Liebeskrank – Teil 8

Kennst du Stefan schon lange?
Beiläufig klingt Franks Frage.
Aber er sieht mich dabei sehr aufmerksam an.
Wir sitzen in einem Lokal in der Innenstadt und essen Pizza.
Eine spontane Idee von ihm.
Ich erwidere seinen Blick.
Ja, er macht sich was aus mir.
Ganz sicher.
Ich müsste eine Idiotin sein, wenn ich das nicht erkennen würde.
Bedächtig kommt meine Antwort.
Sehr lange.
Zwanzig Jahre.
Ich war blutjung.
Ich sollte Schi fahren lernen in einem Schikurs von der Schule aus.
Und hätte mir beinahe das Bein gebrochen.
Stefan war mein Schilehrer…
Ich lächle, leicht wehmütig.
Seid ihr mehr als… Freunde?
Geht dich das was an?
Der Gedanke kommt sehr plötzlich.
Fast heftig.
Meine Augen blitzen.
Aber dann trifft mich wieder dein Blick.
Mit diesen blauen Augen.
Nein.
Eine herzliche Freundschaft über Jahre.
Er ist mir wichtig.
Aber er hat auch eine junge Frau, die ein Kind von ihm erwartet.
Und er hat Krebs.
Einen Tumor an der Bauchspeicheldrüse.
Verwachsen mit dem Rückgrad.
Er sucht verzweifelt einen Arzt in Deutschland, der ihn operiert.
Bei uns riskiert nämlich kein Chirurg den Eingriff.
Zu gefährlich.

Plötzlich breche ich in Tränen aus.

Aber ich weiß, es ist nur Selbstmitleid.
Wegen dir.
Und weil ich ja so viel leide.
Nicht nur deinetwegen…
Frank nimmt mich in den Arm.
Er sagt kein Wort.
Ich weiß nicht, wie er es immer wieder schafft mich zu beruhigen.
Vielleicht ist es gar nicht einmal er.
Vielleicht ist es einfach die Schulter zum Anlehnen, die mir so fehlt.
Seit so langer Zeit…
Eine Weile reden wir nichts.
Erst als der Kellner kommt, bestelle ich noch einen Kaffee.
Geht’s wieder?
Frank ist so fürsorglich.
Es macht mich fast aggressiv.
Wieder schweifen meine Gedanken ab.
Habe ich vielleicht einfach Angst mich dem zu stellen…?
Dem zu stellen, das er irgendwann von mir erwarten wird?
Kein Mann bemüht sich sonst so beharrlich um eine Frau.
Nun mehr seit fast 2 ½ Monaten.
Und ich bin im Grunde ziemlich distanziert.
Noch immer.
Bis hierher und nicht weiter!
Und Stefans Worte fallen mir wieder ein.
…wirf die Tür nicht gleich zu…
Unvermittelt kommt es über mich.
Ich sehe Frank dabei nicht einmal richtig an.
Bitte, ich kann noch nicht.
Ich bin noch nicht so weit.
Frank sieht mich mit großen Augen an.
Dann nickt er.
Hektisch.
Aber auch verständnisvoll.

Nachher in meine Wohnung fühle ich mich wie eine Idiotin.
Ich bin Frank keine Rechenschaft schuldig.
Ich hab ihn nie gebeten zu mir zu kommen.
Und dass er eine Woche nach dem Beinah-Unfall wieder vor meinem Wohnblock auftauchte: DAS war sicher kein Zufall.
Er hat mich gesucht.
Und gefunden.
Gezielt.
Und das ist sein Problem.
Nicht meines.
Der Grund für meinen Unmut ist ganz klar.
Vor fünf Minuten hat meine Freundin angerufen.
Mit ihrer säuselnden Stimme.
Wer glaubst du, hat euch eben in der Pizzeria gesehen?
Ihr seid ja ein süßes Paar…!
Unglaublich.
Sag’ mir nicht wieder, dass da nichts läuft..!
Ich freu mich so für dich!
Ich kann ihr Gerede kaum ertragen.
Nach einer Weile lege ich auf.
Und beginne wieder zu weinen.
Es geht weniger um Frank.
Und auch nicht so sehr um dich.
Es geht um meine Angst.
Um meine Angst vor der Liebe.
Es war lange Zeit so einfach mich, mich an dich zu hängen.
Weil ich genau wusste, du willst mich nicht.
Das ist die Wahrheit.
Ich musste nichts riskieren.
Aber Frank…
Er will mich.
Unzweifelhaft.
Und davor hab ich Angst.
Eine dunkle Erinnerung taucht auf.
Wie eine pechschwarze Wolke.
Ich spüre den Schmerz wie damals.
Und schließe die Augen.
Wie ein Film läuft alles noch einmal vor meinem inneren Auge ab.
Ich presse automatisch wieder die Fingernägel in den Ballen des Daumens.
Um nicht zu schreien.
Genau wie damals…

© Vivienne

Schreibe einen Kommentar