DIE BUNTE WELT VON VIVIENNE
von Vivienne – Dezember 2002
Ein bemerkenswertes Weihnachtsfest
Weihnachten das Fest der Liebe, Friede auf Erden, den Menschen ein Wohlgefallen. Weihnachtsmette und Friedenslicht, Kekse und Lebkuchen, Lametta und Kerzenschein klingt das nicht herrlich romantisch? Leider läuft die stillste Zeit des Jahres längst nicht mehr so ab, zumindest in den meisten Haushalten. Da ist der wahre Sinn dieses großen Festes längst verloren gegangen. Am Heiligen Abend zählt am meisten der Weihnachtsbraten, und natürlich ob die Geschenke in ausreichenden Mengen gekommen sind. Im Mittelpunkt stehen oft auch verschiedene Streitereien mit einzelnen Verwandten, weil es zu Weihnachten Brauch ist, alle Angehörigen einzuladen. Dass diese völlig unnötige Nähe zu Leuten, die einem nicht immer unbedingt sympathisch sind, zu Stress führt, ist nicht zu bestreiten. Dabei sollte es viel mehr Demut unter dem Weihnachtsbaum geben, Demut und Dankbarkeit dafür etwa, dass man mit dem Baum nicht abbrennt…
Es muss an die 10 Jahre her sein. Heiligabend, aber in der Natur von Schnee keine Spur, im Gegenteil.. Wir hatten Föhn, und vereinzelt blühten ein paar Goldregensträucher, dass es eine Freude gewesen wäre wenn, ja, wenn, wir Ende Februar, Anfang März gehabt hätten. Aber so herrschte einfach das typische mitteleuropäische Weihnachts-Durchschnittswetter vor, denn das Märchen von den Weißen Weihnachten war nur von Bing Crosby vor vielen Jahren in die Welt gesetzt worden, sehr ertragreich übrigens. Wie jedes Jahr zwängte ich eine viel zu große Nordmanntanne von Bellaflora in den damals viel zu kleinen Christbaumständer und gab mir alle Mühe, ihn hübsch zu schmücken. Dazwischen gab es immer wieder gute Tipps von meiner Mutter, die ich zwar absolut nicht gebrauchen konnte, die ich mir aber andererseits auch nicht verbieten wollte um den Weihnachtsfrieden zu wahren.
Allerdings bedurfte es schon einen enormen Aufwandes sie davon zu überzeugen, dass ich ein paar geschmacklose Uralt-Kugeln ganz bestimmt nicht aufhängen würde. Bis sie endlich den Raum verließ, gab es also eine Menge zu schlucken für mich. Aber wenigstens hatte ich jetzt meine Ruhe. Ich verteilte die roten Kerzen geschickt am Baum, setzte zum Abschluss den Spitz auf die Tanne und war ganz zufrieden mit dem Kompromiss, den ich meiner Mutter abgerungen hatte. Ich wusste zwar, dass Beatrice entsetzt sein würde ihr Freund Louis, mit dem sie gerade erst einige Wochen zusammen war, war ja in seiner Familie anderes gewohnt. Aber Louis schätzte ich als recht unkonventionell sein und ich machte mir keine wirklichen Sorgen deswegen. Und ich sollte Recht behalten. Also brachte ich noch rasch ein paar Spritzkerzen am Baum an, denn Bea drängte schon, das Essen war fertig. Und ich war ehrlich gesagt auch ziemlich müde vom Schmücken.
Der Fisch war eine Delikatesse, das Gemüse war hervorragend. Meine Mutter schmollte zwar ein wenig, sie hätte lieber wieder Bratwürstel gegessen wie all die Jahre zuvor, aber auch diese Klippe konnten wir geschickt umschiffen. Nur ja kein Streit, das war das Wichtigste. Anschließend widmeten wir uns dem Abwasch während meine Eltern Karten spielten und Louis den Kaffee aufsetzte, meldete mein Bruder Claudio vom Wetterbericht. +12° Grad jetzt gerade. Was für ein Weihnachten! Ich hasste zwar die Schnulze von Bing Crosby, aber ein wenig Schnee wäre trotzdem nicht schlecht gewesen. Wir saßen um den Tisch und passten auf, dass unsere Eltern beim Schnapsen nicht in Streit gerieten was sich ja nicht immer vermeiden ließ. Im Fernsehen lief Licht ins Dunkel und so viel salbungsvolles Sammeln von und Betteln um Spenden mit Prominenten ermüdete mich und ich gähnte, trotz der zweiten Tasse Kaffee, die ich nun schon trank.
Diese Müdigkeit sollte mir noch vergehen. Der Nachmittag zerrann zwar träge, aber der Zeiger rückte unaufhaltsam gegen 18:00 Uhr, die Stunde, zu der es bei uns immer zur Bescherung kommt. Schließlich gingen Beatrice und ich zum Christbaum um die Kerzen anzuzünden, als ich plötzlich die hektische Stimme unserer Mutter hörte. Ich ließ Bea allein und lief in die Küche. Da war aber nichts passiert, ihr war nur die Brille zu Boden gefallen, und die war Gott sei Dank heil geblieben. Gesammelt wandte sich die Familie nun ins Wohnzimmer, aber ich war plötzlich irritiert Geruch von Rauch stieg mir in die Nase. Beatrice würde doch nicht rauchen? Aber nein – der Christbaum brannte! Die Nordmanntanne, in der mein ganzes Herzblut steckte, hatte Feuer gefangen! Beatrice hatte, wie sie später erzählte, eine Spritzkerze angezündet, die leider zu knapp am Lametta Funken sprühte. Schnell hatte sich das Feuer auf umliegende Äste und ein paar Geschenke ausgebreitet. Claudio lief sofort nach Draußen und kam mit einem Eimer voll Sand zurück.
Louis schleppte den Feuerlöscher heran, doch die Flammen waren schon erstickt. Ich öffnete das Fenster, so dass der Rauch abziehen konnte. Jetzt waren wir erst in der Lage, das ganze Ausmaß des Brandes in Augenschein zu nehmen. Eine Seite des Baumes sah ziemlich mitgenommen aus, aber wir drehten den Baum so, dass seine ramponierten Äste in die Ecke blickten. Von den schöneren Kugeln war glücklicherweise keine verschmort. Bea war nervlich fertig, doch sie überspielte das geschickt. Aber als ich neben ihr stand, merkte ich wie sie zitterte. Leider waren zwei oder drei Geschenke ziemlich verkohlt, da war nichts mehr zu machen. Scheiß! dachte ich mir, Das auch noch!. Um die hektische Situation zu entspannen, nahm ich die Fernbedienung und schaltete den CD-Player ein.
Aber statt einem Kinderchor mit Leise rieselt der Schnee rockten Queen mit Its a kind of Magic aus den Lautsprecherboxen. Da erst fiel mir ein, dass ich vor ein paar Tagen die CD der britischen Rocker um Freddie Mercury im CD-Wechsler vergessen hatte. Meine Eltern blickten sich fast entsetzt an sie waren auf den Kinderchor eingestellt gewesen und mein Musikgeschmack war ihnen immer suspekt gewesen. Hastig wühlte ich in den CDs, nahm Queen raus und legte die Weihnachts-CD ein. Die Knaben begannen jetzt doch vom rieselnden Schnee zu singen. Ich sah aus dem Fenster, es hatte noch immer fast 10° Grad draußen. Wie sinnig mir ging momentan alles auf den Geist. Ich fixierte die brennenden Kerzen an der Baumruine, und fragte mich mit Herzklopfen, ob sie heute noch einmal in Flammen stehen würde. Mittlerweile hatte Bea als echtes Show-Talent die Verteilung der Geschenke übernommen. Die paar verbrannten Päckchen hatte Louis schon verschwinden lassen, damit es keinen peinlichen Moment mehr geben würde.
Gute Laune breitete sich aus im Wohnzimmer. Ich stand auf und schloss das Fenster wieder. Im Moment war ich einfach sauer und verwünschte mich selbst. Mit meinen hohen Erwartungen an Weihnachten, die ich jedes Jahr wieder hatte und die mit schöner Regelmäßigkeit wieder und wieder enttäuscht wurden. Na, was haben wir denn da? Beas Stimme klang irgendwie aus einer anderen Welt an mein Ohr. Ja, was ist denn da drinnen? So ein großes Paket. Ich hörte, wie sie es schüttelte. Gold und Diamanten etwa? Und für wen ist es, was steht da für ein Name? Vivienne! Es gab mir einen Stich, und ich kehrte aus meiner Welt der trüben Gedanken in unser Wohnzimmer zurück. Bea trat an mich heran, zischte mir ein halblautes Schau nicht so grimmig! zu und drückte mir das Paket grinsend in die Hände… Da musste ich zum ersten Mal an dem Abend lachen.
Der Show-Effekt, den Bea immer in die Weihnachtsbescherung brachte, verfehlte auch heuer seine Wirkung nicht. Die wenigen Geschenke, die Opfer des Brandes geworden waren, wurden auch nicht vermisst. Es waren anscheinend nur Belanglosigkeiten drinnen gewesen. Ich kann mich nicht mehr erinnern, was ich an diesem Weihnachtsfest geschenkt bekam. Darum ging es auch gar nicht. Es ging darum, dass wir am nächsten Tag beim Frühstück schon Witze rissen über die brennende Nordmanntanne und über die Queen-Rocker, die mit A Kind of Magic die Bescherung eingeleitet hatten. Gott sei Dank war nichts wirklich passiert. Ein wenig weiße Farbe auf die Wände des Wohnzimmers und kein Mensch würde mehr etwas merken davon, dass der Baum gebrannt hatte. Alles andere war ersetzbar wie viele Wohnungen brennen jedes Jahr wieder aus, weil auf Adventskränzen oder Weihnachtsbäumen Kerzen unbeaufsichtigt oder fahrlässig niederbrennen?
Da konnte man doch nur sagen: ein kleines Weihnachtswunder war passiert. Und deshalb gab es auch in Wirklichkeit keinen Grund für mich, Trübsal zu blasen. Was ich immer wieder gern vergesse: Ein wenig Demut und weniger Harmoniesucht stünden nicht nur mir sondern auch den meisten anderen Menschen besser an. Erwarte dir nichts, und du bekommst so viel….
Frohes Weihnachtsfest!
Vivienne
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