von Vivienne – November 2004
Das Feindbild par exzellence…
Unglaublich! Meine Mutter konnte neulich beim Frühstück ihre Empörung kaum verbergen. Dieser Prinz Charles hat doch tatsächlich ein Kind mit der unmöglichen Camilla! Ich konnte sie fast schnauben hören, so schockiert war sie oder nicht weniger not amused als die Queen persönlich. Ich sagte nichts sondern dachte mir meinen eigenen Teil dazu. Das britische Königshaus ist mir im Grunde ziemlich egal, ganz abgesehen davon, dass mir Prinz Charly mit seinen Segelohren im Weiberhaushalt der Windsors immer schon echt leid getan hat. Mama Lizzy denkt nicht ans Abdanken, Queen Mom – erst kürzlich verstorben – schien nicht tot zu kriegen zu sein und im Nachhinein hat der arme Prinz of Wales auch gegen Diana den Kürzeren gezogen.
Irgendwie bewies seine verstorbene Frau ein tolles Talent in der Öffentlichkeit als die arme, bedauernswerte, betrogene Frau dazustehen. Obwohl sie selber auch fremdgegangen war, obwohl es Zweifel an der Vaterschaft ihres Mannes beim jüngsten Sohn Harry gibt. Englands Rose die Engländer brauchten eine Heilige, eine Märtyrerfigur und die hübsche Di, die vom Pummelchen zur vollendeten Schönheit mutiert war, erfüllte alle Voraussetzungen, ein Publikumsliebling zu werden. Kein Wunder, das britische Königshaus genießt seit Jahrzehnten Schlagseite in der Beliebtheitsskala aller Prominenten des Landes. Lediglich Queen Mom erfreute sich zeit ihres Lebens ungetrübter Popularität. Und das, obwohl sie wenn man die Geschichte einige Jahrzehnte zurückdreht und ins Visier nimmt alles andere als durch einen immer ehrbaren Charakter geglänzt hat.
Zurück zu Diana. Die Briten begriffen also nicht, dass die Opferrolle ihrer Prinzessin, die von der Kindergärtnerin aufstieg zur Gattin des Prince of Wales, nur die eine Seite der Medaille zeigte. Fraglos muss es schlimm für die junge Diana gewesen sein, sich bis zur Hochzeitsnacht mit Charles aufzuheben, weil es einem zukünftigen englischen König damals nicht zuzumuten war, dass seine Frau (sexuelle) Vergleiche mit anderen Männern anstellen könnte. Dafür hielt sie sich später schadlos, und dürfte durchaus kräftig aufgeholt haben, was die außerehelichen Erfahrungen betraf. Wenn gleich verständlich ist, dass die Existenz einer langjährigen, verheirateten Nebenbuhlerin, die noch dazu wie ein verzüchteter Windhund aussieht, auch auf jede andere junge Frau demütigend gewirkt hätte.
Ich bemühe mich halt nur, auch andere Facetten dieser Geschichte zu betrachten. Charles war nicht mehr ganz jung, als er sich gezwungenermaßen um Erben bemühen musste und wesentlich älter als Diana, die sicher in dieser Ehe früh etliche Illusionen verlor. Ehrlichkeit untereinander und ein Arrangement nach außen hin hätten jene Skandale und Streitereien verhindert, die später durch die Gazetten auf aller Welt gingen. Camilla die Schuld an dem Ganzen anzulasten ist jedenfalls nicht fair. Charles und sie waren schon sehr lange ein Paar, aber Camilla war nie gut genug gewesen, britische Königin zu werden. Deshalb lief das Verhältnis auch immer nebenbei, denn Camilla war ebenfalls verheiratet. Trotzdem gibt es für mich keinen Zweifel, dass Camilla immer die große Liebe von Charles gewesen ist.
Am Scheitern von Dis Träumen und ihrer Ehe mit dem Langzeitthronfolger sind viele Faktoren beteiligt, letztlich besonders auch die Tatsache, dass man in den 70er Jahren noch beinharte Kriterien an eine mögliche Frau des Kronprinzen stellte. Und Camilla deshalb durch den Rost fiel Unglückliche Märchen gibt es nicht nur im Kino. Selbst jetzt, wo Camilla geschieden und Charles verwitwet ist, wird den beiden kein Frieden und kein ruhiges Glück miteinander vergönnt sein. Nicht nur, weil sich die Regenbogenpresse nicht entblödet nach wie vor zu fordern, dass Camilla niemals Königin werden dürfe. Ich persönlich bin überzeugt, dass Camilla absolut nichts an der Krone liegt. Sie ist eine sehr selbstbewusste und kluge Frau, die weniger mit Schönheit als mit Intellekt, Persönlichkeit und Esprit fesselt und deshalb auch viel besser zu Charles gepasst hat als die junge Pop-Prinzessin Diana, die auf du und du mit den Popstars stand (etwa DuranDuran oder Elton John).
Aber das ist wohl die Tragik von Camilla. Millionen Frauen auf dieser Welt dient sie als Feindbild par exzellence. Frauen, die selber betrogen wurden oder auch nur mangels Highlights im eigenen Leben mit der jungen, schönen Diana sympathisieren. Sie alle hassen Camilla. Aber der Punkt ist: Diana war nie die strahlende Heilige, als die sie nach ihrem tragischen Unfalltod sukzessive aufgebaut wurde. Und nicht Camilla hat Diana den geliebten Mann weggenommen, Charles hat immer schon Camilla geliebt und heiratete Diana – wie sagte man früher? aus Staatsräson. Wenn ich ehrlich bin, ich sehe da kein Sittenbild aus Schwarz- und Weißtönen mit eindeutig verteilten Rollen, ich sehe da eigentlich nur Opfer. Opfer einer verfehlten Moral und der Ansprüche eines Königshauses, das den Sprung in eine moderne, aufgeschlossene Gesellschaft noch immer nicht vollzogen hat
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