Home Kolumnen Die bunte Welt von Vivienne
13.05.2005, © Vivienne
Hinter der Fassade
Es muss Jahre her gewesen sein, als ich einmal eine Schulung an der Volkshochschule in Linz besuchte. Es ging um Esoterik Und Selbstfindung, Themen, die mich damals schon fesselten, und die Gruppe, die sich in derselben Art und Weise wie ich weiter- oder fortbilden wollte, war unterschiedlich, ja bunt zusammengewürfelt. Und vor allem an eine Frau in dem Kurs erinnerte ich mich immer wieder, wenn ich ihn mir in Erinnerung rief. Bettina Kehrer hieß die Frau Mitte dreißig, sie hatte zwei Kinder und war von ihrer ganzen Ausstrahlung her eine Frau, die man nicht so schnell vergisst.
Albert griff mir an die Schulter. Vivi? Seine Stimme klang nicht nur fragend, sondern sie hatte auch einen leicht besorgten Unterton. Immerhin starrte ich Bettina nun schon eine ganze Weile an, weil mir nicht gleich eingefallen war, woher ich sie kannte. Ich schüttelte den Kopf, leicht belustigt. Und begann zu erzählen Ali runzelte die Stirn. Eine sehr fesche Frau, würde ich sagen. Und sicher keine, die man übersieht. Was hat es auf sich mit ihr? Ich lächelte halb in Gedanken. Du hast schon Recht, sie ist eine höchst charismatische Frau. Aber auch ein ziemliches Miststück Wenn ich so nachdenke Eine Kollegin aus dem Kurs, Bianca Irgendwas, hat einmal gesagt: Wenn die Bettina kommt, geht die Sonne auf .
Ich schwieg einen Moment. Das Gesicht Bettina Kehrers tauchte nun ganz scharf vor meinem inneren Auge auf. Welch ein Vergleich! dache ich mir, nicht völlig unpassend, aber dem Charakter dieser Frau wurde er nicht wirklich gerecht. Und mir fiel wieder Katja Höllinger ein. Ein pummeliges, aber liebenswürdiges Mädel, das sich in seinem jungen Leben auch schon sehr viel mitgemacht hatte. Mehr als genug Ich sah wieder auf. Albert blickte mich erwartungsvoll an, die unausgesprochene Frage konnte ich unschwer in seinem Gesicht lesen. Ich räusperte mich und deutete vorsichtig in Richtung Bettina. sie hatte immer einen Hang für das Theatralische. Sie kam nicht, sie erschien Sternzeichen Schütze. Das darf dich also nicht wundern
Kurz musste ich nachdenken. Wie war das damals gelaufen? Da war dieser gut aussehende Bandleader gewesen, Oliver hieß er, und er stammte aus Gallneukirchen, wenn ich mich nicht irrte. Richtig. Und mit ihm hatte die Geschichte ihren Lauf genommen In diesem Esoterikkurs spielte Musik eine wichtige Rolle, fuhr ich fort. und immer wieder tauchte dieser Oliver mit seiner Truppe auf und präsentierte Hörbeispiele. Zum Meditieren wie zum Tanzen, mal verspielt, mal durchgeknallt. Ziemlich exzessiv immer wieder. Für mich teilweise an der Grenze des Erträglichen. Aber nicht für Katja Ich stellte mir das nette Mädel vor, mit den Sommersprossen und den extremen Haarfarben, mal violett, dann wieder blau.
Sie war verliebt in Oliver, sogar sehr. Katja traf sich auch privat mit ihm, in Lokalen, in denen Oliver mit seiner Truppe auftrat oder auch einfach in Diskotheken zum Fortgehen. Einmal bekam ich mitten in der Nacht von ihr eine SMS. Sie hatte Oliver leicht beschwipst in einer SMS ihre Liebe gestanden und wusste nun nicht, wie sie sich verhalten sollte. Albert grinste. Leicht beschwipst? Sieh an! Ich zuckte die Achseln. Zuerst war ich natürlich sauer, weil sie mich aufgeweckt hatte, aber dann drehte ich mich um und schlief weiter. Was hätte ich ihr raten sollen? Ich verschränkte meine Finger. Na ja. Aber Bettina war sofort Ohr. Und die bot Katja bereitwillig ihre Hilfe an. Was mich erstaunte, aber damals kannte ich noch nicht die Zusammenhänge!
Ich griff nach meinen Zigaretten. Erst als ich den Rauch durch meine Lunge inhalierte, setzte ich die Geschichte fort. Na ja, selbstlos war Bettina Kehrer sicher nicht. Sie gab Katja Tipps, horchte sie auch über jedes Detail ihrer Liebe aus und riet ihr doch davon ab, sich zuviel an Gefühl von dem gut aussehenden Burschen zu erwarten. Ich verstand lange nicht, warum sie sich da so sicher war. Oliver war nett zu dem Mädel, sehr nett, und was wusste man schon, was sich hinter seinem Gebaren verstecken konnte. Unsicherheit genau so wie versteckte Gefühle. Ich selber hätte nicht mit Sicherheit sagen können, wie er zu Katja wirklich stand, und dass er auf ihre SMS nicht reagiert hatte, hieß im Grunde genommen gar nichts. Ich war mir nicht ganz klar darüber, warum meine Abneigung gegen Bettina sich laufend verstärkte Ich blickte Albert direkt ins Gesicht.
Irgendwann hatte ich nämlich bemerkt, dass Bettina bisweilen angetrunken in die Schulung kam. Sie konnte es zwar sehr gut verbergen, aber mich konnte sie dann nicht mehr täuschen. Der Alltag allein erziehend mit den Kindern wurde ihr also auch zu viel Und nicht nur das. Ich hob meine Stimme. Etwa zu der Zeit traf ich einen Bekannten im Kino, und wie es der Teufel so wollte: er kannte beide, Bettina wie Oliver, die beiden waren nämlich ein Liebespaar. Offenbar schon länger Ich drehte meine Zigarette aus. Was tut man in so einer Situation? Normalerweise heraushalten. Man schafft sich nur Ärger, wenn man Stellung bezieht. Aber mir war das damals egal. Bettina war ein Miststück und machte sich dem Anschein nach über Katjas Gefühle auch noch lustig. Ich deckte sie also auf.
Albert prustete los. Typisch Vivi. Ich musste selber schmunzeln. Die Hölle war los. Bettina stritt zunächst alles ab, aber als ich diesen Bekannten von mir am Handy anrief und er Katja gegenüber die Geschichte bestätigte, sagte sie kein Wort mehr. Ganz beleidigt. Ganz grande Dame. Ich hatte sie als Lügnerin entlarvt, das war eine Majestätsbeleidigung Und sie verließ auch den Kurs kurz darauf für immer, angeblich, weil ihr wegen der Kinder die Zeit fehlte. In Wirklichkeit weil sie ihr Gesicht verloren hatte. Ihr Nymbus war angekratzt Ich fixierte die Frau wieder, die weiter vorn im Lokal saß. Ihr junger Begleiter war mir schon vorhin aufgefallen. Es gibt wenige Frauen, die auch ohne große Schönheit oder nicht mehr ganz jung zu fesseln wissen, aber sie nutzte das nur schamlos aus
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