KRITISCH BETRACHTET
von Vivienne – September 2003
Kuhschellen-Blues –
einsamer Bauersmann auf Brautschau
Tja, das waren noch Zeiten, als der Bauernstand ein angesehener war und sich ein Hoferbe die passende Braut unter vielen Aspirantinnen auswählen konnte. Was galt es vor 60, 70 Jahren noch als Privileg, in einen Bauernhof einheiraten zu dürfen und trotz täglicher, harter Arbeit, in der den Unbillen der Natur die Ernte abgerotzt wurde, sich selbst stolz als Bauer oder Bäuerin zu definieren. Und wäre nicht der Bauer, so hättest du kein Brot, doch unsere Gesellschaft hat sich in den vergangen Jahren stark gewandelt. Bauernhöfe gibt es immer weniger, viele Landwirte müssen nebenbei arbeiten, um den Hof zu erhalten welch ein Anachronismus, da so eine Familie vom Verdienst des Bauern in der Privatwirtschaft besser und angenehmer leben könnte als in Kombination mit einem Bauernhof.
Fast kein Mensch will mehr Bauer sein, und so mancher Bauernsohn, der schon in die Jahre gekommen ist, hält vergeblich Ausschau nach einer Frau, die das harte und arbeitsreiche Leben mit ihm teilt, einen Erben zur Welt bringt, keine hohen Ansprüche stellt und das alles, bis dass der Tod euch scheidet? Blöd müsste man sein, denkt sich die holde Weiblichkeit und wendet sich anderen Vertretern der Spezies zu. Durchaus verständlich im Übrigen, und den Altbauern wie ihren unverheirateten Söhnen bleibt nur das Schimpfen: Die Frauen wollen alle nicht mehr arbeiten und zupacken! Allerdings ist diese Kritik nicht zulässig. Man kann einer modernen, lebenslustigen Frau nicht ernsthaft zumuten, dass sie die Annehmlichkeiten ihres Lebens aufgibt für einen Mann und dass muss offen gesagt werden dem weniger ihre Liebe als ihre Arbeitskraft und ihr absoluter Gehorsam am Herzen liegen. Kann man sich das als Frau mit nur ein wenig Ehrgefühl gefallen lassen?
Da liegt auch der Knackpunkt, das Dilemma des Bauerntums. Natürlich, muss ich an dieser Stelle zugeben, gibt es aufgeschlossene Landwirte, die nicht den alten, mittlerweile verwachsenen Weg des Althergebrachten gehen sondern innovative Ideen entwickeln und neue Möglichkeiten für sich und ihren Hof suchen, unter den stark veränderten Bedingungen des 3. Jahrtausends zu bestehen. Von denen spreche ich jetzt nicht. Es geht mir viel mehr um jene, die diesen Quantensprung nach dem 2. Weltkrieg verpasst haben, und noch immer nach dem Motto: Es ist eben so, und es wird immer so sein zu leben versuchen, obwohl eben dieses Leben ihnen jeden Tag wieder zeigt, dass jener Spruch sich längst ad absurdum geführt hat.
Dieser alte Schlag der Bauern ist erzkonservativ und kann sich nur schwer damit abfinden, dass ein Bauer nichts mehr zählt in der Gesellschaft. Vor hundert Jahren oder mehr hatte es ein Bauer nicht schwer, Arbeitskräfte, so genanntes Gesinde zu bekommen damals gab es ja noch keine Sozialversicherung und für einen Bauern war das Gehalt für seine Mägde und Knechte relativ leicht erschwinglich. Ja, diese waren oft sogar froh und dankbar für eine Anstellung, aber mit dem Wohlstand nach dem 2. Weltkrieg, mit der Industrie und ihren neuen Arbeitsplätzen lernten die Leute bequemere Arbeitszeiten und bessere Bezahlung kennen. Obwohl im Kino in den 50er und 60er Jahren der Heimatfilm boomte mit einem verlogenen Klischee vom schönen Leben am Hof, verloren die Bauernhöfe damals jede Anziehungskraft, wenn es darum ging Arbeitskräfte zu rekrutieren. Kaum ein Landwirt konnte es sich bald mehr leisten, jemanden am Hof für seine Arbeit zu bezahlen.
Um so mehr blieb an den Frauen hängen, die für ihre tägliche Arbeit 365 Tage im Jahr von früh morgens bis spät abends und Versorgung der Kinder, das alles ohne einen Tag Urlaub, lange Zeit nicht einmal eigene Versicherungsleistungen anerkannt bekamen. Lebenslange Sklaverei so wie ich es in meinem Jubiläumsbeitrag am Beispiel einer Hobby-Malerin, die den Ausstieg schaffte, beschrieb. Kann man es einer Frau also ernsthaft verübeln, wenn sie das Leben in einer normalen Beziehung mit einem normalen Job (alles einmal relativ betrachtet) vorzieht? Nicht wirklich. Das Malheur ist halt, dass dieser Bauernschlag, den ich da beschreibe, nicht wirklich dazu lernt. Eine Frau will heute nicht mehr allein geheiratet und versorgt werden, das braucht sie gar. Eine moderne Frau kann sich nämlich durchaus selber ernähren, sie sucht in einer Beziehung eben nicht mehr die Unterordnung sondern die Gleichberechtigung. Aber auch ganz bestimmt Freiräume…
Und das ist der Punkt: als Bauersfrau kannst du dir deine Freiräume in die Haare schmieren, etwas unorthodox formuliert. Da ist alles wichtiger: die Kinder, die Ernte, die Rinder, die kalbende Kuh, das Heu, … nur sie selbst ist nicht wichtig, und das bekommt sie jeden Tag wieder aufs Neue zu spüren. Es ist schon eine Weile her, als bei Elizabeth T. Spiras Liebesgeschichten und Heiratssachen in einem Landwirt-Special ein Hoferbe durch die Sendung mit einer Gemeindeangestellten zusammenkam. Amor dürfte in dieser Beziehung durchaus getroffen haben, auch ein Kind ist mittlerweile da, aber der Haussegen hängt trotzdem schief. Aber nicht beim jungen Ehepaar untereinander sondern zu den Schwiegerleuten, die im Ausgedinge leben. Die Bauersfrau hat nämlich nach der Geburt des Kindes wieder auf der Gemeinde zu arbeiten begonnen, und für die Bauersleute ist das die schlimmste Heimsuchung die einem widerfahren kann.
Es fällt ihnen nämlich viel zu schwer zu begreifen, dass ihr Sohn die Eigenständigkeit seiner Frau akzeptiert hat und zulässt, dass sie in ihrem eigenen Beruf Erfüllung findet und wenig bis kaum am Hof arbeitet. Und das geht einem aufrechten Bauern eben durch Mark und Bein. Dabei spiel keine Rolle, dass der Hoferbe sich mit seiner Frau arrangiert hat, weil er sie offenbar wirklich gern hat und nicht vorrangig als Arbeitskraft ausgesucht hat. Und dass seine Frau eben keinen wirklichen Bezug zur Arbeit auf dem Hof hat. Wer würde in dieser Situation nicht auch lieber einen Bürojob ausüben? Man darf in dieser Situation ja auch nicht vergessen, dass für eine Frau die Entscheidung, als Bauersfrau zu leben, durchaus eine Gefahr in sich birgt. Wenn die Ehe scheitert, kann sie keine passable Berufspraxis vorweisen, nur die Arbeit am Hof. Auch wenn Bauersfrauen mittlerweile versichert sind, kann eine Ex-Bäuerin große Probleme bekommen, im normalen Berufsleben einen Platz zu erkämpfen.
Vielleicht wird ja vom AMS eine Umschulung bezahlt, vielleicht auch nicht. Leicht ist das Leben auf jeden Fall nicht, weshalb viele unglückliche Bauersfrauen den Ausstieg gar nicht erst wagen. Und dabei seelisch zu Grunde gehen oder zwischenmenschlich verkümmern. Es ist verdammt leicht für einen frustrierten weil ledigen Bauern zu jammern, dass die Frauen einfach nicht mehr arbeiten wollen und bequem geworden sind. Man merkt den wahren Grund: wie beim Fuchs mit den sauren Weintrauben, über die er in Wirklichkeit schimpft, weil er sie nicht erreichen kann. Der gute Mann sollte sich zuerst einmal bei der Nase nehmen und nachdenken, warum keine Frau täglich mit Gummistiefeln, der Mistgabel in der Hand und stark verschmutzter Kleidung Stall ausmisten oder die Hühner füttern möchte? Wenn man eine Frau gewinnen möchte, muss man sich auch als Bauer etwas überlegen, und mit einem Deal etwa, durch den die Auserkorene auch regelmäßig freie Tage oder Kurzurlaube genießen kann, ließe sich bei so mancher sicher etwas bewegen. Doch wenn der Bauer selber nicht nachgeben will, von seinem Pfad in die Einöde einfach nicht abrücken wird, nutzt alles nichts. Dem ist nichts zu raten und zu helfen, meint
Vivienne
Link: Alle Beiträge von Vivienne