von Vivienne – Jänner 2004
Der Fortschritt wartet nicht
Seit dem Ende des 2. Weltkriegs hat sich eine Menge getan, was die Weiterentwicklung verschiedenster Technologien in unserer Gesellschaft betrifft. Nicht nur, dass die selbst ernannten Supermächte in diesen Jahrzehnten Waffen entwickelt haben, die die ganze Menschheit ausrotten würden und diese in Mengen horten, dass man dies auf dutzenden Planeten in Erdgröße zusätzlich auch anrichten könnte. Es ist fast unglaublich wie in relativ kurzem Zeitraum Autos, Flugzeuge, Roboter, etc. weiter verbessert wurden um sie auf den Standard zu bringen, auf dem sie heute sind. Aber Stagnation gibt es in keinem Bereich, ganz im Gegenteil….
Vor allem die Unterhaltungselektronik und die verschiedenen Medien zur Kommunikation haben eine Welt um uns nicht nur beeinflusst sondern neu geschaffen, die ältere Semester fast verzweifeln lässt. Beispiel Computer und Internet: ich werde nie die Gesichter vergessen, die meine Eltern aufsetzten, als ich ihnen ich war gerade zum ersten Mal daheim online Weltraum-Bilder von den Seiten der NASA zeigte. Für eine Generation, die im Kindesalter noch die Zwischenkriegsjahre und die Aufbaujahre nach 1945 mitgemacht hat, ist das kaum fassbar.
Ja, auch an der Generation der Kids, der Jugendlichen gingen diese Veränderungen nicht spurlos vorbei. Jeder hat heute schon ein Handy, auch wenn es nur ein Wertkartenhandy ist, und ohne PC kann ein Schüler heutzutage nicht mehr mithalten im Lernprozess. Referate gestalten oder diverse schriftliche Arbeiten verfassen, ist ohne Computer und Internet in einem normalen Unterricht gar nicht mehr möglich. Jene Form der Matura, wie ich sie vor bald 20 Jahren bestanden habe, ist längst nicht mehr denkbar im solcherart veränderten Schulsystem.
Damals war EDV ein simpler Freigegenstand, unsere Mathematikprofessoren waren dafür zuständig, und uns wurden primitive Programme vorgeführt, wie man etwa mit verschiedenen Geschwindigkeiten die Landung einer Rakete auf einem fiktiven Planeten beeinflussen kann. Nicht einmal BASIC-Programmieren war damals ein Thema, das durften erst meine jüngeren Schwestern lernen. Kein Mensch hätte sich damals gedacht, dass diese Technologien sich so rasant weiter entwickeln und unser Leben nachhaltig beeinflussen würden.
Auch in Österreich leben immer mehr Menschen online, nicht nur in der Arbeit sondern auch daheim in ihren vier Wänden. Die Leute verlassen teilweise gar nicht mehr so gern das Haus, sie treffen sich virtuell in Chatrooms, schäkern, flirten und diskutieren dort, spinnen natürlich auch wie im richtigen Leben ihre Intrigen und gelogen wird auch was das Zeug hält: es macht Spaß, sich hinter einer falschen Identität zu verstecken und mal die Sau raus zu lassen oder einfach virtuell das Leben zu leben, das einem real verwehrt bleibt.
Natürlich lügt nicht jeder im Chat oder ICQ oder sonst einem Messenger, wo sich die Möglichkeit ergeben hat, jemand Netten kennen zu lernen. Blind Dates sind ganz groß in, und das eine oder andere Mal sollen sich schon ernsthafte Beziehungen oder gar Ehen auf diese Weise ergeben haben. Leider gibt es aber hier auch krankhafte Auswüchse, aktuell in allen Medien nachzulesen: Kinderpornos und ihre Verbreitung florieren. Kranke Persönlichkeiten rufen erfolgreich Gleichgesinnte zum gemeinsamen Selbstmord auf. Psychisch Gestörte suchen allen Ernstes Menschen zum Aufessen und man fasst es nicht: sie finden sie auch…
Trotz dieser üblen Nebenwirkungen sollte man die Möglichkeiten durch EDV und Internet nicht grundsätzlich von vornherein verdammen. Mir gibt das Web die Möglichkeit mit einer Freundin aus Amerika, die ich vor ewigen Zeiten in Salzburg kennen gelernt habe, in Kontakt zu bleiben. Wie überhaupt das Internet denen tolle Chancen bietet, die aufgeschlossen und kommunikativ sind und sich gerne mit Leuten in anderen Ländern rund um den Erdball unterhalten wollen. Und das nicht nur über Chatrooms, ICQ oder einen Messenger. Man kann auch schon zu ganz normalen Onlinegebühren mit Hilfe von Zusatztools miteinander telefonieren.
Was ich tatsächlich auch mit einem guten Freund, den ich nicht so oft sehen kann, seit Weihnachten praktiziere. Wer es mal ausprobieren möchte: man braucht nur den Yahoo-Messenger dazu und ein Headset. Durch die Webcam dieses Freundes kann ich ihn während unserer Telefonate auch beobachten: Telefonieren mit Bild sozusagen… Einfach faszinierend, und für mich selber bis vor ein paar Wochen nicht vorstellbar. Ganz abgesehen von den Telefonkosten, die wir uns dadurch sparen…
Ja, ich muss gestehen, diese Möglichkeiten haben auch mein Leben entscheidend verändert. Es ist schön, sich mit Menschen zu unterhalten oder mit ihnen zu kommunizieren, die man normalerweise einfach nicht so oft treffen kann: mangels verschiedener Wohnorte, durch verschiedene Arbeitsorte und die fehlende Zeit, regelmäßig woanders hinzufahren und sich zu sehen. Trotzdem, muss ich zugeben, schreibe ich immer wieder gern Briefe oder etwa Ansichtskarten von Urlaubsorten, etc. Es ist für mich immer noch ein Signal besonderer Wertschätzung, wenn jemand von mir ein persönliches Schreiben oder eine Karte mit einem schönen Sinnspruch erhält.
Im Grunde geht für mich trotzdem nichts über persönliche Treffen, über persönliche Gespräche mit lieben Menschen. Vielleicht nicht so oft wie man möchte, dafür sind das aber dann umso kostbarere Stunden, die man miteinander verbringt. Ich könnte es mir nie vorstellen, die ganze Freizeit nur in Chatrooms oder Ähnlichem zu verbringen ohne reell Menschen zu sehen. Dabei gibt es nicht zu wenige, die ihr ganzes Privatleben online verbringen und süchtig nach dem Web und solchen Einrichtungen sind. Diese bedauernswerten Leute merken gar nicht, dass sie vollkommen vereinsamen und in einer Welt leben, die nicht wirklich real existiert.
Normal mit einem Menschen vis-à-vis zureden ist für diese Seelenkrüppel fast nicht mehr möglich. Sie haben es verlernt, normale zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen. Aus solchen Überlegungen heraus lehne ich persönlich auch jene Möglichkeit ab, die hin und wieder noch immer ins Gespräch kommt, nämlich von daheim aus den eigenen Job zu machen: meine Anfahrt zur Arbeit ist lang und oft lästig, aber es geht nichts über das Tratscherl mit diversen Bekannten, die man auf dem Weg zum Bahnhof und im Zug immer wieder trifft.
Es leben die persönlichen Kontakte!
meint
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