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21.10.2005, © Vivienne
Fast wie Kain und Abel – Eine Dreiecksgeschichte
Obwohl ich in meiner Heimatgemeinde immer mit einem Bein in Linz stand (und niemals in der Bezirkshauptstadt), war ich doch die ganze Zeit dort in einem sehr ländlich anmutenden Gebiet daheim, mit Feldern vor der Haustür und wenig ernstzunehmender Lärmbelästigung. Wer würde da annehmen, dass sich schon die eine oder andere Bluttat bei uns ereignet hat? Auch wenn die meisten dieser Verbrechen schon Jahrzehnte zurückliegen vergessen sind sie nicht. nicht ganz. Bisweilen wird schon noch getuschelt, wenn sich jemand plötzlich erinnert, und dann wird einem bewusst, dass auch auf dem Land große Leidenschaften aufbranden können
Helga Weixelbaumer war eine attraktive Frau. Sie lebte mit ihrem Mann Helmut und den Kindern in der Nähe des Bahnhofs Herr Weixelbaumer hatte dort ein schmuckes Einfamilienhaus erworben. Geranien am Fenster und bunte, blühende Blumen vor der Haustür kaum jemand ahnte zunächst, dass Herr Weixelbaumer, der wie viele in der Gemeinde im einstigen Linzer Paradebetrieb VOEST schichtelte, dem Alkohol mehr zuträglich war, als es ihm gut tat. Und dass er im alkoholisierten Zustand seine hübsche Frau und die beiden kleinen Kinder prügelte. Wie viele Frauen ihrer Generation dachte Frau Weixelbaumer trotzdem nicht daran, ihren Helmut zu verlassen.
Aber immer öfter kam es vor, dass sie mit den Kindern vor ihrem Mann flüchtete zum Schwager, Alfred, der in der Nachbarschaft wohnte. Alfred bemühte sich sehr bald, die Situation zu entspannen, eine friedlichere Atmosphäre zwischen den beiden Ehepartnern zu schaffen. Er redete auch mit seinem Bruder, versuchte ihn was seine Haltung zu Alkohol betraf, zum Einlenken zu bewegen. Solange Helmut nüchtern war, schienen Alfreds Appelle auch zu fruchten, aber unter dem Einfluss von Hochprozentigem rastete er trotzdem erneut aus. Mittlerweile bekamen auch die Nachbarn hautnah mit, dass sich hinter der Spießbürgerfassade des Einfamilienhauses so manche Abgründe auftaten. Vor allem auch die oft nächtlichen Wanderungen von Helga und ihren Kindern zum Schwager blieben auf Dauer nicht verborgen.
Auch wenn sich Helmut meist am nächsten Tag wieder beruhigt hatte: für Helga wurde die Situation langsam unerträglich. Und der verständnisvolle Schwager wuchs ihr immer mehr ans Herz kurz: die beiden verliebten sich und begannen eine Affäre miteinander. Es erscheint mir auch durchaus naheliegend, dass Helga bei ihrem Schwager all das zu finden hoffte, was sie bei ihrem eigenen Mann schon lange vergeblich suchte. Helmut selber muss selber auch langsam begriffen haben, dass seine Frau nicht nur vor ihm zum Schwager flüchtete, sondern dass die beiden sehr viel mehr verband. Einmal kam er mitten in der Nacht seiner Frau und den Kindern nach und machte Helga im Haus des Schwagers eine Szene.
Und er begann seine Frau zu verprügeln, bis sein Schwager Alfred aufgebracht dazwischen ging und seinem eigenen Bruder ein Messer in den Rücken rammte. Um der Frau, die er liebte, zu Hilfe zu kommen. Der Schock über die eigene Tat veranlasste Alfred, gleich darauf selber Polizei und Notarzt zu verständigen. Widerstandslos ließ er sich von den Beamten abführen, sein Bruder starb trotz Notoperation noch in derselben Nacht. Der Fall erregte bei uns die Gemüter und als der Prozess Ende des Jahres über die Bühne ging, wollte sich das Spektakel kaum einer entgehen lassen. Alfred konnte mit Hilfe seines Anwalts glaubhaft machen, dass er nur Helga, seine Schwägerin, schützen hatte wollen, als er mit dem Messer auf seinen Bruder eingestochen hatte.
Eine mehrjährige Haftstrafe blieb ihm aber auch für Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nicht erspart. Alfred, der nachweislich schwer am Tode seines Bruders kiefelte, saß seine Strafe ab, bzw. er wurde wegen guter Führung früher entlassen. Bald darauf hat er Helga, die Witwe seines Bruders, geheiratet. Helga hatte ihn regelmäßig im Gefängnis besucht, und vielleicht hat er auch deswegen die schwere Zeit relativ gut überstanden. Die beiden hatten selber gemeinsam zwei weitere Kinder, die mit den Halbgeschwistern klaglos aufwuchsen. Ich habe mich oft gefragt, wie man so eine Familiengeschichte verdaut und vor allem auch den eigenen Kindern begreiflich machen kann dieser Moment bleibt nun mal nicht aus. Aber diese Ehe hielt, die Kinder wuchsen heran und entwickelten sich gut und wenn auch die Tratschereien am Anfang schier unerträglich gewesen sein mussten: in den folgenden Jahren verebbte das Gerede doch zusehends und außer mir werden sich wohl nicht mehr so viele Leute erinnern, was sich damals genau zugetragen hat
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