Neue Bohnen Zeitung


KRITISCH BETRACHTET
von Vivienne  –  Oktober 2003



Von der „Liebe auf den ersten Blick“…

„Wie ein Blitz schlägt die Liebe ein, der Donner folgt meist erst nach ein paar Jahren...“ Was ich da – natürlich leicht satirisch gemeint – vor langer Zeit einmal auf einem Kalenderblatt gelesen habe, würde eine gute Definition der Liebe zwischen zwei Menschen abgeben: Man lernt sich kennen, verliebt sich, verlobt sich, heiratet und bekommt Kinder. Dann wird das Paar vom Alltag eingeholt, man entfremdet sich, verliebt sich womöglich in fremden Revieren und trennt sich wieder, mehr oder weniger harmonisch, in Freundschaft oder Krieg. Dazwischen gibt es viele Facetten… Mittlerweile, das nur nebenbei, ist statistisch jede dritte in Österreich geschlossen Ehe zum Scheitern verurteilt.

Aber ich will hier nicht darüber diskutieren, ob die Ehe nicht mittlerweile überholt ist und sich das Leben des Menschen nicht am besten in verschiedene Lebensabschnittspartner (grausliches Wort) teilen lässt. Mir geht’s heute vor allem um die viel zitierte „Liebe auf den ersten Blick“, an die tatsächlich so viele noch glauben, obwohl es sie meiner Meinung nach nicht wirklich gibt. Bevor Sie, liebe Leser, jedoch energisch protestieren (Sie haben gern noch im Forum die Möglichkeit, sich dazu zu äußern!), geben Sie mir bitte die Gelegenheit, meine These zu erläutern.

Als Konstanze-Fan der ersten Stunde hab ich oft abends das Radio laufen und wenn ich auch nicht selber anrufe, so lassen sich doch die Geschichten, die die Hörer erzählen, für mich immer wieder in bestimmte Kategorien teilen. Da gibt es unter anderem jene Hörer, die sich beim ersten Blind Date (Treffen) schon in die neue Bekanntschaft leidenschaftlich verlieben und in höchsten Tönen von der neuen Liebe schwärmen. Da ich aufmerksam zuhöre, fällt mir dann ein paar Wochen später oft auf, dass sich der oder die frisch Verliebte sehr kleinlaut und enttäuscht wieder zu Wort meldet. Die neue Liebe ist verpufft, hat sich nicht mehr gemeldet, alles wieder vorbei…

Wie kann man einen Menschen lieben, dem man gar nicht kennt? frag ich mich angesichts solcher „Geschichten aus dem Leben“. Ich gebe zu, dass man meistens relativ früh bei einer neuen Bekanntschaft merkt, ob sie einem liegt oder nicht, ob einem jemand sympathisch ist oder nicht, weil man das spürt, wenn man einigermaßen sensibel ist und über gute Antennen für die Umwelt verfügt. Aber Liebe sofort zu spüren: jemanden zu sehen, kurz mit ihm oder ihr zu reden und zu sagen oder zu denken „Du bist’s oder keine/r sonst auf Erden!“ (frei nach Schiller) – das ist doch nicht ernsthaft möglich. Wie denn auch? Sich auf sein Gefühl, auf seinen „Bauch“ zu verlassen, ist in den wenigsten Fällen wirklich falsch, aber Liebe, ernst gemeinte Liebe sollte doch – wenn schon nicht mehr eine Entscheidung für’s Leben so doch eine Entscheidung für einen längeren Zeitraum sein. Und Hand auf’s Herz – wer kann das nach wenigen Augenblicken entscheiden?

Reden wir auch in dem Zusammenhang bitte nicht vom Schicksal. Ich hab von zu vielen Leuten schon mitbekommen, die „die große Liebe vom ersten Augenblick“ geheiratet zu haben glaubten, und die sich ganz banal wieder scheiden ließen. Sie werden natürlich argumentieren, dass Ehen in unserer Gesellschaft eben nicht mehr für die Ewigkeit geschlossen werden. Dass stimmt auch, ist aber nicht die Erklärung dafür, dass man nach einer kurzen Bekanntschaft nicht sicher und unumstößlich sagen kann, mit diesem Menschen möchte ich mein Leben verbringen, alt werden, glücklich sein. Was einem das suggeriert, sind  die Hormone, Hormone die unbewusst durch das Gegenüber und seine Ausstrahlung aktiviert werden und im Grunde meiner Ansicht nach mehr dem Wunsch nach schnellem Sex miteinander Ausdruck verleihen, also viel mehr etwas mit unserem Sexualtrieb zu tun haben und nicht so sehr mit dem Gefühl, das sich Liebe nennt.

Das kann man am besten durch ein paar anschauliche Metapher, bildhafte Vergleiche, verdeutlichen. Liebe auf den ersten Blick lässt sich für mich am besten mit einem Strohfeuer vergleichen: die Halme stehen schnell in Flammen und lodern hell und leidenschaftlich und ehe man es sich versieht sind die Halme schwarz und verbrannt und das Feuer wieder verglüht. Zurück bleibt nur Rauch…. Anders bei einer „gewachsenen Liebe“, die sich schön langsam entwickelt hat. Die kleinen Flammen züngeln anfangs noch vorsichtig bis fast überraschend die Holzscheite in Flammen stehen – ein kräftiges Feuer, das, wenn man darauf achtet – immer wieder Nahrung erhält und Wärme gibt. Als Musterbeispiel zitiere ich in dem Zusammenhang immer wieder gern die Beziehung meiner jüngeren Schwester zu ihrem Freund, die über ein Jahr nebeneinander in der selben Firma gearbeitet haben, ehe sie eine Beziehung eingingen, die mittlerweile fast 10 Jahre ungetrübt überdauert hat, kein Ende in Sicht. Fast altmodisch, wird so mancher von Ihnen denken, aber sehr solide.

Natürlich ist nicht jeder Mensch gleich und jeder reagiert auf neue Freundschaften, etc. anders. Manche haben überhaupt kein Problem, relativ rasch mit einer neuen Bekanntschaft intim zu werden und Beziehung zu leben, und daran ist auch nichts Schlechtes. Andere sind in dieser Hinsicht zurückhaltender, brauchen ihre Zeit um „aufzutrauen“ und sich zu „öffnen“, im wahrsten Sinn des Wortes. Wie gut oder schlecht auf die eine oder andere Weise entstandene Beziehungen halten, hängt auch davon ab, wie flexibel die Partner sind, wie bereit sie sind, gemeinsam zu wachsen und aufeinander einzugehen. Und wie tief die Gefühle sind, und zwar die zwischenmenschlichen. Die sexuelle Komponente zwischen zwei Liebenden, so bedeutsam und wichtig sie auch ist, sollte nie überwiegen, wo sie doch am meisten unter Gewohnheit und einer  gewissen „Einförmigkeit“ leidet.

„Wia Sternschnuppn is d’Liab kommen, wia Sternschnuppn war’s wieder weg...“ Jeder definiert Liebe für sich selbst, wenn nicht bewusst, so doch unbewusst. Stellt gewisse Ansprüche und Forderungen und ist bereit zu geben, im besten Fall im selben Ausmaß. Schwierig ist es zwischen beiden „Hälften“  in einer Beziehung, das rechte Mittelmaß zu finden und nicht das Gefühl aufkommen zu lassen, der eine hätte mehr Freiheiten oder die andere mehr Pflichten (oder umgekehrt). Ich fürchte, dass in unserer Gesellschaft der Egoismus in den Partnerschaften zunehmend überhand nimmt und keiner mehr an sich arbeiten möchte – was weniger an der nicht existenten „Liebe auf den ersten Blick“ liegt sondern ein allgemeines, viel schwerwiegenderes Problem darstellt. Und die Liebe verglüht schließlich schnell wie eine Sternschnuppe… Ich wünsche Ihnen, dass Ihre Liebe wie der Abendstern am Himmel aufgeht und am Morgen erst den ersten Strahlen der Sonne wieder weicht….

Vivienne

 

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