Ein hilfreicher Engel…

Weihnachten – Fest der Geschenke! Bei aller Liebe zur Familie war und ist es für mich nie leicht gewesen, die Wünsche der zahlreichen lieben Verwandtschaft zu befriedigen. Jedes Jahr wieder artete die Adventzeit für mich zur großen Suche aus – wem konnte oder sollte ich was schenken? Das war nicht einfach, und es hatten sich schon kleinere Tragödien unter dem Christbaum abgespielt, wenn ein Geschenk nicht gepasst hatte… Nicht nur bei mir. Und auch vor bald fünfzehn Jahren war ich eines Advents unterwegs in der Linzer Landstraße. Mein damaliger Freund hatte abgewunken, als ich ihn fragte, ob er mich begleiten würde. Dabei verstand ich ihn sogar, er musste oft am Wochenende in die Firma und er genoss jeden freien Samstag – schließlich wusste er nicht, wann der nächste anstand!

Aber leider war ich so auch ziemlich auf mich allein gestellt und ich hatte als gründliche Jungfraugeborene vor, mit diesem Samstag das Geschenke-Such-Programm abzuschließen. Ich hatte schließlich noch andere Vorstellungen von einem Wochenende als mich durch die Menschenmassen zu bugsieren und schwere Einkaufstaschen zu tragen. Im Grunde war es dumm, aber ich kaufte sogar noch eine Kaffeemaschine mit Thermoskanne für meine Eltern – die alte war im Sommer einem Blitzschlag zum Opfer gefallen und die uralte, die das gute Stück mehr schlecht als recht zu vertreten versuchte, sollte damit endlich ausgedient haben. Und dann konnte ich auch der Versuchung nicht widerstehen, für meine damals noch dauerwell-gelockten Haare einen super Fön mit Diffuser zu erstehen. So bepackt wankte ich regelrecht durch die Straßen, wusste kaum noch, wie ich weiterkommen sollte. Die nächste Straßenbahnhaltestelle war noch weit und ich war schon so müde… Außerdem hatte ich nur zwei Arme!

Ich legte wieder einmal keuchend eine Pause ein und versuchte dabei alle Päckchen im Blickfeld zu behalten. Da sah ich plötzlich diesen Mann vor mir stehen, er war eher klein gewachsen und hatte einen leichten Bauchansatz. Er blieb neben mir stehen, mitten in dem Gewühle und fragte mich ganz überraschend. „Darf ich Ihnen helfen?“ Ich weiß es noch genau, ich starrte den Typen an und war ganz Misstrauen. Sofort angelte ich nach den Einkaufstüten und Kartons und presste ein knappes „Nein, danke, das ist nicht nötig!“ zwischen den Zähnen hervor. Der Mann sah mich aber nur an, dann griff er nach dem Riesenkarton mit der Kaffeemaschine und nahm mir die größte der Einkaufstüten aus der Hand. Er ignorierte meinen Einwand also völlig und folgte mir auf der Landstraße auf den Fuß. Ich war etwas verdattert, aber schließlich akzeptierte ich, dass mir der Mann half. Er machte auch keine Anstalten, mit meinen Sachen durchzubrennen, ganz im Gegenteil. Als ich einmal nicht mehr weiterkonnte, nahm er mir noch einen Karton ab und schließlich erreichten wir doch noch die Straßenbahnhaltestelle.

Mir war bewusst, das ich es alleine wohl nie geschafft hätte so weit zu kommen. Ich drückte dem Mann die Hand, schenkte ihm mein wärmstes Lächeln und fand Worte des Dankes. „Sie haben mir so geholfen, ich weiß nicht, was ich sagen soll… Herzlich Dank noch einmal!“ Der Mann blickte mich an, dann lachte er und zeigte mir zwei Reihen fast makelloser Zähne. Ich blickte mich um. Kam dort etwa schon meine Straßenbahn? Der Zug in die Heimat war wieder in greifbare Nähe gerückt. Aber ich hatte mich geirrt, diese Straßenbahn fuhr in eine andere Richtung. Als ich mich wieder abwandte, war der Mann aber schon verschwunden. Vielleicht hatte er mich sogar noch gegrüßt und ich hatte ihn überhört, aber das war jetzt ohnedies nicht mehr zu ändern. Der hilfreiche Mann, ein Engel fast, ging wieder seiner Wege und ich selber schaffte es tatsächlich noch, mit der folgenden Straßenbahn meinen anvisierten Zug zu erreichen…

Mein Freund, dem in der Zwischenzeit ohne mich fad geworden war, empfing mich schon an unserem Bahnhof, wohin er auf Verdacht einfach gefahren war. Als er mich mit meinen Geschenken in Empfang nahm, fielen ihm fast die Augen aus dem Kopf. „Vivi! Wie hast du das geschafft? Du bist ja bepackt wie der Weihnachtsmann persönlich!“ Ich kann mich noch erinnern, als ich sein überraschtes Gesicht vor mir sah, musste ich plötzlich schmunzeln und während ich ihn zur Begrüßung küsste, flüsterte ich ihm leise ein paar Worte von einem himmlischen Gehilfen zu, der mir helfend unter die Arme gegriffen hätte. Mein Freund schüttelte nur den Kopf, während er Pakete und Tüten einsammelte und in seinem Auto verstaute. Geglaubt hatte er mir natürlich kein Wort, aber ich denke, der Mann auf der Landstraße hatte tatsächlich etwas von einem Engel, auch wenn er nicht unbedingt so ausgesehen hat…

© Vivienne

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