Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  April 2004



Der Ruin der Bauern

Heute konnte es jeder in sämtlichen Print- und Online-Medien nachlesen: wer Zeit genug hatte beim Frühstück oder sich diese nahm, wurde informiert, dass der Milchpreis sich weiter im steilen Sinkflug befindet. Die Österreicher sind Schnäppchenjäger, heißt es da einerseits, andererseits wird auch darauf hingewiesen, dass es den Deutschen diesbezüglich noch schlechter geht: dort liegt die Grenze für die Bauern bei etwas mehr als 27 cent! Man stelle sich vor. Wie soll, wie kann ein Landwirt mit seiner Familie von solchen „Wertschätzungen“ leben?

Gar nicht, würde ich sagen. Zum Leben wie zum Sterben zu wenig. Kein Wunder, dass die meisten Bauern vermehrt auf Nebenerwerb aus drängen. Der Bauer selber geht arbeiten, die Frau darf den Hof bewirtschaften. Geld in der Privatwirtschaft verdienen damit sich der Hof rentiert – eine Rechnung, die irgendwann einmal nicht mehr aufgehen wird. Sich dafür abrackern, damit man immer genügsamer und anspruchsloser werden muss, damit es doch irgendwie geht, wird auf Dauer immer mehr Landwirten zu dumm.

Von der Seite, dass sich zunehmend Frauen weigern, auf einen Hof zu heiraten, weil es im Leben auch etwas anders gibt als nur Arbeit, habe ich die Situation schon vor einiger Zeit etwas satirisch beleuchtet („Kuhschellen-Blues“). Tatsache jedenfalls ist, dass auch der hoffnungsvolle Nachwuchs des Bauerntums lieber einer geregelten Arbeit nachgeht als 365 Tage im Jahr Dienst rund um die Uhr zu machen ohne dass der erhoffte Erfolg eintritt. Helfer kann sich ein Landwirt keine mehr bezahlen, weil unerschwinglich, man bewirtschaftet das Anwesen mit der Familie, sprich das Bauernehepaar, die Altbauern bis hin zu den Kindern.

Ist nun die Situation zum momentanen Zeitpunkt mehr als kritisch, gehen Fachleute davon aus, dass – bedingt durch die Osterweiterung – der Milchpreis in Zukunft noch mehr fallen wird. Im ehemaligen Ostblock wird teilweise noch billiger produziert als in den großen, kolchoseartig aufgebauten Landwirtschaftszentren etwa in den Niederlanden oder Deutschland. Wie soll ein Landwirt diese Tendenz auf Dauer noch durchstehen? Vor allem, wenn er nie etwas anderes gelernt hat als seine Landwirtschaft? Harte, unbefriedigende Arbeit für nichts, anders kann man es nicht sehen.

Ausgenommen dabei jene kreativen Köpfe, die eine Nische in ihrem Bereich entdeckt haben und diese mit Einsatz und Engagement konsequent verfolgen. Damit kann man durchaus noch Geld machen, da ist noch einiges drin, aber noch zu wenige trauen sich darüber und nicht jede Idee muss zünden, so oder so. Ohne wachsames Beobachten des Marktes, schneller Reaktion auf Trends und exzellenter Qualität der Erzeugnisse, die ankommt, ist auch diesen wenigen Mutigen kein Erfolg beschieden.

Die Landwirtschaft ist in Österreich nicht nur wichtig oder unverzichtbar, weil die Produkte unserer heimischen Landwirte allein jene Qualität bieten, die ich zum Beispiel mir auch nur von einer heimischen Produktion erwarten darf. Wer weiß schon, was in Deutschland oder anderen Ländern den Kühen oder den Hühnern verfüttert wird! Aber auch durch die Pflege und Hege der landwirtschaftlichen Nutzflächen erfüllen die Bauern eine wichtige Funktion. Die Aufgabe von immer mehr Bauernhöfen geht auch einher mit einem Niedergang der Natur, mit einer Verwilderung, die in dem Ausmaß nicht wünschenswert sein kann.

Summa summarum: für die Bauern (wie überhaupt auch die Fleisch oder Getreide verarbeitenden Betriebe) war der EU-Beitritt ein völliger Flop. Vor allem Kleinhöfe werden in den nächsten Jahren immer mehr zusperren und die Milchprodukte und das Fleisch der großen Betriebe aus der EU werden den Markt beherrschen und die heimischen Produzenten noch mehr verdrängen oder ins Hintertreffen führen. Allen voran natürlich die billigen neuen Konkurrenten aus dem Osten. Auf die Gefahr hin, als ausländerfeindlich kritisiert zu werden: Durfte man angesichts dieser sicher nicht unvorhersehbaren Entwicklungen der Osterweiterung überhaupt zustimmen? Andererseits sind die Weichen ehrlich gesagt schon seit dem EU-Beitritt in diese Richtung gestellt und die EU-Beitritt der ehemaligen Ostblockländer wird diese Entwicklung nur beschleunigen. 

Ein einstmals angesehener Stand geht einer ungewissen Zukunft entgegen. Auch wenn es derzeit noch kaum vorstellbar scheint: der Bauer wird langsam aber sicher verschwinden, zumindest in seiner jetzigen Form und der Beitritt zur EU war nur der erste Sargnagel. Eine Kultur wird aussterben, in der auch ich – bei allem Hi-Tech – meine Wurzeln finde. Immerhin waren die Großeltern Bauern bzw. Magd und Knecht. Mit dem Ruin der Bauern geht auch all das zugrunde.

Vivienne

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