von Vivienne – Dezember 2004
Ein ganz besonderes Wunder…
Viele Menschen sind unzufrieden mit ihrem Leben. Sie hadern mit sich selbst, mit den Gegebenheiten und sind nicht in der Lage, das zu schätzen, was sie haben Oft schon beschrieb ich diesen Anachronismus, Sie, liebe Leser, haben immer wieder in anderen Beiträgen von mir davon gelesen. So genannte Wunder, nach denen nicht wenige Hände ringend schreien, passieren aber sehr viel öfter als man meint. Viel zu oft geraten sie in Vergessenheit, weil man dazu neigt, sich im Leid zu verbeißen statt für Dinge dankbar zu sein, die absolut nicht selbstverständlich sind
Dezember 1999. Ich litt unter einer starken Bronchitis, der Verdruss in der Arbeit war überdies nicht dazu angetan, mich besser zu fühlen. Im Grunde hatte ich das Gefühl, unter dem Stress ich arbeitete halbtags in einem Frauenprojekt, engagierte mich regelmäßig für eine Radiosendung eines Privatsenders und studierte nebenbei an der Linzer Pädak einen neuen Medienbereich irgendjemandem gerecht zu werden. Unsere Chefin, die von Tuten und Blasen keine Ahnung hatte und auch nicht musste, weil sie über Vitamin B an die Spitze des Projektes gekommen war, hatte mich zu ihrem persönlichen Feindbild auserkoren.
Dieser Anspannung konnte ich irgendwann nicht mehr standhalten, daher die langwierige Bronchitis. Weihnachten stand zwar vor der Tür, aber ich konnte mich nicht wirklich freuen. Morgen würde ich wieder in die Arbeit müssen, und auch wenn ich die paar Tage bis Weihnachten noch irgendwie hinüberbringen würde, war meine Stimmung am Tiefpunkt. Ich lag in meinem Bett, das Radio erfüllte den Raum mit poppiger Weihnachtsmusik und ich grübelte dazu. Neben dem Bett stand mein Couchtisch, auf dem ich eine Vase mit Barbarazweigerl drapiert hatte. Um dem Ganzen noch etwas Pfiff zu verleihen, hatte ich etwas billigen Weihnachtsschmuck auf den Zweigen verteilt.
Daneben brannte eine blaue Kerze, aber heute vermochte nicht einmal das milde Licht meiner Seele Frieden zu schenken. Irgendwann döste ich ein, als mein Bruder an die Tür klopfte. Du, wir essen! nickte er mir zu. Möchtest nicht kommen und mit uns schmausen? Ich hatte genau genommen keinen Hunger, mir war zudem oft schlecht von den Antibiotika, die ich nehmen musste, aber mein Bruder blickte mich so treuherzig an, dass ich seufzend aufstand und mit ihm nach oben ging. Einen Teller Suppe brachte ich tatsächlich hinunter, und da irgendein Weltcuprennen lief, blieb ich länger im Wohnzimmer meiner Eltern, als ich geplant hatte. Schließlich gab es einen Sieg von Hermann Maier zu vermelden, die Familie war zufrieden und ich zog mich wieder in meine Räumlichkeiten zurück.
Ich war noch immer sehr verkühlt, trotzdem fiel mir beim Eintreten ein sehr strenger Geruch auf. Sofort kippte ich die Fenster, aber Sie kennen das bei sich selber wohl auch: der Geruchssinn ist bei einem Infekt oft stark angeschlagen und darum war mir auch nicht klar, was das für ein Geruch war. Ich legte mich wieder auf das Bett und grübelte weiter. Im Grunde wusste ich genau, dass die Situation nicht so weiter gehen konnte bei uns im Projekt. Ich zerrieb mich zwischen den Fronten in der Arbeit und dazu kam ich vor Stress fast um Mein Blick schweifte durch den Raum und blieb an den Barabarzweigen hängen. Plötzlich wurde ich stutzig, etwas irritierte mich. Ich setzte mich auf und musterte die Zweige. Die Kerze war ausgegangen, und daneben lag ein Stück verschmortes Plastik, gold und voller Ruß. Ich nahm das Stück und wandte es prüfend zwischen den Fingern. Plötzlich wurde mir heiß.
Die Vase stand auf einer riesigen runden Häkeldecke, die ich in vielen Stunden geschaffen hatte. In der Decke war ein Loch, mit schwarzem Rand, also eindeutig gebrannt und als ich sie anhob, stellte ich fest, dass sich auf dem Couchtisch direkt darunter ein großer, unregelmäßiger schwarzer Brandfleck befand. Sauber begrenzt, etwa zehn Zentimeter an der breitesten Stelle. Ich atmete hektisch: es hatte gebrannt, ganz sicher. Letztlich war es nicht schwierig, den Fall zu rekonstruieren. Eine Plastikkugel in Gold war vom Zweig gerutscht, direkt auf die Kerze. Das Plastik hatte sofort zu brennen begonnen, es schmolz, steckte die Decke in Brand und auch der Tisch kohlte. Aber nicht lange. Irgendwann hatte das Feuer zu wenig Kraft gehabt, es war wieder erloschen.
Ich sah mich um bei mir: Decken, Teppiche, Kerzen, meine Möbel wäre erst der Tisch in Brand gestanden, hätten sich die Flammen im Nu in meinen Räumlichkeiten ausgebreitet. Gegenüber befindet sich der Heizraum mit dem Brennmaterial. Während wir Hermann Maier zujubelten, hätte der Brand fast unbemerkt das ganze Haus erfassen können, wenn nicht Ja, wenn nicht die Flammen erstickt wären. Von selbst. Oder doch nicht von selbst? Es war der 21. Dezember
Ich habe immer wieder darüber gerätselt. Mehrere seltsame Zufälle waren in jener Stunde zusammengekommen. Dass die Plastikkugel vom Zweig rutschte, und das direkt auf die brennende Kerze, die ich unvorsichtigerweise nicht ausgemacht hatte. Ein Glimmbrand war entstanden, der wie durch ein Wunder kaum Schaden anrichtete. Zufall? Einfach Glück? Oder mein Schutzengel? Wenige Monate zuvor war ich in einen neuen Lebensabschnitt eingetreten, in dem sich in der Folge bildlich gesprochen – Hagel und Schneesturm abwechselten. Geheuchelte Liebe, falsche Freundschaften, Lüge, Neid, Berechnung und Intrigen machten mir das Leben schwer, manchmal fast unerträglich. Aber irgendwie überwand ich alles und ging gestärkt daraus hervor. Dieselbe schützende Hand, die die Brandkatastrophe verhindert hatte, führte mich auch wieder in ruhigere Gefilde. Gott, mein Schutzengel oder einfach ein gütiges Geschick Sie dürfen es sich aussuchen
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