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12.09.2005, © Vivienne
Das Kaffeehäferl
Kaffeehäferl Albert grinste von einem Ohr zum anderen und musterte mich von oben nach unten. kannst du mir das bitte vormachen, du weißt schon, so die Arme in die Hüfte stemmen und keppeln bitte! Seit einer Stunde ging das nun so. Ich warf ein Kissen nach Albert, das ihn mitten auf den Kopf traf. So ein blöder Zufall! Musste mir doch oder besser gesagt uns Helmut, ein Schulkollege von mir, beim Einkaufen über den Weg laufen und alte Geschichten ausgraben. Albert hatte begierig gelauscht und vor allem mein alter Spitzname, Kaffeehäferl, hatte es ihm angetan. Es stimmte schon, ich war immer eine temperamentvolle Person gewesen, das hatte sich bereits in meiner Schulzeit gezeigt.
Alberts Lachen riss mich aus meinen Gedanken. Du wirst doch nicht böse sein deswegen? Ich finde den Vergleich einfach hinreißend! Kaffeehäferl, da steckt so viel Fantasie drinnen, mit einem Wort dein ganzes Temperament auf den Punkt gebracht. Komm Albert trat hinter mich und senkte seine Stimme zu einem zärtlichen Flüstern. komm, sei doch nicht ärgerlich deswegen. An so alten Geschichten ist doch nichts Schlimmes. Ich drehte mich abrupt und heftig zu Albert um. Weißt du eigentlich wie sehr ich darunter gelitten habe? Nein, das weißt du nicht. Aber seit wir daheim sind, nein, genau genommen noch im Auto, hast du damit begonnen mich deswegen zu sekkieren. Es nervt, verstehst du?
Albert sagte kein Wort mehr sondern hörte mir zu. Normalerweise habe ich keine großen Probleme mich mit meiner Vergangenheit auseinander zu setzen. Und über solche Spitznamen sehe ich normalerweise großzügig hinweg. Was mich aber wirklich traf, war, dass der Spitzname von Armin gekommen war. Armin, in den ich einmal sehr verliebt gewesen war, so mit zwölf oder dreizehn Jahren. Armin hatte genau gewusst, was ich für ihn empfand und genoss es sichtlich mich deswegen aufzuziehen. Ich stritt oft mit ihm, nur um mir selber zu beweisen, dass ich in Wirklichkeit nicht in ihn verliebt war. Als ich sehr jung war, fiel es mir immer schwer über meine Gefühle zu reden, ich versteckte sie nach außen, aber je mehr ich über jemanden schimpfte und mit ihm diskutierte, desto mehr war ich meistens gerade in ihn verschossen
Tatsächlich? Albert war plötzlich ruhig und nicht mehr amüsiert. Diese Seite kenne ich gar nicht an dir. Du bist doch sonst die Frau, die ihr Herz auf der Zunge trägt du warst nie anders! Ich schüttelte den Kopf. Als Teenager konnte ich mit meinen Gefühlen nicht umgehen. Es war fast, als schämte ich mich für Liebe und ähnliche Emotionen… na ja, Armin hat das weidlich ausgenutzt. Er war aus der Parallelklasse und wenn ich so dastand und mit den Händen in die Hüfte gestemmt keppelte, machte er sich darüber lustig. Kaffeehäferl nannte er mich, oder ähnlich. Was mir damals sehr wehtat, aber mich darin bestärkte niemals meine Verliebtheit zuzugeben. Um keinen Preis. Ich verstehe. Albert sah mich prüfend an. Trotzdem erklärt das nicht ganz, warum du so empfindlich deswegen reagierst. Du regst dich doch sonst nicht so auf, wenn ich dich aufziehe. Das ist doch nur ein Teil der Geschichte, oder?
Keine Frage, Albert kannte mich. Mittlerweile ziemlich genau. Ich nickte also und versuchte mich zu beruhigen. Wir, also Armin und ich, haben uns so manchen Streit geliefert. Einmal, es muss vor Pfingsten gewesen sein, verarschte er mich so, dass ich zu weinen begann. Ich lief weg. Die Situation war für mich nicht mehr erträglich gewesen. Und zum ersten Mal muss Armin wohl so was wie ein schlechtes Gewissen verspürt haben. Er rannte hinter mir her. Es tut mir leid, komm, lach doch wieder! Bitte, ich entschuldige mich! Aber ich reagierte nicht Aus purem Trotz! Ich seufzte und betrachtete meine Handflächen, ich wusste nicht wohin mit meinem Blick, ich versteckte mich vor dem Bild, das in mir auftauchte. Drängend und schmerzhaft.
Was ist passiert? Albert war gespannt und überaus aufmerksam hatte er meine Schilderung verfolgt. Ein Verkehrsunfall. Fuhr ich fort. Armin und seine Eltern waren über Pfingsten nach Ungarn gefahren. Auf der Strecke gab es einen schweren Verkehrsunfall. Armin und seine Eltern kamen dabei ums Leben. Ich glaubte damals zuerst, ich könnte das nicht ertragen. Niemals. Vor allem, weil ich ihm nicht zugehört hatte als er sich ein paar Tage zuvor noch entschuldigt hatte. Ein wehmütiges Lächeln entrang sich meinem Gesicht. Ich habe mir Vorwürfe gemacht, große Vorwürfe. Wegen meines dummen Stolzes und dem ganzen Getue. Über den Sommer bin ich dann darüber hinweggekommen, für ein Kind ist das noch leichter. Aber versteht jetzt Ich blickte Albert fast traurig an. bisweilen, aber nicht immer, da macht mich die Bezeichnung Kaffeehäferl fast etwas schwermütig. Verstehst du? Und heute ist so ein Tag!
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