von Vivienne – Juni 2004
Der Niedergang der Jugend!?!
Vor ein paar Tagen fand eine österreichische Tageszeitung ziemlich offene Worte über so manches Fehlverhalten der jüngeren Generation dieser Tage. Rauchen, Saufen, früher ungeschützter Sex, rüpelhaftes Benehmen und teilweise unmögliche Kleidung standen auf der Liste, die des Langen und Breiten diskutiert wurde. Nicht ganz unverständlich, wenn man sich des Öfteren selber mit Jugendlichen konfrontiert sieht, die sich all das trauen, was einem selber nie in dem Alter in den Sinn gekommen wäre.
Erst letzte Woche hatte ich selber wieder eine Begegnung der anderen Art. Als ich in der Früh mit einer Unmenge von anderen Bahnkunden gleichzeitig in eine Straßenbahn einsteigen wollte, schummelte sich ein etwa 10jähriger Bub knapp an meinen Beinen vorbei und setzte sich auf den einzigen noch freien Sitzplatz. Gewonnen! Wäre ich nicht, rücksichtsvoll erzogen, stehen geblieben, wäre es durchaus möglich gewesen, dass ich den Buben niedertreten hätte können. Ich bin schließlich nicht die Leichteste.
Mir ging es sicher nicht um den Sitzplatz, da ich ohnedies nur zwei Stationen fahre, aber die rücksichtslose Art und Weise, wie er mich sozusagen in Schumacher-Manier ausgebremst hatte, veranlasste mich, ein paar Worte zu dem Buben zu sagen. Nicht schreiend, sondern bestimmt. Der 10jährige saß breitbeinig da, wie ein Großer, sah mich an und keppelte zurück. Kaum zu glauben! Ich brauche wohl nicht darauf hinzuweisen, dass ich ärgere Konsequenzen zu erwarten gehabt hätte, wäre ich mit 14 (!) auf die Idee gekommen, einem Erwachsenen so über den Mund zu fahren.
Was jetzt nicht heißt, dass ein Kind oder ein Jugendlicher jedes Mal vor Erwachsenen kuschen soll. Weit gefehlt, aber ein wenig Respekt allgemein wäre nicht unangebracht gewesen, denke ich. In der Folge hab ich mir den jungen Mann genau angesehen. Gut angezogen war er, um nicht zu sagen teuer, aber seine Eltern haben es bei allem Wohlstand nicht fertig gebracht, ihrem Filius Manieren beizubringen. Oder ist das, was ich mir so überlege, einfach weltfremd? Meine Nichten und Neffen haben jedenfalls gelernt sich zu benehmen, und ich denke, was die Tageszeitung da so pauschal ankreidete ist wohl ein Problem, dass nur auf einen gewissen Teil der junge Leute heutzutage zutrifft.
Nämlich auf die, wo sich Eltern oder Erziehungsberechtigte nicht wirklich darum kümmern, was ihr Nachwuchs so treibt und ob er jene Werte vermittelt bekommt, die auch in der modernen Gesellschaft im Grunde noch immer Gültigkeit haben. Und außerdem ganz hilfreich sind, wenn man bei eklatantem Lehrstellenmangel einen guten Ausbildungsplatz ergattern möchte. Werte, die unter anderem auch den verhängnisvollen Hang zu unmäßigen Sauforgien am Wochenende hemmen sollten. Aber das Tragische ist: es ist so vielen Eltern anscheinend tatsächlich so egal, was und wie viel ihre Kinder am Wochenende Saufen, Rauchen, Kiffen, etc., dass man sich ernsthaft fragt, warum sie Kinder überhaupt in die Welt gesetzt haben.
Oder ob sie einfach nur passiert sind Mädchen saufen zum Beispiel laut verschiedener Statistiken besonders häufig, um den Burschen zu imponieren! Man kann sich nur aufs Hin greifen. Kann man als junges Mädchen nur mehr im Dauerrausch den jungen Mann des Herzens von sich überzeugen??? Wäre wohl traurig, wenn es wirklich so wäre, aber nicht zu wenige Mädels tun sich das tatsächlich aus diesem und keinem andern Grund an. Man fragt sich nur, wo die Eltern in so einem Fall ihre Erziehung walten haben lassen, wenn halbe Kinder allwöchentlich hemmungslos betrunken das Wochenende genießen, oder besser gesagt vermeintlich.
In Familien, in denen sich Derartiges abspielt, läuft fraglos einiges falsch, unabhängig von Reichtum oder Armut. Auch der regelmäßige Griff zum Glimmstängel wird sicher dort vorgelebt, ebenso wie der sorglose Umgang mit der Gesundheit und die Einstellung zum Leben an sich. Goethes Bonmot Jugend ist Trunkenheit ohne Wein wird angesichts solcher realer Gegebenheiten völlig ad absurdum geführt. Dabei ist im Grunde nichts Schlechtes daran, dass man als Teenager ein wenig rebelliert, seine Grenzen auslotet und über die Stränge schlägt.
Wer von uns hat nicht so zwischen Vierzehn und Zwanzig zumindest einmal was angestellt, über das er heute nur mehr den Kopf schütteln kann? Es ist ganz normal, wenn ein Jugendlicher beginnt, sich von seinen Eltern abzugrenzen, die Vorschriften der Eltern in Frage stellt und das andere Geschlecht entdeckt, in einer Form und in einem Alter, in dem das halt vor zwanzig oder Fünfundzwanzig Jahren noch nicht so gängig war. Aber das enthebt Eltern nicht von ihrer Verantwortung nach dem Motto Du bist alt genug, du musst eh selber wissen, was du tust Und der jugendliche Sohn kriecht um 4:00 Uhr stockbesoffen ins Bett und kotzt sich an, jedes Wochenende wieder
Die Pubertät ist eine schlimme Zeit, eine Phase in der die Seele erwachsen wird, genau wie der Körper und es ist schwierig, damit klar zu kommen. Für mich selber war sie eine Katastrophe, und im Rückblick bin ich froh, dass ich sie überstanden habe irgendwie. Gerade aus dem Grund weiß ich aber auch, wie wichtig es ist, dass man in einer solchen Krise einen gewissen Rückhalt hat, auch wenn er in meinem Fall nicht besonders groß war. Aber er hat ausgereicht, die Übergangsphase hinter mich zu bringen so wie sich eine Raupe schließlich zum Schmetterling entwickelt.
Wenn man also über die Jugendlichen schreibt, die solche Extreme ausleben, sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es vor allem deren Eltern sind, die dieses Fehlverhalten erst möglich machen bzw. indirekt fördern. Weil ihnen eben der Nachwuchs zu wenig wichtig ist, weil sie kein Vertrauensverhältnis zu ihm hergestellt haben und weil sie wahrscheinlich selber große Probleme haben und selber nicht mit ihrem Leben klarkommen. Eine verhängnisvolle Spirale, die sich von Generation zu Generation weiterdreht .
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