Home Kolumnen Die bunte Welt von Vivienne
26.04.2005, © Vivienne
Freunderlwirtschaft – aufgedeckt
Teil 2
Es tröpfelte nur noch, deshalb wagten Hedwig und ich erste Schritte aus der Passage. Ein paar Sonnenstrahlen grüßten uns, also spazierten wir Richtung Getreidegasse zurück. Hedwig runzelte die Stirn, sie war während der letzten Sätze unruhiger geworden. Ein Zeichen, dass die Geschichte sie nicht ungerührt ließ, auch nicht nach den paar Jahren, die inzwischen vergangen waren. Das Projekt war eine Katastrophe. Ich will dir jetzt Details ersparen. Von Anfang an war der Wurm drinnen, und der Wurm hieß neben der ganzen Freunderlwirtschaft Danninger: planlos, hektisch, unfähig zu Teamarbeit, hysterisch. Aber ach so arm: geschieden von einem herzlosen Mann, musste sie für ihre drei Kinder sorgen. Als ob es nicht genügend Frauen gibt, die in einer solchen Situation noch viel schlimmer dastehen! Hedwig lachte sarkastisch und blickte mich mit blitzenden Augen an.
Ich war Gott sei Dank in der Situation, dass ich mir meine Arbeitszeit einteilen konnte. Ich kam üblicherweise, wenn die Gisela nicht da war. Beate und Martha, die beiden anderen Trainerinnen, hielten es ebenso. Sybille war da nicht so gut dran. Sie hatte die Chefin die meiste Zeit am Hals, wurde unterschwellig runtergemacht von ihr: aus den verschiedensten Anlässen… Die dumme Sybille, muss ich fast schon sagen, rieb sich zwischen Studium, Job und der Arbeit für diese pseudo-fortschrittliche Zeitschrift fast auf, konnte es der lieben Chefin nicht recht machen. Konnte übrigens niemand im Projekt: wir arbeiteten zu wenig (Für wen? Die Kurse liefen ja nicht!). Brachten vor allem nicht die richtige Einstellung für die Sache mit, weil wir mit Giselas feministischem Geschwafel nichts anfangen konnten. Außerdem mochten wir sie nicht. Das stimmte allerdings: die Danninger hatte ein Talent, alle und jeden vor den Kopf zu stoßen, das war mir nicht mehr egal. Das fiel im Besonderen auch immer wieder auf, wenn sie mit den wenigen Kursteilnehmern redete: keine Ahnung, kein Gspür, wie man mit Leuten umgeht… Ich begann mich immer öfter zu fragen, welchen unschätzbaren Eigenschaften diese Frau ihren Job als Projektleiterin zu verdanken hatte… Nicht nur ich, auch den Kolleginnen ging es so.
Hedwig zerknüllte ein Taschentuch und warf es sehr emotional auf den Boden. Ich war überrascht. So kannte ich Hedwig nicht unbedingt. Bevor ich aber etwas fragen konnte, erzählte sie schon weiter. Ich war dann eine Woche daheim, Birgit hatte die Windpocken. Als ich wieder in die Arbeit kam, war der Teufel los: Sybille war im Clinch mit den beiden EDV-Trainerinnen Beate und Martha. Die Stimmung war so schlecht, dass ich am liebsten schon nach fünf Minuten wieder gegangen wäre. Ich nahm an einem der folgenden Tage Sybille auf die Seite und erfuhr von ihr, dass die beiden das dumme Mädel muss ich wirklich sagen traktiert hatten, mit ihnen zu den Verantwortlichen des Projekts zu gehen um eine Abbesetzung der Danninger zu fordern: Beate hatte zufällig herausgebracht, dass unsere liebe Chefin nach der Pflichtschule nur mehr von Gelegenheitsjobs gelebt hatte: ein paar Monate arbeiten, ein halbes Jahr oder so im Ausland leben. Etliche Jahre bis sie geheiratet hatte… Von einer halbwegs entsprechenden Ausbildung oder Praxis in ähnlichen Projekten oder dergleichen keine Rede. Kannst du dir das vorstellen? Warum macht man so eine Frau zur Leiterin eines Projektes? – Weil sie die richtigen Leute kennt.
Ich war betroffen: Hedwig hatte ein Lehramtsstudium abgeschlossen, bis auf Michi hatten die übrigen Frauen eine solide Berufsausbildung genossen, Sybille hatte Matura und studierte außerdem. Ich verstand Hedwig gut: da lief was nicht so, wie es hätte laufen sollen… Bevor ich aber meinen Senf dazugeben konnte, nahm Hedwig wieder das Wort auf: Kein schlechter Gedanke, wie ich jetzt noch meine: mit den Verantwortlichen einmal reden. Aber Sybille hatte Angst um ihren Job, fühlte sich außerdem der Meiringer verpflichtet… obwohl sie selber, Sybille, am meisten unter der Danninger zu leiden hatte. Als dann Beate übers Ziel schoss und Sybille in der Sache schärfer ins Gebet nahm, haben bei dem Mädel dann die Lichter ein bissel ausgelassen. Sie zerstritt sich mit den beiden Kolleginnen völlig… Mir tat die Sybille schon leid, bei aller Dummheit. Meiner Meinung nach ließ sie sich nach Strich und Faden ausnutzen, war ein bissel zu gut für diese Welt und auch ein bissel sehr ahnungslos. Aber ich rede mir wohl auch leichter, denn wenn ich den Job verloren hätte, wäre meine Existenz nicht auf dem Spiel gestanden. Für Sybille hing halt viel dran… – Jedenfalls hatten wir dann überhaupt kein Arbeitsklima mehr.
Ich schluckte ordentlich. Das war ja eine ordentliche Farce, die sich da abgespielt hatte. Träum ich oder wach ich? dachte ich mir und kam mehr und mehr zur Überzeugung, dass Hedwigs Geschichte einen herrlichen Stoff für eine Sitcom hergeben würde. Hedwig schien ähnlich zu denken, wie ihre Worte bewiesen: Ich kam mir zeitweise vor wie in einer Fernsehserie. Ende des Sommers erfuhren wir dann, dass das Projekt beendet werden würde, wenn sich der Erfolg und die Rentabilität nicht in den nächsten Monaten einstellen würden. Ich fragte mich die ganze Zeit, warum nicht gleich und sofort zu. – Die Danninger suhlte in Selbstmitleid, erstickte gleichzeitig alle Lösungsvorschläge, die ein bissel Engagement und Arbeit ihrerseits erfordert hätten, im Keim: Konstruktives Reden, eine Problemanalyse, waren mit ihr war nicht möglich: einmal machte sie Martha im Zuge einer Diskussion so nieder, dass diese auf der Stelle kündigte, obwohl sie und ihr Mann das Geld aus Marthas Job durchaus gut gebrauchen hätten können. Halt dir das einmal vor Augen, Vivienne!
Hedwig war relativ aufgebracht, das merkte ich deutlich. Ihr Gesicht war gerötet und manchmal redete sie schon so laut, dass sich die Leute, die einige Schritte vor uns gingen, umdrehten. Ich nahm ihre Hand. Ruhig, Mädchen, sagte ich. Tief ein- und ausatmen. Ganz ruhig. Hedwig grinste und zog ihre Hand wieder weg. Nach einem guten dreiviertel Jahr, fünf Wochen vor Weihnachten, bekamen wir den blauen Brief. Ich war nicht überrascht. Ich fragte mich die ganze Zeit nur, warum die Verantwortlichen überhaupt so lange gezögert hatten… Sybille rief mich dann ein paar Tage danach verzweifelt an. Sie konnte vom Arbeitslosengeld ihre laufenden Kosten wie für Auto, Wohnung oder Studium nicht annähernd bestreiten. So beendete sie ihre kostenlose Arbeit bei dieser Zeitschrift, worauf Michi ihr schwere Vorwürfe machte: von wegen sozialem Engagement und der richtigen Einstellung… Sybille war halt damals wirklich fertig. Im Laufe eines heftigen Streites hat sie der Meiringer nicht nur eine Menge an den Kopf geworfen sondern auch die Geschichte von Beate erzählt, die ja damals mit uns allen zum Vorstand wollte um die Danninger abzusägen. Die Meiringer, das Miststück, sag jetzt nicht – dass das unsachlich ist! – nutzte das, um aus dem Ganzen eine Dolchstoßlegende zu weben: die arme Gisela, so engagiert und voller Ideale, gemobbt, umgeben von Intrigantinnen, die nur eines im Kopf gehabt hätten, nämlich die arme, geplagte Frau rauszueckeln.
Es war zum Kotzen, Vivienne, einfach zum Kotzen, brachte Hedwig diese groteske Geschichte zum Punkt. Zwei Wochen vor Weihnachten wurde uns vom Vorstand noch der Kopf deswegen gewaschen… Die Danninger inszenierte sich dabei als Märtyrerin. Ich hätte ein paar Mal am liebsten laut aufgelacht. Du hast schon recht, eine Farce, eine ganz billige Farce. Ich ging ohne ein Wort. Mir tat Sybille leid, mir tat auch Beate leid, aber mit diesem Krapfn von einer Chefin hatte ich nicht wirklich Mitleid. Ein Besuch beim Arbeitsamt brachte nämlich auch teilweise die Erklärung, warum man fast ein Jahr zugewartet hatte, bis der den Geldhahn abgedreht worden war: für das erste Jahr des Projekts gab es nämlich Förderungen, ich weiß nicht mehr von welchen Stellen. Egal. Außerdem benötigte die gute Gisela für ihre erste Anwartschaft auf das Arbeitslosengeld immerhin 50 Versicherungswochen. Und deshalb hatte sich ihre gute Freundin Michi anscheinend noch in die Bresche geworfen und alle Beziehungen spielen lassen: das Projekt wurde noch solange ausgedehnt bis auch das gesichert war. …den Seinen gibts der Herr im Schlaf… Bei der Danninger war es wirklich so.
Wir spazierten weiter durch die FUZO. Die Wolken hingen wieder tief und ich überlegte, ob wir uns nicht diesmal in ein Kaffeehaus retten sollten ehe die ersten Tropfen zu fallen beginnen würden… Hedwig hatte sich wieder beruhigt. Ihr Resümée klang trotzdem bitter: Nie wieder so was! Ich bin mir zwar sicher, dass solche Zustände nicht die Norm in derartigen Projekten sind aber mir hats trotzdem gereicht. Freunderlwirtschaft ist was vom Übelsten überhaupt, wenn dabei Leute zum Zug kommen, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben… Echt schade, denn wirklich sinnvolle Sachen bekommen das dann zu spüren.
Es tröpfelte schon wieder. Hedwig stiefelte in ein Geschäft mit Reiseandenken, so schnell, dass ich ihr kaum folgen konnte. Dort verbrachten wir dann die nächste halbe Stunde zwischen den üblichen Geschmacklosigkeiten und Kitsch. Hedwig hatte wieder abgeschaltet, war wieder die Alte… Mir fiel George Bernhard Shaw ein: Ein guter Charakter kann den Erfolg im Leben außerordentlich behindern. Das Problem hatte Michaela Meiringer ganz sicher nicht…
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