KRITISCH BETRACHTET
von Vivienne – Juni 2003
Figaro, Figaro!
Keine Sorge, liebe Leser, hier und jetzt folgt kein Exkurs über den Barbier von Sevilla sondern ein paar allgemeine wie persönliche Gedanken von mir zum Thema Friseur. Samstag war es bei mir nämlich wieder soweit. Ich hatte im Salon in der Nachbargemeinde um 9:00 Uhr einen Termin und kam auch nach relativ kurzer Wartezeit dran. Was ja nicht immer der Fall ist aber was erzähl ich Ihnen! Wie meistens die letzte Zeit bediente mich ein junges Mädchen, das erst seit kurzem ausgelernt ist, wie sie zugab. Und wie immer sah ich nach einer guten Stunde in den Spiegel und dachte mir Oh Gott!. Gut gemeint ist meistens das Gegenteil von gut gemacht. Und erst als ich mir daheim den Kopf selber noch einmal gewaschen und geföhnt hatte (ohne eine Unmenge an Bürsten!), war ich bereit ohne Angst noch einmal in den Spiegel zu blicken.
Gehts Ihnen auch oft so? Das Problem ist nicht das junge Mädchen, sie ist bemüht, sie belästigt mich auch nicht mit viel Gerede, im Gegensatz zu mancher ihrer Kolleginnen. Denn die anderen Mitarbeiterinnen des Salons reißen sich auch nicht gerade einen Haxn aus, wenns um eine modische Frisur für eine Kundin geht. Die eine spult ihren Standard-Schnitt herunter, stereotyp und einfallslos und alles andere als kreativ oder gar mit Liebe zum Beruf. Hauptsache schnell und unkompliziert. Die andere ist eine Wiedereinsteigerin, die nur ein paar Stunden pro Woche arbeitet und der halt auch ein bissel die Routine fehlt. Wenn ich ehrlich bin: zufrieden bin ich im Grunde nur dann, wenn – rein symbolisch die Chefin Hand (oder besser gesagt, Schere) an mich legt. Die ist ein Profi, durch und durch, und hat ein Gspür, für das, was einer Frau haarmäßig steht. Aber leider, die ist in Karenz, hat im März das zweite Kind bekommen und wird in der nächsten Zeit eher selten selber ihre Kundinnen betreuen. Verständlich.
Trotzdem ist man da als Kundin irgendwie in der Zwickmühle. Wer ohne Färben schon an die 40 Euro für einen Haarschnitt hinlegt und dann auch nicht wirklich zufrieden ist, weil man halt wie ein Dutzendkunde behandelt wird, reagiert dann mehr als ärgerlich. Wenn man da hochrechnet, kommt man auf keinen niedrigen Betrag im Jahr, den man sich speziell als Frau genau überlegen muss, bevor man ihn hinlegen kann. Dabei geh ich an sich gern zum Friseur, man gönnt sich selbst etwas, lässt sich ein wenig verwöhnen und glaubt danach, dass man hübscher rauskommt als man rein gegangen ist. Doch zumindest mir gehts in letzter Zeit immer öfter so, wie weiter oben beschrieben. Zufrieden bin ich meistens erst dann, wenn ich selber an mir rumgewerkt habe.
Friseur zu sein ist im Grunde einer der kreativsten Jobs auf der Welt. Man hat so viel Gestaltungsmöglichkeiten, man hat die große Chance aus einem Menschen einen neuen zu erschaffen. Aber die wenigsten Friseure oder Friseurinnen tun das wirklich. Ich hab oft den Eindruck, dass viel von ihnen ihren Job freudlos verrichten, ohne wirkliches Engagement. Viele junge Mädchen haben Friseurin als Traumberuf auserkoren, aber die Begeisterung schwindet im Alltag: Haare wegkehren, fettige Haare waschen, unangenehme Kunden ertragen. Und Geld verdienen kann man auch nicht in diesem Beruf. Erkundigen Sie sich doch mal nach dem Kollektivvertrag einer Friseurin! Trotzdem ist ein Besuch im Salon alles andere als billig, fast ein Luxus, den ich mir 7-8 Mal im Jahr gönne, aber wohl überlegt. Haare färben, zum Beispiel, ist nicht jedes Mal drin.
Anderen Leuten gehts da nicht so gut wie mir. Und mittlerweile hat sich ein richtiger Friseurtourismus in die ehemaligen Ostblockländer entwickelt. Nein, nicht nur der Zahnarzt, auch der tschechische oder ungarische Figaro lock
t mit billigeren Preisen. Ich hatte vor einiger Zeit eine Arbeitskollegin, die regelmäßig mit der Schwiegermutter zu einem tschechischen Friseur fuhr, um sich die Haare richten zu lassen (und einige andere Einkäufe dort zu erledigen der Ausflug sollte sich ja in jeder Hinsicht rechnen!). Anfangs hab ich das noch milde belächelt, aber zweifellos ist diese Dienstleitung im Ostblock noch immer um einiges günstiger als bei uns. Und das tut weh. Nicht nur den heimischen Friseuren, die zusehends an Kunden verlieren und in einem harten Konkurrenzkampf stehen.
Aber zweifellos auch den Kunden selber, die einerseits nicht alle grenznah zum Osten leben, aber andererseits den teilweise mangelnden Service und die teuren Preise bei uns bekritteln. Ich würde niemandem ernsthaft raten, sich die Haare im früheren Ostblock machen zu lassen, genau so wenig wie ich jemals überlegt habe, mir die Haare privat schneiden zu lassen. Meiner Meinung nach birgt das ein gewisses Risiko. Wenn mir dort jemand die Haare verpfuscht (Ich habe einmal bei meiner jüngsten Schwester gesehen, wie ihr die Dauerwelle durch eine Freundin im 3. Lernjahr verhunzt worden ist), hab ich wenig Möglichkeiten, das Geld zurück zu bekommen oder überhaupt auf einen rechtlichen Anspruch auf Qualität zu pochen. Den gibt es nur bei uns, in den Friseursalons. Andererseits, wenn ich mir meinen neuen Haarschnitt ansehe: das Mädel, das mir die Haare richtete, muss auch noch viel lernen. Trotzdem bezahle ich so viel, als ob mir die Chefin oder eine routiniertere Kraft den neuen Haarschnitt verpasst hätten. Und das kann es auch nicht sein.
Alles in allem eine unrunde Geschichte. Ich verstehe die Friseurinnen, die oft nicht wirklich begeistert an die Arbeit gehen, die wenig verdienen und ohne Trinkgeld und private Kunden oft kaum das Auslangen finden würden. Gerade in diesem Beruf spürt man die wirtschaftliche Situation der Leute besonders gut. Aber andererseits: im Handel ist der Frust bei den Angestellten sicher nicht geringer. Der Unterschied ist halt, wenn ich in einem Kleidergeschäft bin, finde ich meine Wunschkleidung auch ohne großartige Unterstützung einer Verkäuferin. Beim Friseur bin ich halt in gewisser Weise auf den Good-Will der Friseurin angewiesen selber schneiden kann ich mir die Haare nun mal nicht. Und schon aus diesem Grund würde ich mir öfter wünschen, dass die Friseurinnen in meinem Stamm-Salon öfter über ihren Schatten springen würden meiner Haare und der der anderen Kunden zu liebe!
Vivienne
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