Seit gestern 17:40 Uhr fahren die Züge wieder durchs Land, nachdem die ÖBB zuvor über 65 Stunden von der Gewerkschaft der Eisenbahnbahnbediensteten bestreikt wurde. Selbst, als Autofahrer, der selten bis nie mit der Bundesbahn unterwegs ist, war ich mit den Folgen des Streiks nicht wirklich konfrontiert. Aber nicht wenige meiner Arbeitskollegen, die alltäglich aus dem Umland in die Bundeshauptstadt pendeln hatten am Mittwoch morgen ein ernsthaftes Problem ihren Arbeitsplatz zu erreichen.
Letztendlich wurden Fahrgemeinschaften gebildet und Maßnahmen getroffen, die es großteils ermöglichten, den Arbeitsplatz auch ohne den ÖBB zu erreichen. Wenige nahmen sich tageweise frei, auch wenn sie nicht geplant hatten ihren Urlaub im kalten November aufzubrauchen. Letztendlich kann es ein Privatbetrieb nicht zulassen, die Produktion für drei Tage einzustellen bzw. stark einzuschränken. Letztendlich wären aber Dienstnehmer, die keinen Kündigungsschutz genießen, im schlimmsten Fall nicht vor dienstrechtlichen Konsequenzen verschont geblieben, wenn sie nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft hätten, den Arbeitsplatz zu erreichen.
Aber auch unter den Nichtbetroffenen waren die Kampfmassnahmen der Gewerkschaft in der vergangenen Woche das Gesprächsthema Nummer Eins. Ein durchaus kontroversielles Thema, bei dem es nicht leicht war, sich auf die eine oder andere Seite zu schlagen. Da waren auf der einen Seite jene, die argumentierten, dass sie die sogenannten „wohlerworbenen Rechte“, im Volksjargon auch Privilegien genannt, nicht einsehen wollten und deshalb auch den Streik ablehnten. „Frechheit, ihr solltet mal schauen, wie es in der Privatwirtschaft zugeht“ war etwa zu hören. Tatsächlich sieht das ÖBB-Dienstrecht Bestimmungen vor, vom Kündigungsschutz bis zum durchschnittlichen Pensionsantrittsalter von 52,7 Jahren, von denen andere Dienstnehmer nicht mal träumen würden.
Tatsächlich ist es so, dass das Thema „Streik“, welches in Österreich lange Zeit beinahe als Fremdwort galt, zuletzt meist von den sogenannten „geschützten Bereichen“ betrieben wurde. Von jenen Bereichen eben, die lt. öffentlicher Meinung ohnehin bessere Arbeitsbedingungen hätten als der Durchschnitt. Auf der anderen Seite muss aber auch gesagt werden, dass diese Gruppen auch weitaus besser gewerkschaftlich organisiert sind als manch andere privatwirtschaftlichen Bereiche. „Es gibt vieles, für das es sich lohnt organisiert zu sein.“ lautet ein Werbeslogan des ÖGB. Nun könnte man den fälschlichen Schluss ziehen, dass etwa die Handelsangestellten nur fleißig den ÖGB beitreten müssten und schon würden sich ihre Arbeitsbedingungen dramatisch verbessern. Weit gefehlt, denn natürlich ist es ungleich einfacher einen staatlichen oder staatsnahen Betrieb gewerkschaftlich zu organisieren als ein kleines bis mittelgroßes Privatunternehmen. Letztendlich würde das Privatunternehmen, einerseits aufgrund des Konkurrenzdruck, andererseits durch seine Absicht auf Gewinnmaximierung, im Fall von gewerkschaftlichen Kampfmassnahmen wohl ins billigere Ausland abwandern.
Rasch wurde, wenn man in der Vorwoche bei einer Diskussion den ÖBB-Streik kritisierte, von den Befürwortern die „Neid“-Keule geschwungen, womit ich mich nicht ganz einverstanden zeigen kann. Immerhin zahlt jeder Österreicher über seine Steuerleistung, egal ob Bahnkunde oder nicht, im Jahr rund € 540,- „Bahnsteuer“ zur Abdeckung des Defizits der ÖBB. Ich bin auch keineswegs dafür, dass einzelne Berufsgruppen von Politik und Medien gegeneinander ausgespielt werden und bin ganz bestimmt niemanden seinen Verdienst neidig. Einigermaßen ausgewogene Bedingungen sollten aber auch nicht zuviel verlangt sein.
Abschließend sei gesagt, dass das Streikrecht ein in der Verfassung verankertes Grundrecht darstellt, welches auch nicht in Frage gestellt werden sollte. Und dass es bei einem Streik in ertser Linie um die Beschäftigten geht und nicht sosehr um das schwer definierbare Gesamtwohl des Landes liegt in der Natur der Sache.
Pedro