KRITISCH BETRACHTET
von Vivienne – November 2003
Zwentendorf
Eine Betrachtung der Ereignisse 25 Jahre nach dem Votum
Wer von Ihnen, liebe Leser, kann sich noch an die Volksabstimmung zur Inbetriebnahme des einzigen österreichischen Atomkraftwerkes in Zwentendorf erinnern, die sich in diesen Tagen zum 25. Mal jährte? Ich war damals dreizehn Jahre alt, ging in die Hauptschule meiner Heimatgemeinde und hatte natürlich auch meine eigene Meinung dazu, wie Sie sich vorstellen können, nämlich: Nein, danke! Meine ganze Familie war sich übrigens trotz traditioneller SPÖ-Treue einig, dass dieses Kraftwerk eine große Gefahr darstellt und stand so im krassen Gegensatz zu unserem Sonnenkönig, Bruno Kreisky, seines Zeichens Kanzler und am Höhepunkt seiner Macht, der mit der Volksabstimmung quasi einen Start-Ziel-Sieg einfahren wollte. Falls es Sie interessiert, warum die rote Vivienne mit ihrer Familie so offen gegen die Inbetriebnahme auftrat: es lag vor allem an unserer Angst vor der Atomkraft, einige Jahre vor Tschernobyl und auch etwas indifferent. Aber in jedem Fall entschieden.
Auch gegen die vorherrschende Meinung in der Schule, in der die Lehrer offenbar von den Obrigkeiten den Auftrag hatten, Zwentendorf über die Kinder in den Herzen der Eltern zu manifestieren. Sie haben durchaus richtig gelesen, es gab in der Schule eindeutige Manipulationsversuche von Seiten der Lehrerschaft, etwas, das ich heute noch abscheulich finde, aber Näheres dazu ein anderes Mal. Wie also schon erwähnt, die Meinungen prallten also in den Klassenzimmern aufeinander, und ich gehörte zweifellos einer Minderheit an. Ähnlich ging es auch meiner jüngeren Schwester, die Ihnen als Stammleser bestens als Beatrice bekannt sein dürfte, deren Aufsatz zum Thema Zwentendorf, ein beeindruckendes Pamphlet gegen die Atomkraft, bei einem Aufsatzwettbewerb in der Schule nicht berücksichtigt wurde. Das Ergebnis der Volksabstimmung war für meine Familie auf jeden Fall eine große Erleichterung, wir hatten das knappe wie glückliche Votum in keinster Weise erwartet.
Historiker meinen heute vielfach, dass Kanzler Kreisky diese bittere Niederlage durch einen taktischen Fehler selber verschuldet hat. Ich kann diesen nur Recht geben. Hätte Kreisky, dessen Position damals völlig ungefährdet war, nicht seine eigene Person ins Spiel gebracht und das Fortbestehen seiner Kanzlerschaft vom Ergebnis des Votums abhängig gemacht, wäre die Abstimmung sicherlich anders verlaufen. Indirekt hieß das Motto der Abstimmung nämlich Soll Kreisky bleiben oder nicht?. Und nicht wenige, die sich an seiner Politik stießen, sei es Kritiker aus den eigenen Reihen oder von der Opposition, auch eigentliche Atomkraftbefürworter, ließen sich diese Gelegenheit wider besseren Wissens nicht entgehen. Kreisky erhielt also einen ordentlichen Dämpfer, ließ sich aber überreden, wie die Märe sagt, doch im Amt zu bleiben. Immerhin war unser Sonnenkönig konsequent. Zwentendorf war danach nicht wirklich mehr ein Thema. Wenn ich mir aber den Seitenhieb erlauben darf: ein Sonnenkönig unserer Tage, klein wie Napoleon, hätte sich wohl vom Volkswillen nicht abhalten lassen, seine eigenen Pläne durchzusetzen…
Gern wird das Votum für Zwentendorf auch als der Startschuss für die grüne Bewegung in Österreich betrachtet. Man möge mir zugestehen, dass ich das leise bezweifle. Indirekt mag der in Österreich gescheiterte Versuch, Atomenergie in Zwentendorf zu produzieren, sicher den einen oder andern geprägt haben. Aber in Wirklichkeit ist für mich erst Hainburg ein paar Jahre später der wahre Beginn der Grünen Ära, weil die Leute damals erstmals begeistert und engagiert und vor allem aktiv für die Rettung der Stopfenreuther Au eingetreten sind: zur Bewahrung der Natur. Und weniger, um Kanzler Sinowatz einen Denkzettel zu verpassen. Das sehe ich persönlich als den kleinen aber feinen Unterschied zwischen beiden Volksentscheiden. Und auch in dieser Angelegenheit ein dezenter Hinweis: Kanzler Schüssel hätte sich – damals in vergleichbarer Position – keinen Deut um die Anliegen der Aubesetzer gekümmert…
Zurück zum Jahr 1978: Kreisky nahm also nicht seinen Hut, aber diese Volksabstimmung dürfte doch in gewisser Weise das Ende seiner Ära eingeleitet haben: Von da an gings bergab… oder anders formuliert: dem Rüffel durch die Wähler kann man durchaus eine gewisse Symbolbedeutung zuweisen. Als Signal gegen die Atomkraft und ihre Gefahren an sich verstehe ich, wie ich schon anklingen ließ, diese Volksabstimmung nicht wirklich. Der Supergau von Tschernobyl 1986 war nicht vorhersehbar, vor allen Dingen aber nicht, dass er, der sich in der fernen Udssr ereignete, solche Auswirkungen auch in Österreich, speziell in meinem Mühlviertel und in Salzburg, der Stadt, in der ich damals lebte, zeitigen würde. Damals erst wurde den Österreichern (und nicht nur ihnen) wirklich bewusst, was Atomenergie, wenn sie fehl-funktioniert, für Folgen haben kann. Im Grunde brachte jene Volksabstimmung eine richtige Entscheidung aus den falschen Gründen, meint
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