von Vivienne – Mai 2004
Männer – eine seltsame Spezies, Teil 3
Mittlerweile leben Albert und ich fast drei Jahre zusammen. In getrennten Wohnungen zwar, aber wir verbringen unsere Wochenenden und unseren Urlaub (fast) immer zusammen. Den Großteil unserer gemeinsamen Zeit halten wir uns natürlich in meiner Wohnung auf, aber in regelmäßigen Abständen finden wir uns auch immer wieder in Alberts Wohnung ein, aus verschiedenen Anlässen: um uns mit Alberts Eltern oder Verwandten zu treffen, oder aus anderen, individuellen Gründen, die sich ergeben.
Selbstverständlich hab ich das eine oder andere mal gefragt, ob wir uns nicht endlich eine gemeinsame Wohnung leisten sollten, schon um Miete und Betriebskosten zu sparen. Aber in diesem Moment kommt in mir stets Angst auf, Angst, dass unsere Beziehung, die im Besonderen von der Kostbarkeit unserer gemeinsamen Zeit lebt, dem Alltag nicht standhalten könnte. Und darum verdrängte ich den mit schöner Regelmäßigkeit auftauchenden Gedanken wieder. Es läuft so gut zwischen uns, warum dieses Glück unnötig aufs Spiel setzen? Wir führen eben eine moderne Beziehung, daran ist nichts Ungewöhnliches mehr.
Umso erstaunter war ich, als Albert selber vor einigen Wochen die Rede auf dieses Thema brachte. Albert war an jenem Freitagnachmittag etwas wortkarg bei mir eingetroffen und wirkte auf mich etwas abwesend und in Gedanken verloren. Während ich auf Probleme in der Arbeit tippte, saß Albert fünf Minuten fast wortlos mir gegenüber und sah mich nicht einmal an. Sein Kaffee wurde kalt, und er merkte es gar nicht. Ich begann mir schon Sorgen zu machen, als er plötzlich aufsah und fast aus dem Nichts entschieden sagte: Wir werden uns eine gemeinsame Wohnung nehmen.
Ich glaubte meinen Worten nicht zu trauen. Eine gemeinsame Wohnung? Albert erwiderte meinen fragenden Blick Ja, das werden wir. Ich werde mich darum kümmern, es wird Zeit. Ich schüttelte den Kopf. Was war bloß mit Ali los? Ich nahm seine Hand, streichelte sie sanft und fragte leise, fast monoton: Warum diese Eile, Albert? Und wozu etwas ändern, dass sich bewährt hat? Albert sah müde aus und ich sah dass sich etwas mehr graue Haare als sonst in seinem dichten dunklen Kopfhaar befanden. Eine ganze Weile sagte Albert gar nichts, sein Blick schweifte durch den Raum. Er wirkte unruhig und etwas angespannt.
Alice ist wieder in Linz. Ich begriff nicht ganz. Alice war Alberts Schwester, die seit über zehn Jahren in Köln lebte und arbeitete. Ich hatte sie erst einmal getroffen, das war vor über einem Jahr gewesen, als wir uns bei einer Familienfeier kennen gelernt hatten. Alice war der Liebe wegen nach Deutschland gegangen, aber vor einiger Zeit war die Ehe, die kinderlos geblieben war, auseinander gebrochen. Nichts Neues in einer Zeit der steigenden Scheidungsraten, und um Allerheiligen erst hatte Albert etwas in der Richtung erwähnt, dass Alice frisch verliebt wäre, aber ich muss gestehen, dass ich mir den Kopf wenig darüber zerbrochen hatte.
Ich kannte Alis Schwester zu wenig, mein Eindruck von ihr war blass und farblos. Albert zündete sich eine Zigarette an und paffte oberflächlich um sich zu beruhigen. Alice hat mich gestern Abend angerufen. Ihr feiner Freund hat sie von Anfang an hintergangen. Fast ein dreiviertel Jahr hat sie mit dem Kerl zusammen gelebt, bis sie bemerkte, dass er verheiratet ist und zwei Kinder hat. Ich könnte ihn verprügeln, weiß du das, Vivi? Albert zitterte leicht, als er sich zu mir drehte. Er hat Alice total fertig gemacht.
Ich legte meinen Arm um Ali und redete leise auf ihn ein. Schließlich beruhigte er sich ein wenig und fuhr fort. Alice war so glücklich. Der Typ wirkte so nett, sympathisch und fast bodenständig, bescheiden, liebevoll und so aufmerksam so hat sie ihn immer wieder beschrieben. Seltsam war an seinem Verhalten nur, dass er immer nur in ihre Wohnung kam, sie hat in den acht Monaten, die sie wie sie glaubte mit ihm gelebt hat, nie einen Blick in seine Wohnung werfen dürfen. Dafür hat er immer sehr plausible Ausreden geliefert, die ganz überzeugend klangen. Und abends war er nie am Handy zu erreichen, es war immer ausgeschaltet. Eine Kollegin hat Alice schließlich den Beweis geliefert. Gemeinsam haben sie ihn beobachtet und mit seiner Familie fotografiert.
Ali begann wieder zu zittern. So ein erbärmlicher Kerl. Als sie es ihm auf den Kopf zusagte, bestritt er alles. Ja, er schrie sogar, sie wäre verrückt. Bis sie ihm die Fotos hinlegte. Da ist er dann wortlos weggelaufen. Heute Morgen ist Alice in Linz gelandet, sie hat sich 10 Tage frei genommen und lebt momentan bei meinen Eltern. Sie braucht Abstand Albert lehnte seinen Kopf an meine Schulter und schwieg wieder. Ich ließ mir seine Erzählung durch den Kopf gehen. Was hatte das Pech seiner Schwester mit uns zu tun? Glaubte Albert am Ende auch ich würde ihn betrügen? Oder wollte er einfach vorbeugen?
Ich strich sanft über Alis Nacken und fragte ihn. Albert, willst du etwa deswegen, dass wir richtig zusammen ziehen sollen? Ist dass der Grund? Mein Freund blickte auf. Vivi, versteh mich jetzt nicht falsch, natürlich will ich dir nicht unterstellen, dass du auch einen Ehemann und zwei Kinder neben mir hast. Aber ich wünsche mir schon länger, dass wir noch intensiver zusammen gehören. Wann sehen wir uns denn? Was weiß denn einer vom anderen, was er unter der Woche treibt? Im Grunde führen wir doch keine wirkliche Beziehung.
Sag nichts! legte Albert seinem Zeigefinger auf meine Lippen. Er wollte meinen Einspruch nicht hören. Nicht jetzt.. Ich weiß was du einwerfen möchtest. Eine bewährte Sache soll man nicht ändern, nicht wahr? Das denkst du? Aber ich bin der Meinung, dass man sich weiter entwickeln soll, auch wir müssen unsere Beziehung weiterentwickeln. Und ich denke, dass sie jetzt stark genug ist, so stark, dass wir auch diesen Schritt weitergehen können. Wir schaffen das, Vivi, ja? Albert drückte mich ganz fest und unwillkürlich musste ich lächeln. Meine Scheinschwangerschaft vor einem guten Jahr war mir eingefallen, damals war das erste Mal ein Vorstoß von ihm in Sachen gemeinsamer Wohnung gekommen.
Das soll einer noch sagen, dass nur wir Frauen nicht zu verstehen wären. Ein Männerhirn ist im Vergleich dazu doch noch viel schwieriger zu durchschauen. Gut, antwortete ich, wenn du meinst dann gehen wirs halt an.
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