im Gefängnis landet. Weil man zufällig „zur falschen Zeit am falschen Ort“ war. Oder aus Interessen „höherer“ Instanzen nichts unversucht gelassen wird, einem unliebsamen Menschen einen Denkzettel zu verpassen.

Ich erinnere in dem Zusammenhang oft an einen Justizirrtum, der erst im letzen Jahr restlos aufgeklärt worden ist (von mir schon in anderem Zusammenhang mehrfach behandelt). Ein Oberösterreicher saß etliche Jahre wegen angeblichen Mordes an einer jungen Frau im Gefängnis – wegen eines „erpressten“ Geständnisses und wegen Indizien, die ein wenig in die „richtige Richtung“ verschoben worden waren. Der Mord hatte Aufsehen erregt und man brauchte schnell einen Mörder, ob man nun den wirklichen Täter gefasst hatte oder nicht. Ein Beweis mehr, wie übereifrig die Justiz bei uns in Österreich agieren kann, und wie wenig das Recht des Einzelnen in bizarren Fällen bedeutet, wenn man den Medien möglichst rasch einen Täter präsentieren muss. Ich will hier selbstverständlich nicht pauschalieren und die Arbeit der Polizisten oder Justizbeamten allgemein in Frage stellen.

Aber Recht gesprochen wird mit Sicherheit in Österreich nicht immer. Manche Gesetze gewähren potentiellen Tätern unnötig viel Freiheit und Möglichkeiten. In anderen Fällen ist ein Mensch wieder schnell vorverurteilt und wie seinerzeit in den Hexenprozessen wird ein potentieller Täter nicht immer mit Samthandschuhen angefasst um ein Geständnis zu erreichen… Zurück zu Tibor Foco: Ob er nun unschuldig ist oder nicht, vermag ich aus der Ferne nicht zu beurteilen. Aber dass er trotz Zusicherung freien Geleits keine Lust hat, seinen momentanen Standort zu verlassen und sich der Justiz zu stellen, kann ich nachvollziehen. In einer ähnlichen Situation würde ich auch den Glauben an die Gerechtigkeit verlieren.

Was sich zusätzlich schlecht auswirkt, wenn solche Fälle in der Öffentlichkeit diskutiert werden: Die Justizwachbeamten und die Polizisten, etc stehen alle in einem schiefen Licht. Alte Feindbilder werden wieder aktiviert und wer verlässt sich noch darauf, dass ihm oder ihr Gerechtigkeit widerfährt? Im einen Fall geht ein potentieller Kinderschänder frei und niemand kümmert sich darum, was er weiter macht. Im anderen sitzt ein unschuldiger Mann im Gefängnis und versteht nicht, wie ihm das passieren konnte… Unsere Gerichtsbarkeit tut wenig für ein gutes Image!

Vivienne
 

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