Home Kolumnen Die bunte Welt von Vivienne
25.07.2005, © Vivienne
Die Intrigantin
Wer lügt, handelt wie ein Kind Konfliktbewältigung unter Ausschaltung des direkten Weges. Natürlich lügt jeder Mensch, täglich, immer wieder, um sich besser darzustellen, um sich herauszureden oder einfach auch um Unfrieden zu stiften. Ist ja so lustig, wenn da ein Streit oder ein ernster Zwist die Folge ist! Diese Form der Lüge hat aber mit einem Kavaliersdelikt nichts mehr zu tun, das fällt schon ins Intrigieren, wenn ein Mensch aus Freude oder Profilierungssucht ins Reich der Fantasie Zuflucht nimmt. Und wenn derjenige es noch sehr geschickt anstellt, wirkt er fast glaubhafter als der Betroffene selber zumindest steht Aussage gegen Aussage, wenn der Intrigant nicht überhaupt viel lieber im Hintergrund die Fäden zieht
Albert und ich verließen am Abend den Kinosaal, in dem der belanglose Streifen gelaufen war. Ich hatte mich ehrlich gesagt etwas gelangweilt, wollte es aber nicht zeigen. Wir begaben uns nach längeren Überlegungen schließlich noch in die Pizzeria und nahmen an einem mittigen Tisch Platz. Albert bestellte und ich floh mit einem dringenden Bedürfnis auf die Toilette. Minuten später fühlte ich mich sehr erleichtert und wusch mir die Hände. Da erkannte ich im Spiegel vor mir ein Gesicht, das mich interessiert musterte. Ich drehte mich mit dem Lippenstift in der Hand um. Die Frau hinter mir zuckte zusammen und wandte sich rasch ab. Die paar Sekunden, die ich ihr ins Gesicht hatte blicken können, hatten aber gereicht, um sie zu erkennen.
Die Frau war Kerstin Stachl, eine frühere Kollegin von mir in jenem skandalösen Call Center vor etlichen Jahren, von dem ich Ihnen schon öfter in Kritisch betrachtet berichtet habe. Ich musste verhalten grinsen und steckte den Lippenstift wieder ein. Dann ging ich betont langsam an ihr vorbei zum Ausgang und begab mich Richtung Pizzeria, wo Ali auf mich wartete. Rate mal, wenn ich gesehen habe! überraschte ich ihn, der schon am Achterl Roten nippte. Kenn ich ihn? spielte Albert die Frage ironisch an mich zurück. Ich habe nicht gesagt, dass es ein Mann ist. Albert zuckte die Achseln. Also wer? Kerstin Stachl, unsere damalige Intrigantenkönigin im Call Center! Erinnerst du dich? Albert nickte. Aber natürlich, eine Frau wie ein Schrank, oder?
Für Sekunden verschlug es mir die Sprache. Albert! Ok, die Frau ist noch viel fetter als ich aber deswegen würde ich sie nicht verurteilen. Habe ich dir nicht erzählt, was sie alles angestellt hat in der Firma? Ihre Lügen, ihre Intrigen? Was sage ich: ihr Mobbing? Albert versuchte mich zu beschwichtigen. Ist schon in Ordnung! Ich weiß natürlich von wem du sprichst. Von jener Frau, die deine Freundin damals um ihren Teamleaderposten gebracht hat und die dich auch ein paar Mal rausekeln wollte. Ich erinnere mich gut! Ich nickte besänftigt. ja, das und noch viel mehr. Der Typ Mensch, der sich nur hinter Lügen versteckt, mit der man nicht gerade heraus einen Konflikt ausreden kann sondern eine Frau, die vorzugsweise nur mobbt und lügt!
Albert grinste und hielt mir mein Weinglas hin. Komm herunter, Mädel, es ist vorbei. Sagtest du nicht selber, sie wäre in dem schwindsüchtigen Call Center selber schließlich auch gekündigt worden? Ich nahm einen Schluck vom Wein. Ja, ja, du hast natürlich Recht. Mit einem befreundeten Kollegen, Stefan, hat sie damals so lang herum intrigiert, bis Carina gehen musste. Carina, unsere Teamleaderin. Und bald darauf hat Kerstin Stachl ihren Posten übernommen. Und mehr schlecht als recht herumgewerkt. Lange haben sie ihr nicht zugesehen, aber damals war ich längst in meiner jetzigen Firma, Gott sei Dank , und schließlich wurde sie dann auch gekündigt. Mangels Erfolg. Angeblich hat sie jede Menge Daten und Kundenadressen auch mitgenommen, auf Disketten überspielt
So genau wollte ich dass dann gar nicht wissen. Ich erinnerte mich nämlich plötzlich wieder, wie sie mich und Evi, eine andere Kollegin, unter Beschuss genommen hatte. Ich wusste damals noch nicht einmal wie sie hieß. Angeblich würden wir uns ungerechtfertigte Vorteile bei der Arbeitszeit verschaffen, hatte sie überall herumzuerzählen begonnen und schließlich wurden Evi und ich ins Büro zitiert. Ich weiß aber nicht mehr genau, was uns damals konkret vorgeworfen wurde, es war hanebüchen und lächerlich, aber es reichte, um uns Schwierigkeiten zu machen. Evi kündigte damals, ich war nahe dran, wenn es nicht meinen Kollegen und Boss Grisu gegeben hätte aber das war schon wieder eine andere Geschichte
Ja, mich konnte die Stachl wirklich nicht verputzen, den es folgten noch mehre derartige Attacken, aber sie wirkten letztlich wie ein Boomerang. Ich blickte auf, denn Ali sah mich fragend an. Alles ok? Du hast auf einmal so verbissen ausgesehen Ich nickte. Die Erinnerung verblasste. Das schummrige Licht in der Pizzeria war mir noch gar nicht so richtig aufgefallen. Eigentlich wirkte das Lokal sehr romantisch und gemütlich auf mich und die graue Wolke über mir mit Namen Kerstin Stachl zerfiel in ihre Einzelteile. Schon gut. Ich schüttelte den Kopf leicht und sah meinen Mann glücklich an. Mit Kerstin Stachl wollte ich mich an diesem Abend wirklich nicht mehr befassen
Vivienne
Redakteure stellen sich vor: Vivienne
Alle Beiträge von Vivienne