Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  Oktober 2004



Schönheit ist nicht alles…

Der Jugendwahn geht um in unserer Welt. Die absurdesten Blüten aber treibt wohl er in Hollywood und im Musikbusiness. Starregisseur Martin Scorsese bemerkte kürzlich in einem Interview, dass es fast unmöglich sei, noch einen weiblichen Star ohne aufgespritzte Lippen für einen Film zu bekommen. Wie wahr! Fast jeder (vermeintliche) Star über Dreißig rennt regelmäßig zum Schönheitschirurgen seines Vertrauens um hinter jüngeren Konkurrentinnen nicht zurückstehen zu müssen. Aber auch diese Jüngeren reden mitunter schon ungeniert über derlei Eingriffe, Drew Barrymoore etwa steht offen zur Brustverkleinerung.

Auch Britney Spears kann ihre Brustvergrößerung schlecht leugnen, Fotovergleiche sprechen eine beredte Sprache. Dabei fing dieser Kult ja nicht erst in diesen Tagen an. Hollywoodlegende Greta Garbo zog sich mit 39 Jahren nicht nur vom Film sondern auch von der Öffentlichkeit völlig zurück. Niemand sollte die einstige Schönheit der Schwedin schwinden sehen, und deshalb gab es auch nur Schnappschüsse ab und an, die das Gesicht der Diva versteckt hinter großen Sonnenbrillen zeigten. Marlene Dietrich ließ schon in den 40er Jahren Chirurgen an ihr Gesicht, die dieses nach und nach maskenhaft erstarren ließen, wie auch in ihren späten Filmen ersichtlich war.

In den 60er Jahren zog sich auch die Deutsche aus der Öffentlichkeit zurück. Die Öffentlichkeit sollte sie nicht altern sehen, und Fotos, die ein Vertrauter geldgierig wenige Jahre vor ihrem Tod von der Überneunzigjährigen schoss um sie an eine Zeitschrift zu verkaufen, wurden wieder retour gegeben. Ja, im Grunde könnte man Kaiserin Sissis krampfhaftes Bemühen um die Erhaltung ihrer Schönheit schon in diese Kategorie einordnen, gab es doch damals noch keine Stars im heutigen Sinne und Sissis jugendliche Anmut und ihr Liebreiz waren ja legendär im hochadeligen Europa Mitte des 19. Jahrhunderts.

Zurück zu den Diven dieser Tage: Nicole Kidman, Catherine Zeta-Jones, selbst die zeitlose Popikone Madonna – sie alle haben mehr oder wenige große Eingriffe im Gesicht und/oder am Körper hinter sich. Dabei tut einem oft weh, wenn ein in die Jahre gekommener Star mit aller Gewalt an der Jugend festhalten will. Melanie Griffith ist einer von ihnen. Betrachtet man ein älteres Fotos von ihr auf dem sie mit fast mädchenhaftem Charme punktet, könnte man weinen, wenn man sich an ein aktuelles Bild von ihr hält. Nicht, weil sie mittlerweile 47 Jahre alt geworden ist, sondern weil lächerlich wirkt, was sie an ihrem Gesicht alles verändern hat lassen. Lächerlich und unnatürlich. Ihr zehn Jahre jüngerer Mann, Antonio Banderas, war angeblich ohnedies dagegen. Aber die Angst, dem überaus attraktiven und begehrten Gatten nicht mehr zu gefallen und in der Branche den Anschluss zu verlieren, haben wohl bei der Ex-Frau von Don Johnson den Ausschlag gegeben.

Unnatürlichkeit ist ein großes Manko, wenn man sich zu oft unters Messer legt. Eine Krankheit fast wie Magersucht: jede Falte, jedes Fältchen wird mit Argusaugen betrachtet und muss sofort vernichtet werden. Normal ist das jedenfalls nicht, wenn die mittlerweile 37jährige Oscarpreisträgerin Nicole Kidman ein völlig faltenfreies Gesicht zur Schau stellt. Vor allem  fehlt es am Ausdruck des Gesichtes: je mehr Operationen, desto weniger Mimikfalten und desto starrer bis puppenhafter wirkt das Gesicht. Ist das die Zukunft von Hollywood? Silikonbrüste, gestraffte Pos und Schenkel, Fettabsaugungen und Gesichter, die so lebendig und natürlich wie von Masken wirken? Fachleute sind eher skeptisch, ob sich über-operierte Stars und Divas in der Filmszene wirklich auf Dauer durchsetzen werden…

Auch im deutschen Sprachraum tobt der Kampf um den Zenit am Fernsehhimmel. Ob die Damen nun Iris Berben, Uschi Glas oder Gudrun Langrebe heißen. Eine unterstellt der anderen heimliche Operationen, selber aber schwören die reifen Stars auf Wundermittel aus der eigenen Rezeptur (als eigene Linie), auf viel Wasser zum Trinken und auf die obligate Grapefruit zum Frühstück. Wer’s glaubt… Als Mann hat man es in der Situation ohnedies leichter, obwohl auch das starke Geschlecht zunehmend unter das Messer drängt. Udo Jürgens, umschwärmter Frauenliebling, feierte kürzlich in alter Frische seinen 70er und auch bei ihm munkelt die Fachwelt schon lange, dass der agil und spritzig wirkende Evergreen bisweilen Chirurgen an sich heran ließ. Ein klassischer Schönling war der gebürtige Österreicher ohnedies nie, der Entertainer überzeugt immer kraft seiner Persönlichkeit und seines Engagements. Aber so manche Spuren des Alterungsprozesses ließ der Entertainer mit Sicherheit auch weg retouchieren.

Angesichts von so viel Schönheit möchte man gerade als Frau mit mehr oder weniger deutlichen Unzulänglichkeiten oft selber verzweifeln, dass man keinem Schönheitsideal entspricht. Trotzdem möchte ich mit keinem Star tauschen, weil ich mir sonst gleichzeitig auch den Sack mit Komplexen, Ängsten und Neurosen mit anhängen würde. Auch Schönheit kann eine Droge sein… Ja, schon ein Blick in die nähere und weitere Umgebung zeigt doch, dass Schönheit nicht dazu dient Probleme wie von selbst zu lösen. Eine frühere Bekannte von mir, bildschön und attraktiv, im Grunde auch ein nettes Mädel, kämpft immer wieder, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Und selbst in der Liebe scheitert die junge Frau, obwohl die Natur sie so verschwenderisch ausgestattet hat. Schmerzhafte Blessuren und Narben auf der Seele verhindern, dass sie glücklich wird.

Nein, nicht der perfekte Body oder die schöne Larve verhelfen zu einem schönen Leben, sondern die positive Einstellung zu sich selber. Mit diversen Operationen oder Fettabsaugungen wird man weder ein besserer Mensch noch löst man seine Probleme leichter. Ganz im Gegenteil.. Das Beispiel Michael Jackson mag an diese Stelle aufzeigen wie schnell man in dieser Situation nämlich den Bezug dazu verliert, was wirklich schön ist bzw. noch im Rahmen liegt. Und alle anoperierte oder natürliche Schönheit vermag nicht das Leid einer geknechteten Seele zu mildern, die stumm um Hilfe schreit.

Vivienne

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