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03.10.2005, © Vivienne
Die Erbschaftssache
Neid ist einer der menschlichsten Eigenschaften überhaupt. Menschlich damit ich meine ich, dass kaum ein Mensch ohne Neid ist, Neid auf alles Mögliche, Neid auf Geld, auf Schönheit oder auf Erfolg. Vor allem was Vermögen betrifft, offenbart sich Neid am Deutlichsten, dort scheidet sich die Spreu vom Weizen. Und wenn es ums Erben geht, schlägt der Neid oft so hohe Wellen wie keine Springflut und die Abgründe der menschlichen Seele tun sich auf. Nicht umsonst galt Neid neben Geiz und Wollust als eine der sieben Todsünden. Die Zeiten haben sich zwar geändert, Geiz ist mittlerweile schwer angesagt und Wollust wird bisweilen schon in simplen Werbespots praktiziert. Nur der Neid ist geblieben wie er ist als Ausdruck einer Ohnmacht gegenüber einem oder mehrer Menschen und es gibt fast nichts, das über den Neid erhaben.
Dieser Tage rief mein Vater mit leicht verzagter Stimme bei uns da heim an. Mein Vater ist kein junger Mann mehr, gezeichnet von vielen körperlichen Schwächen und gesundheitlichen Einschränkungen verfügt er doch über einen sehr klaren Verstand. Du druckste er herum. Der Notar aus Innsbruck hat geschrieben, du weißt schon, der, der das Erbe der Antschi-Tant verwaltet hat. Schau dir das doch bitte einmal an Leicht gesagt, schwierig ausgeführt. Denn just an dem Wochenende hatte Albert Bereitschaft, weil in der firmeninternen EDV einige Dinge umgestellt worden waren. Ich kann nicht mitkommen. Ali sah aus wie das personifizierte schlechte Gewissen. Es tut mir Leid, es kann durchaus sein, dass ich fast das ganze Wochenende in der Firma verbringen muss.
Keine Katastrophe, dachte ich mir. Ich setzte mich einfach wie früher in den Regionalzug und musste feststellen, dass ich binnen weniger Minuten das gewohnte alte Pendlerverhalten an den Tag legte, über das ich doch längst erhaben sein müsste Was, schon wieder Verspätung? Was hats denn? Bei der Bahn hat sich auch gar nichts verändert in den letzten fünf Jahren! Mein Gegenüber im Abteil musterte mich neugierig ob meiner unübersehbaren Unruhe. Natürlich ging es nicht um den Zug, und die paar Minuten, die er wegen der Wartezeit auf einen Anschlusszug aus Salzburg verspätet abfahren würde. Ich war gespannt auf den Bescheid, den mein Vater von dem Innsbrucker Notar erhalten hatte. Mit einem Mal erinnerte ich mich fast wie gestern, als der Streit um das Erbe der Antschi-Tant losgegangen war. Tante Antschi war als junge Frau dem Ruf der Liebe nach Innsbruck gefolgt, wo sie einen wohlhabenden Fotographen geheiratet hatte. Eine glückliche Ehe, obwohl sie kinderlos blieb, aber Antschis Mann hatte einen Sohn aus erster Ehe. Und um dessen zwei Kinder entzündete sich der Streit, als die Antschi mit fast 98 Jahren in einem Innsbrucker Pflegeheim verstorben war.
Ich erinnerte mich gut an den grauen Novembermorgen als der Halbbruder meines Vaters, Sie erinnern sich vielleicht (Gut Ding braucht Weile) der Onkel Marius, der so weit herumgekommen war bei uns angerufen hatte. Die Antschi war verschieden und in einer Woche wäre das Begräbnis. Weshalb sich meine Eltern gemeinsam mit Marius auf eine halbe Weltreise in die Alpenmetropole machen mussten und erst mitten in der Nacht wieder heimkehrten. Ziemlich verärgert über die angeheirateten Verwandten, den Enkelsohn und die Enkeltochter unseres Großonkels, der noch viel länger verstorben war. Die beiden wollten nicht akzeptieren, dass vom Erbe des Großvaters, Antschis Mann, nichts geblieben war. Was meinen Vater und Marius nicht verwunderte, hatte Antschi doch die letzten zehn Jahre im Pflegeheim verbracht und das hatte die ganzen Rücklagen aufgebraucht. Und noch viel mehr!
Nichts desto Trotz erhoben die beiden Geschwister Anspruch auf die persönliche Habe der Antschi-Tant, alten Schmuck etwa oder persönliche Wertgegenstände. Auch von einem Sparbuch war immer wieder die Rede gewesen, ein Sparbuch, von dem aber weder meine Eltern noch Marius auch nur die geringste Ahnung hatten. Wer weiß, wem sie es überlassen hatte. Meine Familie hat überhaupt eine etwas eignen Einstellung zu Geld. Wir gieren nicht danach, es ist entweder da oder nicht und wenn nicht, dann müssen wir halt den Gürtel enger schnallen. Der Streit zog sich jedenfalls über ein paar Jahre, die Familie von Antschis Mann strafte uns mit Verachtung und drohte mehrmals mit dem Rechtsanwalt. Und nun hatte der Notar endlich einen Bescheid erstellt ich verstand die Unruhe meines Vaters gut.
Inzwischen befand ich mich schon auf dem Heimweg zu meinen Eltern. Ich hatte ja gar keine Ahnung mehr, wie sich der alte Heimweg in die Länge zog! Aber schließlich hatte ich auch den Schlusshügel überwunden, stand vor der Haustür und ging in das Haus meiner Eltern. Ich kannte meinen Vater, am liebsten wäre ihm gewesen, wenn ich den Brief des Notars sofort durchgelesen hätte, aber ich brauchte zur Stärkung einen Kaffee. Dann erst setzte ich mich auf die Couch und begann angestrengt zu lesen. Schon bald konnte ich Entwarnung geben. Das Schreiben enthielt eine Auflistung des persönlichen Besitzes von Antschi, und das beschränkte sich nur auf alte Kleidung, Schmuck und Ähnliches. All das fiel an das Pflegeheim, das ohnedies mit Verlust ausstieg, um die noch offenen Kosten abzudecken. Die lieben Verwandten des verstorbenen Großonkels waren mit ihren Behauptungen von einem verschwundenen Sparbuch abgeblitzt. Und wäre es noch da gewesen, hätte sich das Pflegeheim auch daran schadlos gehalten
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