von Vivienne – Dezember 2004
Ladenöffnungszeiten und kein Ende…
In meiner Kindheit war noch ein Nahversorger bei uns in Abwinden angesiedelt, zehn Gehminuten von daheim weg. Wir tätigten alle Einkäufe dort. Es war auch kein Problem, mal außerhalb der regulären Öffnungszeiten bei den Kaufleuten anzurufen und sich schnell etwas zu holen. Ob nun an einem langen Wochenende die Milch ausgegangen war oder es beim Kekse backen im Advent plötzlich an Honig fehlte: es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass man sich im Fall des Falles in diesem Kaufhaus immer etwas besorgen konnte. Unkompliziert und ohne auf Ladenöffnungszeiten Rücksicht nehmen zu müssen. Aus Menschlichkeit.
Das Geschäft selber wurde vor mehr als 15 Jahren zugesperrt. Der Sohn wollte es nicht übernehmen, also gingen die Kaufleute ohne Nachfolger in Pension. Geschäfte wie dieses gibt es auch sonst schon lange nicht mehr, oder zumindest nicht in Gegenden wie die unsrige, die sehr nahe im Linzer Einzugsbereich liegt. Auch bei uns haben mittlerweile alle Geschäfte und Trafiken Mittwochnachmittag geöffnet. Kaum einer kann es sich leisten, auf die Einnahmen an diesem Tag zu verzichten oder sie der Konkurrenz zu überlassen, ebenso gehören die langen Mittagspausen bis 15:00 Uhr (früher einmal ein ehernes Gesetz!) längst der Vergangenheit an. Je größer die Nähe zur Großstadt desto schneller fielen diese Regelungen, die einmal Jahrzehnte Gültigkeit gehabt hatten.
In den letzten Jahren hat sich in dem Bereich sehr viel getan. Von jenen Einkaufssamstagen, an denen die Geschäfte ursprünglich nur früher im Advent länger offen halten durften, sind wir weit entfernt. Schrittweise wurde liberalisiert, sodass nun jeden Samstag fast durchgehend bis 18:00 Uhr geöffnet ist. Man kann Für und Wider abwägen, ob das wirklich nötig ist. Der Punkt ist, sobald länger aufgesperrt wird, werden sich immer Käufer finden, die den Fall einer alten Regelung begrüßen und sofort nutzen werden. Dabei fehlt es auch viel an der Solidarität mit den Angestellten im Handel, durchwegs Frauen, die Versorgungspflichten haben.
Wir haben kürzlich auch in der Arbeit sehr angeregt über diese Problematik diskutiert, ob es ein Fortschritt ist, Öffnungszeiten im Handel, wie erst kürzlich in einer Sparfiliale am neuen Linzer Hauptbahnhof vorexerziert, auch an Sonn- und Feiertagen durchzusetzen. Vergleiche mit dem Gastgewerbe oder Jobs im Krankenhaus, die dabei bemüht wurden, muss ich in dem Zusammenhang aber deutlich zurückweisen. Unsere Gesundheitsversorgung ist lebensnotwendig, darum muss sie auch 7 Tage in der Woche, 24 Stunden am Tag gewährleistet sein. Und das Gastgewerbe lebt nun mal von der Freizeit seiner Gäste, die hauptsächlich am Abend und am Wochenende gewährleistet ist.
Auf meinen Einwand der Beziehungsfeindlichkeit eines Jobs im Handel meinte ein Kollege, dass man sich die gemeinsame Zeit in so einem Fall eben einteilen müsse. Leichter gesagt als getan, wenn man frei hat, wenn der/die andere arbeitet und umgekehrt. Das zermürbt die meisten Beziehungen auf Dauer, weil man nur wenig wirklich miteinander unternehmen kann. Statistiken belegen, dass Pflegepersonal in Krankenhäusern die höchsten Raten an scheiternden Ehen und Beziehungen aufzuweisen hat. Wochenend-, Feiertags- und Nachtdienst macht nicht nur auf Dauer krank bzw. krankheitsanfällig, es lässt nur wenig Raum für den engeren Umgang mit Menschen, die nicht aus derselben Branche kommen.
In unserer hitzigen Diskussion fiel auch das Argument, dass ja niemand gezwungen wäre, im Handel zu arbeiten. Eine gewagte Behauptung, die sehr weit an den realen Gegebenheiten vorbeiläuft. Wer als Frau einige Jahre bei den Kindern daheim war oder längere Zeit vergeblich einen Job suchte, hat gar keine Möglichkeiten, Einwände zu erheben. Das Arbeitsamt fragt dich nicht, ob du willst, es vermittelt, mit Blick auf die Statistik. Außerdem: was würde denn passieren, wenn niemand mehr im Handel arbeitet? Ich habe die Problematik der Ladenöffnungszeiten vor einiger Zeit schon in unserem alten Forum zur Sprache gebracht. Eine Diskussionspartnerin dort versuchte meinen Äußerungen genau mit diesem Argument das Wasser abzugraben. Es spricht jedenfalls nicht für sehr viel Realitätssinn Derartiges in den Raum zu stellen, wer hat denn allgemein betrachtet wirklich schon die Möglichkeit beruflich genau das auszuüben was er will?
Meine Solidarität mit den Handelsangestellten wird trotzdem wenig bringen. Andere Interessen als die der Leute, die dort arbeiten, sind vorrangig und man verzeihe mir diesen Vergleich sobald ein Handelsriese den Anfang gemacht hat werden die anderen ganz schnell nachziehen, wie die Schafe. Es geht ja auch nicht um den Menschen und darum, den Kunden bequemes Einkauen zu ermöglichen. Nur Profit zählt, und alle Möglichkeiten, mehr Umsatz zu machen als die Konkurrenz, heiligen die Mittel. Niemand sollte sich also einreden, dass die Geschäfte ihm persönlich einen Gefallen tun, indem sie die Öffnungszeiten erweitern, er soll nur noch leichter sein Geld ausgeben
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