Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  November 2004



Schifahr’n!

Österreich ist eine Nation der Schifahrer. Nicht umsonst sind die Brettelartisten üblicherweise auch die beliebtesten Sportler des Landes: angefangen mit Toni Sailer in den 50er Jahren über den Klammerfranze bis hin zu Eberharter und Maier, den Helden von heute. Schifahren ist in in Österreich. Es gibt nicht wenige, die auch nur für einen Tag schnell in ein Schigebiet fahren. Und das schon mitten in der Nacht, um dann bis zum späten Nachmittag den Hang hinunterzuwedeln, damit sich auch der teure Schipass rentiert. Andere buchen alle Jahre wieder schon Monate im Voraus ihre Lieblingshäuser inmitten von Schnee und Eis und hohen Bergen, um sich dort wochenweise auf der Piste zu verausgaben, oder auch beim après Schi…

Mir fehlen angesichts von solcher Brettelsucht fast die Worte. Seit ich in der Volksschule einmal ein paar Billigschi geschenkt bekam, in die ich mich mit den „geerbten“ Schischuhen meines älteren Bruders auf dem Hügel ganz oben in der Siedlung hinunterzufahren bemühte und mehr im Schnee als sonst wo landete, bin ich nicht mehr auf Schiern gestanden. Schulschikursen habe ich mich immer verweigert. Und diesen Umstand auch nie bedauert, ganz im Gegenteil. Im Grunde hasse ich Schnee und Eis, außer im Advent, weil beides zu dieser Zeit recht stimmig und romantisch wirkt. Spätestens ab Neujahr könnte für mich gerne wieder der Frühling ausbrechen.

Ich bin in der kalten Jahreszeit einfach nicht daheim und daran wird sich auch nichts mehr ändern. Außer vereinzelten romantischen Spaziergängen im Winter bei Pulverschnee und klarer Sicht ist für mich in der kalten Jahreszeit einfach nicht mehr wünschenswert. Auch wenn der Durchschnittsösterreicher anders denkt, und schon die Kleinsten zum Ritt auf den Brett’ln getrimmt werden. Jedem das Seine, man gönnt es den Landsleuten, obwohl man sich bisweilen mit Stirnesfalten fragt, was die Menschheit an diesem Sport findet. Schlimmer finde ich hingegen, was sich immer wieder auf den Pisten abspielt neben friedlichem Schifahren.

Denn einmal im Jahr mindestens fährt irgendein Idiot in ein gesperrtes Gebiet – frei nach dem Motto: Was kümmern mich Regeln! – reißt eine Lawine los oder verschwindet für immer in einem Schneebrett oder einer Gletscherspalte. Tragisch, aber selber schuld. Man kann wohl vermuten, dass jene Spezies, die auch im Straßenverkehr wie die Könige der Landstraße agieren auch auf der Piste glauben, dass Sonderregelungen für sie in Kraft sind. Ein Irrglaube – bisweilen mit letalem Ende… Noch viel mehr trifft das aber auf die Rowdies zu, die auf der Strecke rücksichtslos andere Schifahrer niedermähen – Platz da, jetzt komm ich! Auf die zusätzliche Problematik zwischen Schifahrern und den Snowboardern will in dem Zusammenhang erst gar nicht eingehen. So wie sich vermutlich die Mehrheit der Schifahrer benehmen kann, muss man wohl auch nicht automatisch jeden Snowboarder verdammen.

Aber auch als nicht Betroffene verstehe ich gut, dass allgemein der Ruf nach einer Art Pistenpolizei laut wird. Und ich könnte es auf jeden Fall nachvollziehen, wenn man wie im Straßenverkehr gewissen Subjekten für einige Zeit Fahrverbot erteilen würde. Nur sehe ich momentan keine Möglichkeit, das auch wirklich österreichweit zu kontrollieren. Aber auch rechtliche Schritte gegen selbsternannte Pistenwalzen wären angebracht, auch ein Autofahrer muss Geldstrafen zahlen, wenn er gewisse Regeln nicht beherzigt. Für den Fiskus könnten sich da – Charly Grasser ist ja nicht  dumm! – ganz neue Einnahmequellen erschließen, so man sich nur entschließen könnte, die entsprechenden Gesetze endlich zu verabschieden. Um jeden Winter, der da ungenützt vorüberstreicht, ist da schade, wo ohnedies im Staatssäckl Ebbe herrscht.

Aber zurück zu den Schifahrern. Wenige wissen, dass Schiunfälle als Freizeitunfälle von der gesetzlichen Unfallregelung nicht gedeckt sind. Das heißt im Klartext, dass die Behandlungen zwar von der Gebietskrankenkasse gedeckt sind, aber alles darüber hinaus muss selber bezahlt werden. Zum Beispiel auch die Bergung, im krassesten Fall mit Helikopter und Hilfsmannschaft. Oder etwa eine aufwendige Reha. Die wenigsten sind darüber informiert, außerdem rechnet niemand im Ernst damit, dass er sich beim Wedeln verletzt, womöglich noch an unwegsamer Stelle. Versicherungen empfehlen engagierten, häufigen Hobbyfahrern auf jeden Fall eine private Zusatzversicherung, was man nur unterstreichen kann.

Wenn wir schon beim Thema Verletzungen sind: Welche Verletzungsarten treten bei den Schifahrern am häufigsten auf? Ich habe im Web recherchiert und herausbekommen, dass die Verletzungsanfälligkeit von Carvern sehr viel höher ist als die von „normalen“ Schifahrern, unabhängig von der Routine. Der „Ärztewoche“ konnte ich in dem Zusammenhang entnehmen, dass 49 % der üblichen Brettlfahrer eine Verletzung der Beine erleiden, allerdings 62 % der Carver. Allgemein sind die Carver um bis zu  40 % verletzungsanfälliger… Das macht wohl deutlich, dass Schifahren kein harmloser Sport ist sondern auch sehr gefährlich werden kann. Umso mehr ein Grund für mich, im anstehenden Winter wieder vermehrt vor dem PC zu sitzen (Geht das überhaupt noch?) oder mich sonst kreativ zu betätigen. Und ich freu mich schon jetzt auf den nächsten Frühling!

Vivienne

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