von Vivienne – November 2004
Kein Klonverbot
Ganz versteckt konnte man heute in einem Kleinformat nachlesen, dass die UNO eine Resolution der USA und 60 anderer, überwiegend katholisch orientierter Staaten für ein Verbot des Klonens menschlicher Zellen abgelehnt habe. Die UNO werde aber die Forschung auch nicht erleichtern, wird sinngemäß festgehalten. Man muss wohl die paar Zeilen mehrmals durchlesen um zu verstehen, was eigentlich gemeint ist. Auf den Punkt gebracht, will sich die UNO nicht festlegen, weil sie niemanden wirklich vergrämen will, weil sie vielleicht nicht abwägen kann, ob die Vorteile der Stammzellenforschung überwiegen oder die Nachteile. Vielleicht auch, weil manche Staaten, die an der Weiterentwicklung des Klonens interessiert sind, Druck ausgeübt haben
Dieser Bescheid ist für Außenstehende schwer zu beurteilen. Kann man als Laie überhaupt realistisch einschätzen, was da in Zukunft auf uns zukommt? Ich befürchte ja in dem Sinn nicht unbedingt Klone von Hitler oder Stalin, die erneut die Weltherrschaft anstreben könnten. Hitler wurde ganz speziell auch durch seine Zeit und persönliche Erfahrungen geprägt und in einem anderen Umfeld würde er womöglich viel lieber erfolgreich die Karriere als Kunstmaler in Angriff nehmen, die ihm im Wien der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts verwehrt blieb. Aber der Gedanke, dass sich ein finanzstarker Mann Klone bereithält, die ihm als Ersatzteillager bei etwaigen schweren organischen Erkrankungen zur Heilung dienen, gefällt mir nicht. Was ist mit den Menschen, die da in Laborbedingungen dahin vegetieren würden und ihrer Würde?
Menschliche Würde und (medizinische) Forschung das verträgt sich oft nicht wirklich. Ich erinnere mich an einen Fall vor Jahren, in dem ein Ehepaar beschloss zur Rettung des an Leukämie erkrankten Kindes ein Geschwisterchen in die Welt zu setzen, mit dessen Knochenmark das Ältere gerettet werden sollte. Zuerst wurde in der Medienwelt sogar kolportiert, dass dieses Baby dabei sogar sterben müsste. Der Eingriff soll dem Vernehmen nach wirklich gelungen sein, das ältere Kind wie das kleine, zur Rettung gezeugte Mädchen sollen überlebt haben wie weit man halt solch schönfärberischen Meldungen Glauben schenken darf. Fragwürdig bleibt trotzdem die Vorgangsweise von Eltern wie Ärzten: immerhin hätten beide Kinder sterben können, und wäre es gerechtfertigt gewesen ein kleines Kind de facto in den sicheren Tod zu gebären, um dem anderen zu helfen?
Und wie gesagt: so fiktiv ist der Fall nicht. Ein anderes erschütterndes Beispiel zu den schaurigen Aspekten, die die Möglichkeiten des Klonens eröffnen würden, konnte man auch vor einiger Zeit in einem Magazin nachlesen. Eine Frau lässt ihr Kind abtreiben. Diesem ungeborenen Fetus werden die Anlagen zu den Eierstöcken entfernt und unter Laborbedingungen lässt man die Ovarien heranreifen. Jahre später entnimmt man eine herangereifte Eizelle und implantiert sie befruchtet einer Frau, die auf normale Weise kein Kind bekommen kann. Sie trägt es aus und bekommt ein gesundes Baby. Auf biologische Weise wird eine Frau Großmutter, die vielleicht nie ein Kind zur Welt gebracht hat. Und es gibt eine biologische Mutter für ein Kind, die nie auf normale Weise gelebt hat oder genau genommen nur durch ihre Eierstöcke
Frankensteinvisionen – obwohl ich mir dessen bewusst bin, dass das Klonen und die Stammzellenforschung an sich unglaubliche medizinische Entwicklungen ermöglichen können: etwa bei Krankheiten wie Krebs oder Multiple Sklerose. Der erst kürzlich verstorbene Schauspieler Christopher Reeves, nach einem Reitunfall querschnittgelähmt, hatte bis kurz vor seinem Tod noch große Hoffnungen in die Stammzellenforschung gesetzt die sein enormes Handicap lindern hätte sollen. Sein Freund John Kerry, der Präsident Bush vor wenigen Wochen noch das Präsidentenamt streitig machen wollte, hätte sich als erster Mann im Weißen Haus für die Entwicklung und Förderung von derartigen Forschungsprojekten eingesetzt.
Vielleicht kennt mancher von Ihnen auch den berührenden Film Lorenzos Öl (mit Susan Sarandon und Nick Nolte), der auf einer wahren Begebenheit beruht. Auch diesem jungen Mann, der durch eine seltene Erbkrankheit schwer beeinträchtigt ist, könnte durch Stammzellenforschung geholfen werden. Jede Innovation, jede Entdeckung ist im Grunde zweischneidig, es kommt immer im Einzelfall darauf an, was der Mensch daraus macht. Walt Disney hat in den 50er oder 60er Jahren eine Art verkappten Werbefilm für die Atomindustrie (Unser Freund, das Atom) produziert. In dem geschickt arrangierten Streifen wurde das Atom mit einem Flaschengeist vergleichen, der sich zuerst gegen den Menschen, der ihn befreit hat, aufbäumt um aber dann von ihm beherrscht zu werden
Wie wir alle wissen, beherrscht das Atom nach wie vor die Menschheit (und nicht umgekehrt) und die großen Gefahren durch Atomkraftwerke oder atomare Waffen sind uns, speziell nach Tschernobyl, auch in Europa noch allgegenwärtig. Die Stammzellenforschung, davon bin ich überzeugt, wird auch diese Welt erobern, wird viele Menschen retten und gleichzeitig menschliche Abgründe auftun. Ob die Menschheit all das beherrschen bzw. in den Griff bekommen wird, was diese fraglos große Innovation mit sich bringen dürfte, wage ich zu bezweifeln. Aber das Gesicht dieser Welt wird sich irreversibel verändern
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