Neue Bohnen Zeitung


von Vivienne  –  Dezember 2004



Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen?

Kollege Einstein hat in seinem gestrigen Beitrag den Bohnelesern seine persönlichen Überlegungen und Erfahrungen zum und im Großstadtleben erläutert. Zweifellos hat er Recht, dass die Entscheidung entweder in der Stadt oder am Land zu leben eine sehr individuelle ist. Manch einer lebt einfach lieber in der Stadt, vielleicht weil er dort schon geboren wurde, der andere kann sich sein Leben nur am Land vorstellen, möglicherweise aus genau demselben Grund. Und ich muss zugeben, dass ich selber auch starke Affinitäten zum Landleben entwickelt habe. Ich liebe das Leben auf dem Land. Auch wenn es bisweilen etwas umständlich ist und man ohne Auto in einer ländlichen Gemeinde durchaus verloren sein kann (ganz im Gegensatz bei einer Wohnung in der Stadt) …

Deshalb würde ich auch nicht überall am Land leben wollen: Hauptsache Donau, Hauptsache Wald, Hauptsache Wanderwege…? Das allein macht es nicht aus! Der Bahnhof oder die Bushaltestelle sind für mich grundsätzlich gut erreichbar, mit dem Zug bin ich im Normalfall in einer guten Viertelstunde in Linz, der ÖBB-Bus braucht etwas länger, und da unter der Woche jede Stunde mindestens ein Zug in die Landeshauptstadt geht bzw. auch wieder retour, kann ich mich im Grunde nicht beklagen, abgeschieden zu leben. Was hingegen die Verbindung in die Bezirkshauptstadt Perg betrifft, ist sie leider unter jeder Kritik und dringende Amtswege bringen es immer wieder mit sich, dass man sich einen  Tag frei nehmen muss, wegen der „Weltreise“ in die Provinz…

Mit ein Grund, weswegen sich meine Begeisterung und Sympathie für Perg in Grenzen hält. Ich denke, es ist kein Dienst am Bürger, wenn man ein Auto braucht um dort in einigermaßen akzeptabler Zeit wichtige Dinge erledigen zu können. Damit meine ich aber nicht einmal so sehr, die Eingebundenheit meiner Gemeinde in den Busverkehr nach Perg. Es gibt im Bezirk Gemeinden, die am Wochenende oder in der Ferienzeit de facto fast abgeschnitten sind von der Zivilisation, und wenn ich das betonen darf: dort möchte ich auch nicht leben. Für’s Autofahren bin ich nun mal nicht geboren (ganz abgesehen von den Benzinpreisen, die die „fahrende Zunft“ um das Nötigste bringen), und ich lebe deshalb gern dort, wo ich mit Öffis gut versorgt bin. Und unabhängig…

Luftenberg bietet das in einer durchaus akzeptablen Weise, nicht perfekt, aber annehmbar. Wenig befahrene Straßen, Wälder, Natur, Ruhe… Rebhühner und Fasane im Feld, Rehe, die über die Straße laufen oder auch schon mal in unserem Garten stehen und sich am Salat gütlich tun. Der Igel, der nächtens vor unserer Haustür steht und die Flucht ergreift, wenn ich nach Hause komme. Dazu die Nähe zu meinem Lebensfluss, der Donau, die mich inspiriert, mir Kraft schenkt und wo ich Ruhe finde. Ich bin durchaus ein geselliger Mensch, halte mich auch gerne unter Menschen auf, aber ich brauche sie nicht immer.

Zu den Leuten in der Gemeinde pflege ich keine großen Kontakte. Man redet halt mal, aber Tiefgang haben die Unterhaltungen selten. Und das obwohl einige Schulkollegen von mir in der Umgebung leben, durchwegs mit ihren Familien. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass es mit ihnen kaum Gemeinsamkeiten gibt. Vor allem, da bei denen teilweise nicht einmal ein PC zu Hause anzufinden ist… Allerdings bin ich durchaus in das Leben der Pfarre integriert. Durch eine Nachbarin und einen jungen Bekannten greift man immer wieder bei verschiedenen Anlässen auf meine Dienste zurück. Jetzt zum Beispiel probe ich gerade mit „Schicksalsgenossen“ für den großen Auftritt bei der Christmette am 24. Dezember. Kurios muss man halt am Rande vermerken, dass man selbst durch diese sporadischen Einsätze plötzlich jemand ist in der Pfarre…

Meine engeren Kontakte pflege ich allerdings eher außerhalb der Gemeinde, und nicht wenige entstehen als allererstes einmal online. Vor wenigen Jahren hätte ich mir das kaum vorstellen können, aber die Möglichkeiten des World Wide Web vermitteln mir auch das Gefühl, selbst hier am Land, umgeben von Feldern und Bauernhöfen, nicht abgeschieden zu leben. Persönliche Kontakte sind mir trotzdem am liebsten. Durch einige menschliche Enttäuschungen in den letzen Jahren gehe ich mit dem Begriff Freundschaft mittlerweile sehr vorsichtig um. Die liebsten Menschen sind mir noch immer die, die nicht ständig um mich sein müssen, aber wenn ich sie wirklich brauche, da sind für mich – wie umgekehrt…

Zurück zum Landleben. Vielleicht denken Sie sich, liebe Leser, jetzt nach der Lektüre der bisherigen Zeilen: Ich weiß trotzdem nicht, warum Vivienne unbedingt am Land leben will. Das Meiste, das sie am Landleben so schätzt, findet sie in Linz auch. Kann ich durch aus nicht abstreiten, dieser Gedanke ist mir selber schon gekommen, wenngleich meine ausgedehnten Spaziergänge in der gewohnten Form in der Stadt sicher nicht möglich sind. Aber ich räume gern ein: irgendwie brauche ich das Stadtleben ja doch auch. Vor Jahren arbeitete ich einmal in Perg, und zu Mittag erfasste mich immer ein Gefühl der Beklemmung, wenn ich das Büro verließ um mir eine Jause zu kaufen. Die Beschränktheit der Provinzstadt in ihrer Überschaubarkeit erdrückte mich fast.

Es fehlte mir etwas ganz Entscheidendes: das rege Treiben der Linzer Innenstadt, der Verkehr, die Menschen und die vielen Geschäfte… Die hinterste Provinz ist wirklich nichts für mich, aber das Landleben gibt mir sehr viel, solange ich zusätzlich ein Bein in Linz habe. Vielleicht brauche ich auch beides, das habe ich noch nicht hinterfragt. Ich habe drei Jahre in der Stadt Salzburg gelebt, was allerdings auch schon über 15 Jahre her ist. Die Mozartstadt hat einen ganz besonderen Reiz, allerdings wäre mir das Leben dort auf Dauer zu teuer. Von den Touristenmassen gar nicht erst zu reden…Ich kann mir eine Rückkehr aus verschiedenen Gründen nicht vorstellen. Aber wozu in die Ferne schweifen…! Ich habe ja Linz vor der Haustür und auch zu schätzen gelernt. Und da muss ich mich wohl auch (noch) nicht wirklich zwischen Land- und Stadtleben entscheiden.

Vivienne

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