Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  Februar 2004



Amerikas Doppelmoral

In den USA hat der Wahlkampf voll eingesetzt. Präsident Bush von den Republikanern muss sich vermutlich einem dynamischen Gegner aus den Reihen der Demokraten stellen. John F. Kerry gilt nach den siegreichen Vorwahlen in verschiedenen Bundesstaaten als aussichtsreicher Gegenkandidat für den glück- wie teilweise auch planlos agierenden George W. Bush. Schön, könnte man sagen, Amerika wie die Welt brauchen ohnedies jemanden, mit politischem Feingefühl, der jene Dinge zu einem glücklicheren Ende bringt, die der momentane Präsident – unkonventionell formuliert – ziemlich verbockt hat.

Wären aber nicht die USA wenn nicht politische Gegner (aus den eigenen wie den generischen Reihen) wieder in die Trickkiste greifen würden, um Kerry  bei seinem  „Durchmarsch“ ins Weiße Haus ins Straucheln zu bringen. Ähnlich wie Arnold Schwarzenegger vor  seiner Wahl zum Gouverneur von Kalifornien werden Kerry nun Frauengeschichten angedichtet, konkret ein Verhältnis zu einer jungen Journalistin. Angeblich ist das außereheliche Verhältnis von Privatdetektiven dokumentiert worden, und das bis ins Bett. Ich hab mir den Kopf zerbrochen, was solche Aktionen bringen sollen und was sie in Wirklichkeit beweisen…

Ehebruch, ein Seitensprung ist eine sehr persönliche Angelegenheit. Im Grunde handelt es sich dabei um eine Sache zwischen drei Menschen, dem Paar und der Person (Mann und Frau), mit der fremdgegangen wurde. Tatsache, dass so was passiert, vielleicht öfter als man glaubt und nicht unschuldig an der hohen Scheidungsstatistik, die ich hier aber im Detail nicht wieder malträtieren möchte. Aber wie gesagt: eine sehr persönliche Sache. Und wie schon so oft frag ich mich wieder: was hat so eine außereheliche Affäre eigentlich im Wahlkampf zu suchen? Wenn wir ehrlich sind: überhaupt nichts.

In einem Wahlkampf – ich weiß, das klingt unglaublich blauäugig – sollte zwischen den Kontrahenten nur eines zur Debatte stehen. Nämlich die Fähigkeiten und Ambitionen der Aspiranten auf das politische Amt. Ich kann mich nur wundern wie in einem Land der unbegrenzten Möglichkeiten wie den USA (mit einer florierenden Pornoszene) eine im Grunde zutiefst menschliche Geschichte als Vorwurf zur Doppelmoral und damit als Mittel, um Wahlkämpfe zu entscheiden, benutzt wird. John F. Kennedy war ein notorischer Fremdgänger, nicht nur Marilyn Monroe, die er sich fallweise mit seinem Bruder teilte, fand ihn unwiderstehlich.

Andererseits steht aber auch fest, dass Kennedy in den knapp drei Jahren seiner Amtszeit eine Menge in Amerika verändert hat. Seine viel umjubelte Rede in Berlin („Ich bin ein Berliner“) vor zigtausenden Menschen ist unvergessen, hat ihm bis in die heutigen Tage eine hohe Popularität beschert. Trotzdem war auch seine Ehe mit Jacqueline unglücklich, seine Frau litt, wie später bekannt wurde, sehr unter den Affären. Niemand würde aber heute, wo Kennedys exzessive Libido längst kein Geheimnis mehr ist, behaupten, dass dieser kein großer Präsident der USA gewesen wäre. Unleugbar kann also ein notorischer Fremdgänger über großartige Fähigkeiten verfügen, ein wichtiges politisches Amt auszuüben, ja, sogar unverzichtbar dafür zu sein.

Warum müssen also Amerikas Präsidenten biedere Moralapostel sein? Das sollte doch kein Kriterium für Klasse, Weitblick oder Dynamik sein? Natürlich bin ich mir darüber im Klaren, dass ein ausschweifendes Sexleben für die Partnerin eine enorme Belastung darstellt. Welche Frau wird schon gerne betrogen? Aber bitte: im November wird in den USA nicht der „Ehemann des Jahres“ gewählt sondern der Präsident. Und ehrlich: wäre ich amerikanische Staatsbürgerin würde es mich nicht jucken, ob Kerry fremdgeht oder nicht. Ich würde mir einfach wünschen, dass der beste Mann das höchste Amt übernimmt – und Bush ist das sicher nicht.

Auch in Österreich herrschte vor ein paar Jahren helle Aufregung, als Thomas Klestils Affäre mit Margot Löffler von einem bunten Kleinformat aufgedeckt wurde. Für hiesige Verhältnisse wurde eine üble Schlammschlacht geschlagen, die dazu führte, dass die Klestils seither kein Wort mehr miteinander gesprochen haben. Der Volksmund erläuterte mir damals in Gestalt eines Busfahrers, dass eben ein Präsident nicht fremdgehen dürfte, und damit basta. Und warum? Er ist auch nur ein Mensch, ein Mensch kann irren und fehlgehen. Ein Präsident muss kein halber Mann sein, der seinen Penis ständig unter Verschluss zu halten hat und diesen bestenfalls im Ehebett mit der Gattin gebrauchen darf. Auch ein hoher Politiker führt noch ein Leben neben der Politik…

Zurück zu Kerry: Wer könnte nun ein Interesse haben dem bisher so erfolgreichen Demokraten alle Sympathien zu rauben? Die möglichen Gegner sind natürlich vorrangig Kreise um Bush selber, der trotz eines politischen Desasters nach dem anderen wieder gewählt werden möchte. Bei der Wahl der Mittel ist man nicht zimperlich, im Krieg und in der Liebe ist schließlich alles erlaubt, auch ein Griff unter die Gürtellinie. Trotzdem kann  diese Ehebruchsaffäre um John Kerry auch von Gegnern aus der eigenen Partei gesteuert worden sein. Hillary Clinton, geprüfte Gattin von Ex-Präsident Clinton, würde angeblich gern für die Demokraten um den Einzug ins Weiße Haus kämpfen.

Aber auch ein anderer Konkurrent, Howard Dean, lauert anscheinend auf seine Chance, doch noch für den Wahlkampf nominiert zu werden. Steht nur zu hoffen, dass sich – so diese Vermutungen zutreffen – die Demokraten mit solchen Intrigen nicht selber gegenseitig ausschalten und Bush als lachender Dritter doch noch weitere  vier Jahre wütet… Aber wer auch immer diese „Stinkbomben“ auf Kerry geworfen hat: im Grunde ist er der Mann mit der Doppelmoral. Wer nicht in der Lage ist, durch Kompetenz und Weitblick zu punkten, muss eben auf andere Weise eine Wahl zu seinem Gunsten beeinflussen. Und das wird – wie die Vergangenheit zeigt – noch immer honoriert. Verlogenes Amerika – du verdienst dir deine Präsidenten wirklich!

Vivienne

Sag uns deine Meinung im Bohnen Forum !

Link: Alle Beiträge von Vivienne

 

Schreibe einen Kommentar