Nicht zuletzt die von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer angezündelte Debatte um den Generationenvertrag hat in manchen Nostalgiker die Sehnsucht nach der angeblich so guten alten Zeit geweckt.
Für mich stellt sich damit immer wieder die Frage welchem Zeitraum denn hier so wehmütig nachgetrauert wird. Zweifellos hat das 20. Jahrhundert enorme gesellschaftliche Umwälzungen mit sich gebracht und auch als fortschrittsorientierter Mensch muss man nicht zwanghaft alle Änderungen positiv betrachten.
Machen wir aber einen Rückblick um sagen wir mal gut 100 Jahre. Mit der beginnenden Industrialisierung änderten sich für viele Menschen die Lebensbedingungen ganz entscheidend. War auch das „friedliche Landleben“, nicht so, wie man es durch die rosarote Brille sieht, war die neue Situation in den Zinskasernen der Großstädten schlichtweg katastrophal. Aber auch die Arbeitswelt sah realistisch betrachtet nicht allzu viel besser aus. 6 Tage Woche mit 12 Stunden Arbeitstag und ohne tarifliche Urlaubsregelung ließ der breiten Masse keine wahren Freizeitfreuden bescheiden.
Auch das sich in den 100 Jahren unter anderem zwei schreckliche Weltkriege ereigneten möchte ich nicht unerwähnt lassen, wobei ich auch hier schon das Nachtrauern des Zusammenhalts unter der notleidenden Bevölkerung vernommen habe.
Kürzlich verfolgte ich ungewollt im Warteraum meines Zahnarztes ein Gespräch zwischen zwei etwa 60jährigen Patienten. Ich hatte nicht mitverfolgt wie sich das Gespräch angebahnt hatte, vernahm aber die Aussage, dass „heutzutage jeder nur auf sich selbst schaut“ und dass „früher alles ganz anders gewesen wäre“.
Wie schon eingangs erwähnt möchte ich nicht in Abrede stellen, dass sich die Gesellschaft gewandelt hat und auf den ersten Blick auch zweifellos egoistischer geworden ist. In diesem Zusammenhang wird auch oft der Mythos vom Idyll der Großfamilie ins Spiel gebracht, wo aber vergessen wird, dass in der guten alten Zeit weder eine Kindheit im heutigen Sinne noch eine gesicherte Altersversorgung gegeben war. Es ist noch gar nicht so lange her, dass Kinderarbeit eine Selbstverständlichkeit war. Und auch dass die Menschen früher in Würde altern konnten ist ein Trugschluss. Mal von der damaligen Lebenserwartung abgesehen, war es doch so, dass der Bauer, zwar am Hof das sagen hatte, sobald er nicht mehr konnte sich aber oftmals mit dem Ausgedinge hinter dem Stall arrangieren musste.
Das man seine Großeltern, teils auch Urgroßeltern noch bewusst erlebt wurde erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts möglich. Es gibt heutzutage alte Kinder und junge Alte die selbst noch Enkel sind. Dies führt durchaus auch zu einer Solidarität zwischen den Generationen. Es ist nicht meine Intuition mit diesem Artikel die „gute alte Zeit“ schlechtzumachen. Denn auch in der Jetztzeit gäbe es genug Dinge zu kritisieren und anzuprangern. Verhindern möchte ich lediglich, die Verbreitung eines allgemeingültigen Wundermittels, man hätte doch nur den Fortschritt anhalten müssen. Den dies ist – wie auch immer man dazu steht – schlichtweg nicht möglich.
Pedro