Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  April 2004



Prüderie ohne Ende?????

Wer sich unter den jungen Mädels so umsieht, stellt fest – mit Schmunzeln oder mit Ärger, je nach Neigung – die Zeiten haben sich geändert: Girlies flanieren durch die Straßen, auch im Winter nur knappst bekleidet: Spaghetti-Träger, tiefes Delkotee, bauchfrei und knappe Hüft-Jeans, unter denen auch schon mal ein String-Tanga kess hervorlugt. Von Piercings, Tatoos, etc. in allen Größen, Farben und Formen erst gar nicht zu reden. Noch vor zehn Jahren war diese Mode nicht vorstellbar, aber die jungen Mädels haben sich den aktuellen Trends angepasst und ein Körperbewusstsein entwickelt, mit denen die Älteren und Konservativeren unter uns nicht immer fertig werden.

Und nicht nur die. Die Lehrerschaft der Gemeinde Ohlsdorf und ihr Direktor haben sich zu Moralaposteln aufgeplustert und derartige Kleidung, die  – O-Ton – „die Lehrerschaft und die männlichen Schüler aufreizt“ ins Abseits verbannt. Mädchen, die sich nicht an die „keuschen“, neuen Bekleidungsvorschriften halten, müssen während des Unterrichtes ein „sittsames“, groß geschnittenes T-Shirt tragen, um ihre weiblichen Formen und zu viel Haut zu verbergen. Könnte ja sein, dass die holde Männlichkeit ansonsten zu sehr in Extase gerät – was vor allem bei einem Lehrer im Unterricht peinlich werden könnte, wenn seine Hormone zu viel „Gefallen“ signalisieren.

Was sagen nun die Oberösterreicher zu derartigen Bekleidungsvorschriften in einer Pflichtschule? Ein Welser Vater brachte es auf Life Radio auf den Punkt: Das werde er sich ansehen, dass jemand seiner Tochter, die zwar noch nicht alt genug sei, aber im Falle des Falles ein „verhüllendes“ T-Shirt vorschreibe! Nun – Sturm im Wasserglas? Oder sind die jungen Mädels tatsächlich zu sexy unterwegs und praktisch selber Schuld, wenn „sie vergewaltigt werden“, wie sich eine andere Life Radio Hörerin gestern noch „on air“ echauffierte? Dieser anderen Extrem-Meinung möchte ich mich auch nicht unbedingt anschließen. Triebtäter fallen auch über Seniorinnen her, die sich sicher nicht zu kess kleiden.

Das Aussehen spielt bei Sexualverbrechen nicht immer eine große Rolle, sondern die „Verfügbarkeit“, wenn die Krankheit bei den Tätern wieder durchschlägt. Aber zurück zur Kleidung  der jungen Mädels: sind sie nun wirklich zu freizügig unterwegs oder muss man die Menschen in „aufgeschlossen“ und „retro“ unterteilen, je nach dem wie man die augenblickliche Mode annimmt? Ich habe heute auch mit den Kolleginnen in der Arbeit die Problematik kurz durchgekaut und bekam gerade von den jüngern zu hören, dass sie sich mit so manchem frechen, jungen Outlook nicht mehr identifizieren können. Eine meinte sogar, sie würde sich so „offenherzig“ gar nicht wohl fühlen.

Womit für mich feststeht, dass die Welt ja noch nicht gleich untergehen wird, weil im Grunde sich doch jedes Mädel, jede junge Frau ein wenig anders mit der Mode auseinandersetzt. Ein wenig Busen, ein wenig Dekoltee – das ist ja im Grunde auch nichts Unrechtes. Und dass man gerade als Teenager so seine Grenzen mal auslotet, speziell auch um das andere Geschlecht zu beeindrucken – was wäre weniger normal als das? Ich finde es im Grunde nicht einmal so arg, dass man in Ohlsdorf scheinbar die Uhren ein wenig zurückdrehen möchte in Zeiten, wo eine Frau nicht viel mehr als ihre Knie zeigen durfte. Schlimmer empfinde ich, dass sich kaum jemand ernsthaft Gedanken macht, dass die jungen Leute immer mehr saufen, speziell  am Wochenende, sehr früh zu rauchen beginnen – und gerade bei den Mädchen in katastrophaler Wechselwirkung – dazu auch noch die Pille nehmen.

Ich treffe häufig in der Früh ein Mädel aus der Siedlung. Im Grunde, das möchte ich betonen, habe ich nichts mit ihr zu tun, ich krieg nur immer wieder im Zug mit, was sie mit ihren Freundinnen bespricht und das sind vorrangig Sauftouren am Wochenende durch die Linzer Altstadt, bei denen sie auch häufig ihre Mutter trifft, die sich wenig Gedanken zu machen scheint, was ihre Tochter so in der Nacht öfter anstellt, weil sie anscheinend selber die Sorgen mit Alkohol begießt. Das Mädel trägt keine Trägerleibchen, im Gegenteil, nur schwarze, schlabbrige T-Shirts und Hosen (ausgefranst und dreckig teilweise) sowie unförmige Schuhe. Keine Spur von kess, finde ich, mit ihrer schwarzen Igelfrisur verstärkt sie nur den Eindruck, ein Mitglied der Familie Munsters zu sein. Aber ich mach mir um dieses Mädel, das vernachlässigt durchs Leben geht, mehr Gedanken als um irgendeinen anderen Teenager, der mal ein wenig Brust und Bauchnabel(-Piercing) zeigt.

Die Kleidung unserer jungen Leute sehe ich also als das geringste Problem. Ohlsdorf, aber auch andere Gemeinden und Städte würden mich mehr beeindrucken, wenn sie ein Auge darauf hätten, dass ihre Schulen drogenfrei bleiben und die Jugendlichen nicht noch die Möglichkeit eingeräumt bekämen in Raucherzimmern zu rauchen oder bei Schulfesten ungestört und unkontrolliert Alkohol zu konsumieren. Sucht ist ein wirkliches Problem, während im Gegensatz dazu ein wenig nackte Haut  – man verzeihe mir – für mich in der Bedeutung eines „Lärcherlschas“ rangiert.

Die Mode ändert sich mit Sicherheit wieder, und meistens folgt einem Extrem wieder ein anderes, gegensätzliches. Ich versteh den Welser Vater gut, der nicht einsehen würde, dass seine minderjährige Tochter in Bekleidungsfragen bevormundet werden könnte. Ich würde das, hätte ich Kinder, ähnlich sehen und es außerdem begrüßen, wenn die Schulen – wie oben ausgeführt – sich um wirklich relevante Probleme der Schüler kümmern würden. Ein paar nervöse Lehrer oder Burschen sollten im Grunde niemanden mehr aufregen!

Vivienne

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