von Vivienne – April 2004
Moderne Sklaven
Bekanntermaßen liegen die Arbeitslosenzahlen in Österreich so hoch wie lange nicht. Das heißt aber nicht, dass es notwendigerweise weniger Arbeit in unserem Land zu verrichten gibt. Ganz im Gegenteil. Die meisten Unternehmer kalkulieren knallhart und setzen den Sparstift dort an, wo es am einfachsten ist – bei der Arbeitskraft. Lohnnebenkosten machen den Hauptteil im Gehalt eines Arbeitnehmers aus, also wird das Personal reduziert. Logische Folge: immer weniger Arbeitnehmer verrichten gezwungenermaßen immer mehr Arbeit und immer mehr Überstunden. Die Freizeit bleibt dabei auf der Strecke aber dafür wird man ja nicht bezahlt, oder?
Besonders stark ausgeprägt ist diese Ausbeuterei im Handel, aber auch andere, scheinbar bevorzugte Gruppen, können überraschend Opfer dieser Form der modernen Sklaverei werden. Heute durfte ich in einem täglichen Kleinformat nachlesen, wie in London eine Brookerin ihren Job verlor, weil ihr ihr Vorgesetzter persönlich einen Nachmittag freigegeben hatte. Ein unerwarteter Aktieneinbruch an der Börse genau an diesem Nachmittag fügte dem Unternehmen, das sich an der Brookerin schadlos hielt, einen Millionenschaden zu. Sie war laut Unternehmensleitung – für den Schaden verantwortlich zu machen, da durch ihre Abwesenheit niemand da war, der auf die Krise reagieren konnte, und wurde gekündigt.
Einfache Unternehmensphilosophie. Die Dame klagt nun dagegen und ich bin gespannt, wie das Gericht entscheidet. Aber zurück zu unserem Thema. Diese Geschichte ist ein typisches Beispiel dafür, mit welcher Selbstverständlichkeit manch ein Arbeitgeber über die Arbeitskraft seiner Mitarbeiter verfügt. Die Gebietskrankenkassen zeigen in regelmäßigen Abständen auf, wie auffallend je nach Berufsgruppe – teilweise die Krankenstände zurückgegangen sind. Viele Leute fürchten oft schon so sehr um ihren Job, dass sie lieber mit Fieber und Bronchitis an den Schreibtisch kommen als sich innerhalb von ein paar Tagen im Bett auszukurieren.
Natürlich möchte ich an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass nicht in jeder Firma oder jeder Branche so menschenverachtende Praktiken vorherrschen. Der eine oder andere Chef geht recht gesittet mit seinen Leuten um, und so mancher Verdiener genießt halt wieder Sonderrechte. Und ich vermute, Sie können sich schon denken, wo es die Arbeitnehmer immer ein wenig leichter haben. Mir selber ist es vor ein paar Jahren auf unangenehmste Weise bewusst geworden, als ich Zoff in meinem damaligen Job hatte. Der Stellvertreter des Geschäftsführers hatte sich eine grobe Sache, arbeitsrechtlich bedenklich, mir gegenüber herausgenommen und ich war mit ihm deswegen in Streit geraten.
Um mich rechtlich abzusichern, kontaktierte ich die AK und die Gewerkschaft, da ich damals noch Mitglied war. In der AK folgte der typische Kauderwelsch in Paragraphendeutsch, der mir nicht viel half. Noch viel ärger aber die Hilfestellung in der Gewerkschaft, wo mich die Dame vom Telefon vertröstete, dass die beiden Herren in der für mich zuständigen Abteilung sich wegen des schönen Wetters frei genommen hatten. Pech gehabt, obwohl ich sofort und tatkräftige Unterstützung gebraucht hätte. Mein Glück in diesem Fall: in den nächsten Tagen beruhigte sich die Angelegenheit von selber.
Auch am Amt herrschen andere Sitten und Gebräuche. Das wurde mir einmal mehr bewusst, als ich vor einigen Jahren den Führerschein machte und einen Termin für den Amtsarzt zugewiesen bekam, der von den Busfahrzeiten her nicht einzuhalten war. Ich wollte den Termin ändern lassen. An einem Donnerstag um ca. 14:00 Uhr telefonierte ich mit einem patzigen Telefonisten an unserer BH, der mir etwas vorfaselte, dass die Assistentinnen des Amtsarztes nicht mehr im Büro wären, weil sie Gleitzeit hätten bzw. früher gegangen wären. Ja, im Amt ist das anscheinend gang und gebe, dass man kommt und geht, wann man will, aber das Amt lebt zweifelsfrei in einer eigenen Realität.
Einer Realität, von der ein normaler Tschineiler nur träumen kann. Wenn wenigstens die Wochenenden weitest gehend unangetastet bleiben, kann sich einer schon glücklich schätzen. Aber wie weiter oben erwähnt – in manchen Branchen ist das Utopie. Wer nicht das Glück hat, in einer der besseren Firmen untergekommen zu sein, muss in die Krot beißen. Unsere Regierung tut wenig für Österreichs Angestellte und Arbeiter. Außer natürlich, die Bedingungen für den Arbeitslosenbezug oder den Berufsschutz dazu mehr im gestrigen Beitrag meines Kollegen Einstein zu verschärfen.
Hand aufs Herz macht Ihnen Ihr Job Spaß? Bekommen Sie Ihre Überstunden ausbezahlt? Oder haben Sie selber auch schon Angst, wenn sich eine Erkältung bei Ihnen ankündigt? Ihre Antworten zeigen deutlich, ob Sie schon Sklave sind oder noch gerne arbeiten gehen. Die Forderung so manches links orientierten Politikers nach einem Grundgehalt für alle Österreicher, um zum Beispiel die finanzielle Abhängigkeit von schlechten Jobs zu mindern, kann ich trotzdem nicht als wirklich akzeptable Lösung ansehen. Arbeit, ist speziell für mich, weniger ein Weg zum Geld verdienen als vielmehr eine Methode, meinem Leben Sinn, Anerkennung und Freude zu geben. Von den psychosozialen Kontakten erst gar nicht zu reden was hab ich von einem Grundgehalt, wenn ich nicht unter die Leute komm?
Abschließend bleibt nur das dürftige Resümee, dass jeder Arbeitgeber, der seine Leute ausbeutet, das nur tun kann, wenn ihm niemand Einhalt gebietet. In so fern fördert ja auch der Staat diese Maltraitierung des Arbeitsrechts: weil die Gesetze zum Schutz der Arbeitnehmer zahnlos sind, AK und Gewerkschaft im Grunde gar keine Möglichkeit haben, Druck auf eine Firma auszuüben, die mit ihren Leuten nach Belieben umgeht. Und das Arbeitsamt? Gibt ohne Bedenken Jobangebote von schwindligen Firmen, die man genau kennt, weiter. Im Grunde haben wir alle, die wir unseren Lebensunterhalt selber verdienen müssen, längst keine Lobby mehr
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