Neue Bohnen Zeitung


KRITISCH BETRACHTET
von Vivienne  –  Juni 2003



Eine Lanze für die Speckfalte

Seit sie ihre erste Sendung auf Life Radio hatte – unsere „Stimme der Nacht“, Constanze Hill – bin ich ein Fan von ihr und wann immer ich es einrichten kann, sitze ich abends vor dem Radio-Gerät und entspanne mich bei angenehmer Musik, Life Talk und den vielschichtigen Themen der Sendung. Sie wissen es selbst, in Constanzes Sendung ist alles erlaubt: man kann einen Job suchen, Dampf ablassen, wenn einem etwas Unglaubliches passiert ist oder aber auch die Life Radio Gemeinde am eigenen Liebesglück teilhaben lassen. Nicht wenige versuchen auch gleich via Äther, den Partner oder die Partnerin für’s Leben zu finden oder zumindest jemanden, zu dem sich einmal eine Liebe entwickeln kann.

Wenn sich so ein Hörer oder eine Hörerin meldet, horche ich immer besonders aufmerksam zu. Man erfährt da Elementares. Wenn Constanze nämlich an die Einsamen die Frage richtet, wie denn der- oder diejenige sein soll, den oder die man sich da erwartet, fällt manchem nämlich als erstes nichts ein. Und viele ergehen sich rein an Äußerlichkeiten, speziell das männliche Geschlecht: vor allem schlank soll die Zukünftige sein, sportlich und in den meisten Fällen auch unbedingt jünger als die Hörer auf Freiersfüßen. Natürlich kitzelt Constanze aus diesen dann auch mal heraus, dass man miteinander reden können muss. Aber der erste Eindruck bleibt, auch bei mir: wenn du, speziell als Frau, einem gängigen Schönheitsideal nicht entsprichst, hast du schlechte Karten in der Liebe.

Natürlich denken nicht alle Männer bzw. Frauen so, das ist richtig. Aber zumindest im Radio dringt bisweilen doch eine gewisse Oberflächlichkeit gerade der „Krone der Schöpfung“ durch, für die die Lebensgefährtin halt mal in erster

Linie hübsch sein und eine gute Figur haben muss. Wenn das passt, nehmen sie den Rest ungeschaut. Öfter schon hat’s mich gejuckt, die ich Constanzes Plattform bisher nur in Sachen Bohnenzeitung nutzte, spaßhalber via Äther eine „Kontaktanzeige“ der anderen Art zu präsentieren: Speckfalten nicht nur erlaubt sondern erwünscht, Schläfen dürfen grau sein und Augen- oder Haarfarbe sind auch völlig egal, denn ich suche keinen Märchenprinzen: wenn’s passt, dann passt’s! Oder?

Meine Besonnenheit hat mich bisher davon abgehalten, dass ich mir diese Gaudi machte. Trotzdem hab ich viel überlegt, was bei einem Paar oft den Ausschlag gibt, dass man zusammengeht, dass man sich findet – zumindest mit dem ehrlichen Wunsch im Herzen, es möge für immer sein. Liebe Damen – muss „er“ unbedingt einen Waschbrettbauch haben? Muss er strahlend, dynamisch und jugendlich wirken, um „ihm“ erliegen zu können? Wenn ich mir diese Frage stelle, dann beantworte ich all diese Punkte entschieden mit „nein“ – was aber nicht daran liegt, dass ich schon so fortgeschrittenen Alters oder so hässlich wäre, dass ich über jeden froh sein müsste, der mich überhaupt ansieht. Das wissen auch alle, die mich kennen.

Der Grund liegt einfach darin, dass ich halt selber keinen perfekten Körper habe und auch wenn es mir alles andere als unangenehm ist, etwa im Schwimmbad einen gut gebauten Mann zu begutachten oder sich bei einem Videoclip am wohlgeformten Hintern von Jon Bonjovi zu erfreuen, erwarte ich von keinem Mann, dass er neben mir wie ein Halbgott durch’s Leben schreitet. Wichtig ist mir in einer Beziehung nicht, dass mich die Geschlechtsgenossinnen um meinen Mann beneiden, weil er so toll aussieht, sondern dass die Chemie zwischen uns stimmt, dass man miteinander reden kann, dass die gegenseitigen Gefühle tief und echt sind. Wer braucht da einen Mann, der eine Menge Zeit pro Woche oder öfter im Firnessstudio verbringt oder einen, der gar Make Up benutzt (was ja auch immer öfter vorkommt!)? Ich jedenfalls nicht!

In Constanzes Sendung kann ich mich einmal an die Erzählung eines merkwürdigen Typen erinnern, der sich bei ihr beklagte, dass er seine Traumfrau zwar gefunden hätte, aber die sei leider so fett und er würde sich von ihr trennen, wenn sie nicht acht Kilo abnehmen würde. Unterm Strich kam durch, dass er sich für seine Freundin genierte, weil sie mollig ist. Keine Frage, Constanze – Sie kennen sie ja – hat diesem Kerl ein paar elementare Dinge gesagt, das erwähne ich nur so nebenbei. Ich selber musste angesichts dieser Geschichte ein paar Mal kräftig schlucken, denn wenn sich der Bursche mit dem Mädel seiner Träume nicht in die Öffentlichkeit traut, weil sie halt keine Model-Figur hat, kann es mit seiner Liebe nicht weit her sein. „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, hat Antoine de Saint-Exupéry einmal gesagt. „Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Und wo hat diese Erkenntnis noch mehr Gewicht als in der Liebe, in einer Lebensgemeinschaft?

Liebe kommt nicht aus dem Nichts. Sie entzündet sich nicht an einem großen Busen und langen Beinen oder kräftigen Muskeln und einem knackigem Hintern. Sie entzündet sich in unserem Innern, dort sitzen nämlich die Sensoren, die richtig erkennen, ob jemand gleich gepolt ist oder man sich nur von optischen Reizen täuschen ließ. Das heißt natürlich auch, dass es für eine Beziehung mehr als nur oberflächliches Geplänkel braucht, um einander kennen zu lernen. Das Auge führt einen oft hinters Licht – ein schöner Mensch muss kein feiner Charakter sein, der zu einem passt und umgekehrt. Es heißt ja auch, man sollte beim Küssen die Augen schließen – nämlich um besser ins Innere seines Partners blicken zu  können.

Wenn Sie mit mir über dieses Thema diskutieren wollen, haben Sie dazu ab sofort Gelegenheit in unserem Forum in der Bohnenzeitung. Sagen Sie mir, was Sie an Ihrem Mann, an Ihrer Frau so schätzen und warum Sie ihn oder sie so gern haben.

Vivienne

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