Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  April 2004



Hotline – nein danke!

Mithin ein Symbol unserer modernen, technisierten Gesellschaft sind die so genannten „Hotlines“, nichts anderes als Call Center, in denen der Kunde, Interessent oder Käufer via Telefon informiert wird, Anfragen stellen kann oder im besten Fall „wird ihm auch geholfen“. Ich sage ganz gezielt im besten Fall – ich habe selber schon, geleast von meinem eigenen früheren Dienstgeber, einige Monate in einer Hotline gearbeitet und kann rückblickend nur sagen, dass vor allem am Anfang mein Wissensstandard erschreckend war. Hin und wieder hab ich mich sogar gefragt, ob ich nicht fehl am Platz wäre, auch wenn ich nach und nach in den Job hineinwuchs.

Trotzdem bin ich mir schon bewusst, dass ich gerade in den ersten Wochen mit der neuen Arbeit überfordert war. Und deshalb hab ich mir in der Zeit auch einige Fragen gestellt. Erstens, warum ich nicht intensiver und besser eingeschult wurde, bevor man mich einsetzte. Und zweitens, ob ich als Kunde nicht ziemlich sauer reagiert hätte, wenn ich mich selber in der ersten Zeit einmal bei einem Problemfall beraten hätte müssen. Der Job hat mich sensibilisiert. Von einer Hotline erwarte ich mir nicht mehr all zu viel. Bei EDV-Problemen im speziellen greife ich lieber auf meine „privaten Hotlines“ zurück: meinen Schwager, seines Zeichens Informatiker, und zwei Freunde, die von der Materie weit mehr Ahnung haben als ich.

Die Erfahrung lehrte mich, dass speziell in Internet-Hotlines vor allem Studenten sitzen, die sich geringfügig beschäftigt oder als freie Mitarbeiter ein Zubrot zum Studium verdienen. Nichts spricht an sich dagegen, es ist mit Sicherheit nicht ehrenrührig, einen derartigen Job auszuüben. Ehrenrührig ist eher das Gebaren der Unternehmen, die teilweise schlecht geschultes (und dementsprechend schlecht bezahltes und wenig motiviertes) Personal einsetzen und diese Mitarbeiter anhalten, mit diversen Standard-Aktionen, die ungeduldigen Kunden bei EDV-Problemen, von deren Behebung diese Mitarbeiter normalerweise keine Ahnung haben, hinzuhalten.

Beispiel gefällig? Um Ostern herum hatte ich ein paar Probleme mit meinem Provider, dessen Breitband-Internet ich erst seit Kurzem nutze. Meine Mails kamen teilweise mit Stunden Verspätung bei den Empfängern an. Beim dritten Problemfall innerhalb einer Woche war ich relativ erbost, als ich die (kostenlose) Hotline wählte. Der Mitarbeiter, der sich meldete, wusste noch nichts von einem Problem und wollte – wie in solchen Fällen üblich – mit mir zuerst einmal die Email-Einstellungen überprüfen – eine beliebte Standard-Aktion. Einigermaßen gewitzigt entgegnete ich ihm, dass das nicht nötig sei: die Einstellungen hatten gestern gestimmt und vorgestern auch und noch am Nachmittag des nämlichen Tages. Es sei völlig unmöglich und lächerlich, dass sie an diesem Abend auf einmal verändert sein sollten – praktisch von selbst.

Eine völlig logische Betrachtung der Sachlage, weil in – das trau ich mich zu sagen – 98% der Fälle wirklich alles passt bei den Einstellungen. Solche völlig sinnlosen „Riten“ – möchte ich schon fast sagen – tragen nicht dazu bei, das Vertrauen eines Kunden in den Anbieter zu stärken. Ganz im Gegenteil. Wer sich ein wenig auskennt, so wie ich, fühlt sich zunehmend verschaukelt und mit seinen Anliegen nicht ernst genommen. Und jenen, die mit der EDV nicht so vertraut sind, wird oberflächlich ein Kundenservice vorgegaukelt, das einer näheren Betrachtung nicht standhält.

Der Mitarbeiter, mit dem ich an jenem Abend zu tun hatte, reagierte auf meine selbstbewusste Antwort übrigens ziemlich patzig. Er meinte, dann könne er mir nicht helfen, was ich ihm übrigens auf’s Wort glaubte. Aber nicht, weil ich diese sinnlose Überprüfung der Einstellungen nicht zuließ sondern weil ich sicher bin, dass er ein mögliches ernsthaftes Problem bei meiner EDV bestimmt nicht erkannt hätte bzw. beheben hätte können. Hotlines sind fast ausschließlich mit Leuten bestückt, daran besteht kein Zweifel, die im Normalfall wenig bis überhaupt keine Ahnung von der Materie haben und dabei oft solch haarsträubenden Unsinn von sich geben, dass man ohne diese „Hilfe“ meistens besser dran ist.

Wobei ich diesen jungen Leuten, wie schon oben erläutert, keine Schuld an diesen im Grunde unhaltbaren Zuständen anlaste. Ich selber hab mir das Chaos oft genug mitgemacht: mangelnde Informationen über aktuelle Ausfälle oder Probleme, oberflächliche Einschulung, fehlende technische Kenntnisse. Die „kalte“ Unternehmenspolitik, die hinter dem Ganzen steckt – die stört mich wirklich. Kundenservice wird ganz klein geschrieben, das muss einmal offen gesagt werden, die Hotlines sollen einen Aufwand und ein Interesse nach außen hin repräsentieren, die de facto nicht praktiziert werden. Hinhaltetechnik – das beherrschen die Hotlines als einziges perfekt. Und wer soll den Mitarbeitern verübeln, dass sie genau das machen, was ihnen gesagt wird?

Sie sind ohnedies diejenigen, die in der Konfrontation mit den verärgerten Kunden den Kopf hinhalten müssen und jenes Fett abbekommen, das den Personen an führender Stelle weit eher gebühren würde. Diese entwerfen nämlich jene Strukturen, in denen effiziente Kundenbetreuung keinen Platz mehr hat. Leider. Zeit ist Geld, geschultes Personal kostet noch mehr, und warum gleich Nägel mit Köpfen machen, wenn es so auch irgendwie läuft? Machen Sie es wie ich, liebe Leser, halten Sie sich all Ihre Freunde, die über gute technische Kenntnissen verfügen, warm und vergeuden Sie keine Zeit mehr mit irgendwelchen EDV-Hotlines, speziell dann, wenn sie auch noch gebührenpflichtig sind! Ihre Nerven werden es Ihnen danken!

Vivienne

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