von Vivienne – Jänner 2004
Auf Kanzlers Rappen
Frauen, so heißt es, kaufen immer Schuhe, frei nach dem Motto Man kann nie genug Schuhe haben! und Imelda Marcos, Gattin des mittlerweile verstorbenen Ex-Diktators soll etliche tausend Paare gehortet haben. Ob diese Vorurteile gegenüber dem weiblichen Geschlecht und seiner Vorliebe für Fußbekleidung nun stimmen oder nicht, ob sie einen wahren Kern haben oder doch aufgebauscht werden, vermag ich nicht zu beurteilen: ich widerlege mit meinen vielleicht 10 Paar für Sommer und Winter zusammen (falls überhaupt) jede Statistik und gebe normalerweise auch kaum mehr als 50 Euro für ein Paar aus. Funktionell muss ein Schuh sein und er soll eine Weile was aushalten, und wenn irgendwas kaputt geht, schmeiß ich ihn weg…
Falls Sie jetzt schockiert sind über dieses Wegwerf-Mentalität, muss ich Ihnen Recht geben, es geht auch anders. Unser aller Bundes-Schussel Dr. Wolfgang Schüssel hat dieser Tage vorexerziert, was ein echter Schuh zu sein hat. Der Kanzler ließ sich beim Schuhkauf über die Schulter blicken und man erfuhr was der oberste Diener des Staates Österreich und seiner Staatsbürger für ein Paar seiner Rappen ausgibt: 610 Euro, da schau her! Das ist etwa das 11 – 12fache, was ich bereit bin, für ein paar Winterschuhe hinzulegen. Wie heißt es? Den Seinen gibts der Herr im Schlaf! Und auf wen trifft diese Weisheit wohl besser zu als auf unseren Bundeskanzler, oder?
Vielleicht scheint Ihnen der Preis für dieses einzigartige Paar Schuhkultur durchaus nicht überhöht, und wenn jemand an der Spitze des Staates steht, muss er zweifelsfrei repräsentieren: natürlich im Maßanzug, und da darf das Schuhwerkzeug natürlich nicht nachhinken, wo kämen wir da hin, wenn Schüssel bei Deichmann einkaufen müsste? Trotz der bestechenden Logik, die in all dem liegt, wage ich doch leise Einspruch zu erheben. 610 Euro, das ist eine Menge Geld. Für eine Alleinerzieherin, die ein oder mehr Kinder zu versorgen hat, kann ein Fixum in derartiger Höhe, wohlgemerkt im Monat (!), schon eine Riesenlast an Sorgen von den Schultern nehmen.
Auch so mancher Arbeitslose würde sich über diesen monatlichen Betrag herzlich freuen, dass es auch deutlich weniger gibt, wenn es blöd hergeht, konnte ich vor ein paar Jahren selber am eigenen Leib verspüren. Rentner, das heißt wohl, vor allem Pensionistinnen können in dasselbe Horn stoßen, vor allem nach der wirklich sensationellen Pensionsanhebung, die getrost wohl nur als gezielte Provokation und Verhöhnung angesehen werden darf. Kanzler Schüssel steht da zweifelsfrei drüber und geht cool und unberührt seinen Weg auf sehr teuren Schuhen.
Möglicherweise, werden Sie jetzt einwerfen, dass ich da kritisiere, was ich selber nicht anders halten würde, könnte ich es mir leisten. Aber auch da müsste ich widersprechen. Mir ist schon klar, dass man als Mitglied der Regierung üblicherweise nicht bei C & A oder H & M einkauft und auch sein Schuhwerk nicht im Diskont auswählt. Trotzdem gehört meiner Meinung nach schon sehr viel Präpotenz dazu, sich beim Schuhkauf in einem Luxusgeschäft über die Schulter blicken zu lassen und ein exklusives Paar zu erwerben, nachdem man der Bevölkerung ein Sparpaket nach dem anderen verordnet und sich auch in den Köpfen der größten Optimisten herumgesprochen hat, dass man den Gürtel dauerhaft enger schnallen muss.
Was stellen Sie sich vor, was denkt sich wohl eine Mindestrentnerin, die mit vielleicht 500 Euro im Monat auskommen muss, wenn ihr der Kanzler mediengeil und völlig unbedacht klar macht, dass er nicht sparen muss? Ich bin sicher nicht so blauäugig, dass ich vermute, dass die anderen Minister und die Vertreter der Opposition weniger nobel gewandet oder beschuht durchs Leben gehen. Aber all den finanziell Eingeschränkten über die Medien eine Watschen zu geben, indem man fast wie ein Schulbub angibt, was man sich nicht für feine Rappen leisten kann ist das jetzt Dummheit, Provokation oder einfach völlige Abgehobenheit und Fehleinschätzung der reellen Gegebenheiten?
Mir fällt in dem Zusammenhang eine Geschichte ein, die über Marie Antoinette, Gattin von Frankreichs unglücklichem König Ludwig XVI erzählt wird. Als die Massen schon auf den Straßen tobten, fragte die Königin, was denn los sei. Sie haben kein Brot zu essen! wurde ihr geantwortet. Marie Antoinette erwiderte daraufhin in völliger Verkennung der Situation: Die Leute haben kein Brot? Dann sollen sie doch Kuchen essen! Mit des Kanzlers Weitsicht scheint es eben so bestellt zu sein und ich denke, die meisten von Ihnen, liebe Leser, wissen, wie es Marie Antoinette in weiterer Folge in der Französischen Revolution gegangen ist. Ich sehe schwarz, für Sie, Herr Bundeskanzler!
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