von Vivienne – November 2004
…sich selbst und anderen keinen Gefallen!
Kennen Sie den? Eine attraktive Frau Mitte Dreißig betritt ein Geldinstitut um einen Scheck einzulösen. Der Bankangestellte überprüft den Scheck und retourniert ihn wieder an die Frau. Tut mir leid, der ist nicht gedeckt! Die Frau wird blass. Dann bin ich vergewaltigt worden! Bitterböse, sehr, sehr zynisch und frauenfeindlich. Aber dieser Witz fiel mir heute Vormittag ein, als ich die Zeitung studierte. Ein Mehrspalter war mir ins Auge gestochen und ich konnte kaum glauben, was ich da gelesen hatte. Ein Lehrer hatte ein Verhältnis mit einer Schülerin begonnen, das Mädchen war zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal 14 Jahre alt gewesen.
Ein klarer Verstoß gegen die Aufsichtspflicht, Ausnutzen des Autoritätsverhältnisses nennt das der Gesetzgeber. Acht Monate unbedingte Haft scheinen mir da durchaus angemessen zu sein, wenn das nicht einfach nur ein Teilaspekt der Geschichte wäre. Der Vorfall liegt nämlich nicht nur schon sehr viele Jahre zurück. Die junge Frau hat nämlich nach einem zwei Jahre andauernden heimlichen Gspusi mit besagtem Lehrer ab dem 16. (!) Lebensjahr ganz offen mit ihm zusammengelebt. Und das acht Jahre! Als aber der Lehrer die lange Beziehung beendete, erstattete es Anzeige. Weil ihr der einstige Geliebte die Jugend, die Kindheit geraubt hätte!
Wie man es immer auch dreht und wendet, es bleibt ein schaler Nachgeschmack. Damit kein Missverständnis aufkommt: ich finde es keinesfalls in Ordnung, wenn ein Pädagoge vergisst, dass seine minderjährigen, ihm anvertrauten Schüler tabu sein müssen in jeglicher Hinsicht, und ganz besonders im sexuellen Bereich. Es passiert fraglos immer wieder, dass ein Mädchen sich in einen jüngeren, gut aussehenden Lehrer verliebt. Während meiner Mittelschulzeit ist ein Mädchen aus der Schule dem verehrten Professor ins Auto gelaufen. Passiert ist nichts, aber das Mädchen genoss die Situation und ließ sich von dem Lehrer trösten. Ich selbst war an derselben Schule ein paar Jahre in meinen Französischprofesssor verschossen. Zwei Fälle von vielen
Auch dass ein Lehrer die bei ihm besonders heiklen Grenzen überschreitet, kann man nicht als Einzelfall einordnen. Bagatellisieren sollte man es noch viel weniger. Aber mir gefällt einfach nicht, dass die späte Anzeige im Grunde wie ein Racheakt rüberkomt! Ich zahle dir heim, was du mir angetan hast! Eine langjährige Liebe geht zu Ende und die enttäuschte junge Frau spielt alle Register. Das kann ich nicht verstehen, vor allem weil für mich so vieles im Dunklen liegt. Gab es denn keine Eltern, die doch das ungesetzliche Verhältnis der Tochter bemerken hätten müssen? Oder ignorierten sie es einfach? Ich erinnere mich in dem Zusammenhang an einen Arbeitskollegen, den ich vor zig Jahren kannte. Er selber war damals gut 26 Jahre alt gewesen, die Freundin war gerade erst 16 geworden und über zwei Jahre lebten die beiden zu dem Zeitpunkt schon, geduldet von den Eltern seiner Freundin, zusammen.
Im Grunde löste die Geschichte schon damals heftiges Kopfschütteln in mir aus. Sollte ich jemals Kinder haben, würde ich niemals eine Beziehung meiner dreizehnjährigen Tochter mit einem so viel älteren erwachsenen Mann tolerieren. Das grenzt an Pädophilie und hat ganz andere Voraussetzungen als eine zarte Bindung zwischen Gleichaltrigen. Unverständlich, dass die Eltern diese Beziehung zuließen, obwohl sie sich im Grunde selber strafbar gemacht haben, als sie nicht dagegen einschritten. Von meinem damaligen Kollegen ganz zu schweigen, der mit dieser Liebe ebenso wie der besagte Lehrer eine unbedingte Haftstrafe riskiert hatte. Aber wo kein Kläger, da kein Richter
Zurück zu der jungen Frau, die sich nach zehn Jahren plötzlich missbraucht fühlte. Ich bezweifle ganz offen, dass deren Eltern nichts von dieser ungewöhnlichen Liebe gewusst haben wollen. Und noch viel schlimmer ist, dass die junge Frau weder sich selbst noch ihren Geschlechtsgenossinnen einen Gefallen getan hat mit dieser Anzeige. Diese Racheaktion wird nur Wasser auf den Mühlen jener sein, die alle Frauen pauschal als berechnend und verlogen darstellen. Jenen, die auch behaupten, es gäbe im Grunde gar keine Vergewaltigungen sondern nur Frauen, die einem Typen eins auswischen wollten. Weil es tatsächlich solche Einzelfälle gibt Ob dem Mädchen, das sich anscheinend zehn Jahre nicht im Geringsten ausgenutzt gefühlt hat, das bewusst ist, wage ich zu bezweifeln, aber vermutlich wird sie zufrieden sein, weil sie ihr Ziel erreicht hat. Der Mann, der es gewagt hat, ihr nach vielen gemeinsamen Jahren den Laufpass zu gegeben, wird auf Umwegen dafür büßen.
Recht ist nicht Gerechtigkeit! bekommt jeder Jusstudent in dein Einführungsseminaren seines Studiums zu hören. Dieser Fall ist für mich ein Musterbeispiel dafür. Und noch einmal: ich entschuldige keinesfalls den Fehltritt des Lehrers, der wissen hätte müssen, dass er die Finger von dem reizvollen jungen Mädchen lassen muss. Aber wenn es danach geht, käme wohl so mancher Mann wegen seiner Beziehung zu einem frühreifen Mädel hinter Gitter. Dieser Paragraph, so denke ich, bedürfte dringend einer Korrektur und es sollte in Folge unter anderem die Mitverantwortung der Eltern unbedingt hervorgehoben werden
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