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03.12.2005, © Vivienne

Seitensprung mit Folgen

Was wäre eine Kur ohne Kurschatten? Ein wenig prickelnde Erotik abseits der normalen Pfade kann schon sehr anregend sein, oder auch einfach das eigenen Eheleben wieder interessanter machen. Behaupten viele, die von ehelicher Treue wenig oder nicht so viel halten oder auch nur gern groß reden… Je nachdem. – Ich war ja auf einiges gespannt, als ein netter Kollege, Sepp Bauer,  aus dem zweiten Stock wieder von seiner Kur in Bad Tatzmannsdorf – er hatte im Sommer einen Bandscheibenvorfall erlitten – zurückkehrte. Als er in der Mittagspause einmal in unsere Abteilung heraufkam um ein paar Abrechnungen heraufzubringen, setzte er sich auch für einen Moment nieder um eine Tasse Kaffee zu trinken, und außerdem hatte er eine interessante Geschichte für mich parat – so wie eine Kur üblicherweise nicht laufen soll…“

„Wo soll ich anfangen… ich konnte den Typ von Anfang an nicht leiden…“ murmelte Sepp Bauer, während er sich Milch in den Kaffee goss. „Ich bin der beste, ich bin der größte!“ So kam er mir immer vor, und er warf sich an jede Frau unter fünfunddreißig heran. Richtig ekelhaft! Aber das Schlimme war, die Frauen waren auch alle ganz scharf auf ihn. Keiner von uns Männern wusste, warum, denn so richtig aufregend sah er nicht aus und mir war schleierhaft, wie er auf das andere Geschlecht wirkte.“ Bauer lachte. „Aber ich bin sicher nicht der Richtige das zu beurteilen.“  Er schlürfte genießerisch vom Kaffee. „Relativ schnell hat er sich vorort mit einer Brünetten angefreundet. Die beiden waren ganz heiß aufeinander, das merkte man sofort, obwohl – und das war kein Geheimnis – alle zwei verheiratet waren.“

Gelegenheit macht Liebe, das war für mich nichts Neues, und mich hätte das kaum so sehr beschäftigt. War das alles, war der Kollege mit dieser Geschichte zu bieten hatte? Aber Bauer schien mein Skepsis zu spüren, denn er fuhr fort. „Und weißt du, Vivienne, solche Liebesaffären passieren einfach auf Kur, da gab und gibt es genügend Beispiele dafür. Aber die beiden schlugen wirklich alles, was ich jemals gehört habe. Der Vorfall, den ich jetzt anspreche, war das Tagesgespräch im Kurheim. Am frühen Nachmittag ging plötzlich der Lift nicht mehr, weshalb sich einige der Kurgäste im Sekretariat beschwerten. Und bevor man einen Techniker rief, wollte sich ein Mitarbeiter das Ganze noch einmal ansehen.“ Er schmunzelte breit. 

„Aber es gab keinen Defekt, Vivienne, jemand im Lift hatte einen Halteknopf gedrückt und dessen Wirkung hob der Mitarbeiter mit einem Spezialschlüssel auf. Die Lifttür ging auf und unsere beiden Seitenspringer befanden sich darin, nackt und heftig wie stöhnend ins Liebesspiel vertieft!“ Ich prustete los. „Das ist nicht dein Ernst! Kann man echt so blöd sein?“ Bauer nickte. „Doch, war wohl ein besonderer Kick für die beiden. Mit meinem Kreuz bin ich so bedient, da weiß ich mir auch bessere Orte um zu vögeln, glaub mir das!“ Meine Augen blitzen vor Vergnügen und ich erkundigte mich interessiert: „Sag, was kam dann? Eine Verwarnung?“ Bauer schüttelte den Kopf. „Nein. Die beiden mussten das Kurheim verlassen. Auf die Stunde. Die Kurleitung hielt den beiden noch eine Predigt, dass der Aufenthalt hier ein bezahlter Kuraufenthalt wäre und keine Institution zur Förderung des außerehelichen Liebeslebens. Proteste der beiden wurden im Keim erstickt.“

Ich schwieg etwas überrascht. Damit hatte ich nun nicht gerechnet. Das war in der Tat ein strenges Urteil, entsprach aber vermutlich auch den Statuten. Bauer sah auf die Uhr. Er musste wieder in seine Abteilung zurück. „Naja, was ich dann so gehört habe, haben sich die beiden daraufhin in einem Hotel gleich in der Nähe einquartiert. Um ungeniert weiter zu vögeln und gleichzeitig dem jeweiligen Ehepartner vorzugaukeln, die Kur wäre ganz normal weitergegangen. Wie hätte man denn den Seitensprung erklärt? Das wäre nicht ohne ernsthafte Krise möglich gewesen.“ Bauer stand auf. Ich weiß nicht, was mich dazu veranlasste, aber ich konnte mit meiner Frage nicht hinterm Berg halten. „War das wirklich alles?“

Mein Kollege grinste verhalten. „Nein, das war es nicht. Ganz im Gegenteil. Dieses komische Paar räumte nämlich seine Zimmer nur zur Hälfte. Das verbliebene Gepäck wurde dann von der Kurleitung auf deren Kosten heimwärts verfrachtet. Worauf die Familien aus allen Fugen gerieten, die Ehepartner riefen verständlicherweise sehr beunruhigt im Kurzentrum an und der Seitensprung flog schließlich doch noch auf. Klarerweise war da jetzt Feuer am Dach, die beiden Ehen stehen jetzt, was ich gehört habe, kurz vor der Scheidung.“ Sepp Bauer grinste noch breiter. „Das Ärgste an der Geschichte ist, dass sich die beiden Seitenspringer jetzt beklagen, warum man im Kurheim das Gepäck heimgeschickt hat. Dass man dort die Zimmer wieder beziehen lassen wollte, konnte keiner der beiden Sexsüchtigen wirklich einsehen. – Aber ich muss jetzt wirklich gehen! Bis dann, Vivienne!“

Es wäre nicht ich gewesen, wenn ich nicht diese Geschichte zum Schießen komisch gefunden hätte. Spitzbübisch freute mich, wie dieser Seitensprung, um nicht zu sagen, diese verhängnisvolle Affäre, doch noch aufgedeckt wurde. Es mag altmodisch und verzopft klingen in einer Zeit, in der One-Nite-Stands und lockere wie strukturlose Beziehungen mal mit diesem, mal mit jenem den Liebesalltag diktieren, aber ich halte noch viel von Treue. Und wenn jemand die erste Gelegenheit gezielt zum außerehelichen Sex nutzt, kann es nicht mehr sehr gut um diese Ehe bestellt sein…

Vivienne

 

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