Home Kolumnen Die bunte Welt von Vivienne
30.09.2005, © Vivienne
Eine gruselige Geschichte
Haben Sie meine Geistergeschichte neulich gelesen? Bisweilen zeigt uns das Leben, dass sich nicht alles natürlichen Gesetzten unterwerfen lässt, auch wenn sich die Menschen gerne als so großartige Wissenschafter ansehen. Andererseits nichts, was im ersten Moment unerklärlich scheint und erschreckend auf uns wirkt, muss dann wirklich einen Hauch von Mystik in sich bergen. Auch wenn uns zunächst das Herz in der Hose sitzt und sich vor lauter Angst Schweißperlen auf der Stirn bilden Unerklärlich, hin oder her – aber wenn wir ehrlich sind: so eine logische Erklärung hat was für sich und ist ein sanftes Ruhekissen
Vor vielen Jahren, meine Eltern waren noch vergleichsweise jung und mit der Familienplanung beschäftigt, befand sich unser Haus erst im Aufbau. Vieles war noch halbfertig, manches wurde noch hilfsmäßig gelöst, aber ein Eigenheim hat viele Vorteile gegenüber einer Wohnung. Das dachte sich auch unsere Hündin Rex, die uns treu bewachte und vor jedem Briefträger beschützte aber nicht nur Eines Sommerabends, mein Eltern waren spät ins Bett gekommen, und meine Mutter hatte das Fenster noch geöffnet gelassen, weil der heiße Tag in eine schwüle Nacht übergegangen war. Mein Vater schnarchte schon eine Weile, aber meine Mutter ließ den Tag noch Revue passieren, als ihr in der hellen Vollmondnacht ein Schatten am Vorhang auffiel, am Vorhang, der sich leicht bewegte, was die Angst in ihr noch schürte.
Sie konnte sich nicht erklären, was das sein konnte. Einunüberhörbares, kratzendes Geräusch ließ zusätzlich ihre Unruhe steigen. Was konnte sich dort am Fenster befinden, in einem Schlafzimmer im oberen Geschoß? Meinen Vater aufzuwecken traute sie sich nicht, weil er am Abend von einer anstrengenden Schicht heimgekehrt war. Schließlich besiegte sie ihre Angst, stand auf und schloss das Fenster kurzerhand. Der Schatten war plötzlich verschwunden und meine Mutter war für einen Moment völlig erleichtert. Allerdings konnte sich nur kurz freuen, denn mit einem Mal lokalisierte sie das kratzende Geräusch direkt hinter sich. Die Angst machte sich umso nachhaltiger in ihr breit und sie ließ alle Skrupel fallen und begann nach meinem Vater zu rufen. Gleichzeitig tastete ihre Hand zum Lichtschalter.
Mein Vater brummelt ungehalten und wollte wissen, was denn los wäre. Das Licht ging an und meine Eltern erkannten schlagartig, was für ein geheimnisvolles Wesen da im Schlafzimmer sein Unwesen trieb. Eine Fledermaus schwirrte durch den Raum, was meine Mutter mit einer gewissen Erleichterung vermerkte kein unheimliches Wesen! Meinem Vater, der eigentlich durch seine Zeit bei der Fremdenlegion mutiger hätte sein müssen, wurde jedoch mulmig zumute. Hol den Hund! rief er immer wieder. Pass auf! Fledermäuse fliegen ins Haar! In der Tat war das Haar meiner Mutter damals lang und lockig, aber ob die alten Geschichten, die man sich über Fledermäuse erzählte, wirklich zutrafen? Wir haben es damals nicht erfahren, denn unsere Rex, unsere treue Mischlingshündin, fast so groß wie ein Kalb kam durch die Tür und rettete meine Eltern zwar nicht aus tiefster Not so doch aus unangenehmer Situation.
Sie fixierte die Fledermaus und meine Mutter, die das Fenster wieder geöffnet hatte, überließ ihr ganz das Terrain. Meine Mutter beschreibt immer wieder gern, wie Rex damals der Fledermaus das Fürchten lehrte. Ein seltsamer Laut entrang sich der Brust unserer Hündin, ein Ton der Millionen Jahre alten Raubtierinstinkt in sich barg. Ein Satz von Rex und beinahe hätte er die Fledermaus mit seinem Kiefer gepackt und geschüttelt. Das Fledertier war in Todesangst nur einen Hauch schneller als unsere Rex und entfloh durch das offene Fenster in die Vollmondnacht. Meine Mutter schloss das Fenster und der Störenfried war endlich gebannt.
Unsere Rex war ganz selig, als meine Eltern sie herzten und streichelten und sie lobten. Das ließ sie sich gerne gefallen und beinahe hätten sie meine Eltern zu nachtschlafener Stunde nicht mehr aus dem Schlafzimmer gebracht. Eine kurze und aufregende Nacht, die erste direkte Berührung mit einer Fledermaus, die in der Folge nicht die letzte bleiben sollte. Fledermäuse beobachte ich oft in Sommernächten bei uns, wenn sie den Insekten nachjagen. Einmal fanden wir sogar ein Skelett eines dieser Tiere in unserem Kamin, wo sie wohl verletzt Schutz gesucht hatte. In unser Haus hat sich allerdings keine mehr verirrt, und darüber bin ich auch froh. Schließlich weiß ich selbst nicht, wie ich reagieren würde, wenn sie mich beim Schlafen stören wollte
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