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03.04.2005, © Vivienne

Der Unterschied liegt im Detail

War das ein Zufall gewesen! Während Albert in die Werkstätte fuhr um neue Sommerreifen zu besorgen – die alten waren schon völlig abgefahren – hatte er mich in einem Linzer Einkaufszentrum abgesetzt, wo ich mir noch ein paar österliche Dekorationen besorgen wollte. Das Osterfest stand bevor, und ich befand, dass es in unserer Wohnung auch danach aussehen sollte. Wundervolle Eier fand ich in einem Geschäft, von Hand bemalt, geätzt, herrlich verziert, aus zartem Glas oder „natur“, ich war begeistert, konnte mich aber nicht zum Kauf entschließen. Ich kannte Alberts Skepsis gut – Osterstrauch, Osterhase und co waren nichts für ihn. Also wechselte ich ins nächste Geschäft, ließ mir einen Tischbrunnen mit einem gewaltigen Amethyst vorführen und wäre beinahe vor lauter Schreck erstickt, als ich den Preis sah…

Also wieder weiter. In diesem Shop war ich noch nie gewesen, und dass ich mich nicht geirrt hatte, merkte ich, als sich die Verkäuferin zu mir umdrehte. „Heidi!“ Kein Zweifel, das war meine Schulkollegin Adelheid Grüner und sie hätte ich hier in diesem kleinen Geschäft sicher nicht notwendigerweise erwartet. Wir schüttelten uns herzlich die Hände und musterten uns interessiert. Ja, Heidi sah nach wie vor gut aus, eine gepflegte Frau mit Mähne und langen, rotlackierten Fingernägeln – ich war im Vergleich dazu ein ganz anderer Typ. Aber das war immer schon so gewesen und das hatte uns nicht gestört, ein relativ herzliches Verhältnis zueinander zu bewahren. Auch wenn es einige Jahre her waren, dass wir uns das letzte Mal gesehen hatte. Richtig, damals hatte sie Reinhard geheiratet…

Heidi reagierte verärgert, als ich sie auf ihren Mann anredete. „Den hab ich letzten Sommer rausgeworfen! Mittlerweile läuft die Scheidung, ich denke in ein paar Wochen bin ich auch amtlich wieder zu haben!“ Betroffen registrierte ich die Zornfalten auf Heidis Stirn. „Was ist passiert? Du schienst einmal sehr verliebt zu sein und er war auch kein unsympathischer Typ!“ Heidi blickte zum Eingang – kein neuer Kunde war zu sehen, also senkte sie ihre Stimme und begann mich einzuweihen: „…ja, ich war einmal sehr verliebt, auch wenn ich wusste, dass er allgemein dem weiblichen Geschlecht sehr zugetan war. Reini war ein Flirtkaiser und ich habe  mich oft geärgert darüber. Heute bin ich mir nicht einmal sicher, ob er nicht auch fremdgegangen ist… Es ist aber längst egal.“

Heidis Finger zitterten leicht, wie mir auffiel. Sie wich meinem Blick aus, was mir bewies, dass die Sache sie doch mehr beschäftigte, als sie zugeben wollte. „…richtig ärgerlich wurde die Situation, als Reini seinen Job verlor. Er war ja im Außendienst tätig und leider sperrte seine Firma zu. Erzählte er mir zumindest. Sehr viel später habe ich einmal erfahren, dass sein Umsatz nicht mehr gestimmt hat und er gekündigt wurde. Vor lauter Flirten wohl auf’s Verkaufen vergessen…“ Ich dachte nach. Komisch, dass mich das nicht wirklich überraschte. Nie hätte ich Heidi darauf angeredet, aber dunkel konnte ich mich plötzlich erinnern, wie ihr frisch angetrauter Mann am Abend nach der Hochzeit mit einer Brünetten in Richtung WC verschwunden war…

Heidi sah mich mit einem gequälten Lächeln an. „Zuerst hat er gesagt, er wolle sich einmal ein paar Wochen erholen und dann ganz frisch durchstarten. In einer neuen, guten Firma. Das dürfte Ende Jänner gewesen sein. Schließlich kam der Sommer, und er war erst zweimal vorstellen gewesen – und das, weil ihn das Arbeitsamt geschickt hatte. Außerdem ohne Erfolg, denn er ging die Sache recht lustlos an. Den ganzen Tag sah er fern, wenn ich von der Arbeit heimkam, lag er oft mit der Fernbedienung in der Hand auf der Couch. Manchmal schlief er auch. In der Küche stapelte sich das Geschirr, er hatte weder gesaugt noch Staub gewischt oder gekocht. Für mich begann die Arbeit erst richtig, wenn ich das Geschäft hinter mir gelassen hatte. Weil ich seinen Dreck wegräumen musste…“ Ich verstand. Einer von der Sorte war der schöne Reini also. In Gedanken nickte ich zustimmend. Ja, da wäre ich auch auf die Barrikaden gegangen…

Gott sei Dank gehörte mein Ali aber nicht dieser Spezies an. Heidi hingegen begann immer schneller zu reden, ich merkte, dass sie den Ärger jetzt noch einmal durchlebte. „Im Sommer begann er dann sich ins Freibad zu verziehen. Und das nicht allein. Mit zwei Mädels aus der Nebenwohnung, von einer WG. Unsere Wohnung bezahlte schon eine ganze Weile nur mehr ich. Ein Bekannter von mir, dem die drei aufgefallen waren, hat mich schließlich aufmerksam gemacht, was da hinter meinem Rücken läuft. Ich bin ziemlich wütend geworden und habe ihm die Meinung gesagt.“ Sie lachte resignierend… „Zuerst hat er mich angesehen und gemeint, ob er denn nur daheim bleiben darf. Er hat überhaupt nicht begriffen worum es mir geht. Wir sind in Streit geraten und schließlich habe ich ihn vor die Tür gesetzt. Reini war völlig verdattert…“

Ich räusperte. Was konnte man da sagen? „Sei froh, dass du ihn los bist!“ Heidi grinste und schüttelte den Kopf. „Das war noch nicht alles, Vivi.“ Ein paar Tage darauf höre ich im Radio, bei einem Privatsender, wie jemand anruft, ein gewisser Reinhard. Love Hearts heißt die Sendung, zum Flirten und kennen lernen. Stell dir vor, er war es tatsächlich. Und er hatte außerdem die Stirn, mich als krankhaft Eifersüchtige dazustellen, die ihm keine Freude gegönnt hätte. Ein Lügenmärchen von vorn bis hinten also. Der Moderator hat den Unsinn auch noch geschluckt. Und gemeint, ich bräuchte eine Therapie… Ich wollte zuerst auch in der Sendung anrufen, hab es mir dann aber anders überlegt. Das war es nicht wert. Aber ich habe die Scheidung eingereicht…“

Mein Handy begann zu blinken. Albert. „Liebes, ich bin in zehn Minuten bei dir. Warte doch beim Eingang vom Interspar auf mich!“ Ich blickte Heidi an und dachte über ihren Mann nach. „ So ein A…loch.“ Ich konnte mir diesen Kraftausdruck spontan nicht verbeißen, dann legte ich ihr die Hand auf die Schulter. „So einen wie diesen Reinhard hat keine Frau Not. Du kriegst was Besseres, wirst sehen….“ Wir verabschiedeten uns, ein Kunde kam ins Geschäft und Heidi wandte sich ihm zu. „Mach’s gut!“ rief sie mir nach und war im nächsten Augenblick wieder ganz engagierte Verkäuferin…
 

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