von Vivienne – Juli 2004
Nachruf auf einen großen Staatsmann
Heute wurde unser verstorbener Bundespräsident, Dr. Thomas Klestil, zu Grabe getragen. In Anerkennung seiner Leistungen für Österreich, die auch international höchste Beachtung fanden, nahmen nicht nur viele Würdenträger aus dem Inland, darunter der designierte Nachfolger Klestils, Dr. Heinz Fischer, am Begräbnis teil sondern auch etwa 25 Staatsoberhäupter aus dem Ausland. Selbst der Gouvernator, Arnold Schwarzenegger erwies Klestil in erster offizieller Mission für die USA unterwegs als Vertreter der USA die letzte Ehre.
Wer war nun dieser Mann Thomas Klestil, der Österreich 12 Jahre bei verschiedenen offiziellen Anlässen im In- und Ausland repräsentierte? In die Wiege gelegt schien ihm sein hohes Amt nicht unbedingt. Am 4. November 1932 als Sohn eines Straßenbahnfahrers in Wien Erdberg geboren, wuchs er in eher bescheidenen Verhältnissen auf. Sein Vater starb früh, und seine Muter, bei der er stark religiös geprägt aufwuchs, ermöglichte ihm unter Entbehrungen eine solide Ausbildung. Nach dem Studium auf der Hochschule für Welthandel heiratete er seine Jugendliebe Edith, mit der er drei Kinder hatte.
Klestils Karriere verlief in der Folge bilderbuchhaft, er war vor allem in den USA im Dienste Österreichs tätig und erwarb sich dort großes Ansehen, wenn auch nicht einer breiten Öffentlichkeit bekannt. In den USA war er schließlich sogar als Botschafter Österreichs im Einsatz. Als 1987 rund um die Wahl zum Bundespräsidenten die Affäre Waldheim ins Rollen kam, musste Klestil sein ganzes diplomatisches Geschick bemühen und hatte mit Sicherheit keinen leichten Stand. Wieder nach Österreich zurückberufen, nahm er im Außenministerium den Posten des ranghöchsten Beamten ein.
1992 stellte er sich als Kandidat der ÖVP erstmals der Wahl zum Bundespräsidenten. Dabei stand sein Wahlkampf ganz im Zeichen seiner Familie und etwas überraschend gelang es ihm, den großen Favoriten von der SPÖ, Dr. Rudolf Streicher (den ich damals wählte!), im 2. Wahlgang auszustechen, nachdem er im ersten noch ein paar Prozentpunkte hinter ihm lag. (Jörg Haider hatte die Wahl beeinflusst unvergessen seine Wahlhilfe: Was bleibt ist die zweite Wahl ) Von Anfang an war Klestil ein AKTIVER Präsident, was sich durch etliche Auslandsbesuche schon im ersten Jahr dokumentierte. War Österreich nach der Wahl Waldheims außenpolitisch fast völlig isoliert gewesen, änderte sich das unter Klestil wieder rapide. Die größten Schlagzeilen machte Klestil in seiner ersten Wahlperiode trotzdem mit dem Scheitern seiner Ehe.
Ein buntes Billigblatt deckte die Affäre Klestils mit seiner früheren Wahlkampfmanagerin Margot Löffler auf. Edith Klestil verließ tief verletzt ihren Mann, mit dem sie 40 Jahre verheiratet gewesen war, ohne jemals wieder mit ihm zu sprechen. Diese Geschichte spaltete auch die Österreicher in pro und contra, schwächte Klestils Position aber nicht wirklich. Nach seiner Scheidung ein paar Jahre später heiratete Klestil Margot Löffler, die bis zu seinem Tod die Frau an seiner Seite blieb. Im Herbst 1996 erkrankte Klestil erstmals schwer. Eine atypische Lungenentzündung fesselte ihn lange Wochen ans Krankenbett und schädigte seine Gesundheit nachhaltig. Seine schweren Lungenprobleme resultieren aus dieser Zeit.
Nichts desto Trotz stellte sich Klestil der Wiederwahl und gewann, erneut und souverän. Sein Konzept war diesmal völlig unabhängig von der ÖVP aufgebaut, auch seine Familie stand nicht mehr im Mittelpunkt. Klestil siegte konkurrenzlos, denn die SPÖ hatte keinen eigenen Kandidaten aufgestellt. Als unabhängige Kandidatin hatte Dr. Gertraud Knoll (sie bekam meine Stimme!), die jetzt bei der SPÖ ist, keine Chance. Klestil nutzte seine diplomatischen Beziehungen vor allem im neuen Osten und stärkte Österreichs Position dort entscheidend. Die Sternstunde Klestils schlug allerdings im Februar 2000, als er die blauschwarze Koalition unter Kanzler Schüssel angelobte. Klestil, der im Vorfeld kein Hehl daraus gemacht hatte, dass er eine Fortsetzung von Rotschwarz im Sinne eines breiten Konsens begrüßen würde, gelobte die Mitglieder mit steinerner Miene an, die Differenzen mit Schüssel setzen sich auch in der Folge fort. Manche Leute werfen ihm diese Haltung heute noch vor, in dem sie argumentieren, ein Bundespräsident müsse unparteiisch sein.
Unparteiisch vielleicht, darüber lässt sich streiten, aber nicht neutral. Ein Bundespräsident ist keine Marionette. Hut ab, vor Thomas Klestil und seinem Mut. Im letzten Jahr seines Amtes verschlechterte sich der Gesundheitszustand Klestils weiter, was nicht zu übersehen war bei öffentlichen Auftritten. Noch wenige Tage vor seinem Tod hatte Klestil gemeint, er würde sich nach seinem Abgang als Bundespräsident nicht zur Ruhe setzen, sondern er wolle sein enormes diplomatisches Wissen gerne weitergeben. Die Erfüllung dieses Wunsches sollte ihm allerdings nicht mehr gegönnt sein. Nach dem ersten Herzstillstand am Montag dauerte es 20 Minuten bis zur geglückten Reanimierung, allerdings waren die inneren Organe in Folge zu sehr geschädigt worden. Der Kampf um sein Überleben sollte leider aussichtslos bleiben
Mit Thomas Klestil starb ein Mann, der sein Amt mehr als nur ernst genommen hat, dem man vielleicht eine gewisse Steifheit und Überkorrektheit vorwerfen könnte, der aber mit Herz und Hirn Österreicher war und auch immer bemüht war, im Sinne Österreichs und seiner Verpflichtung allen Bürgern gegenüber zu handeln. So überzeugt und erfüllt von seinem Amt, dass es fast wie Bestimmung aussieht, dass ihn der Tod in den letzten Stunden seiner Amtszeit ereilte abberufen nur von höchster Stelle
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