Der Bauer war für ein paar Tage weggefahren. Er musste ein paar Anschaffungen machen. Und vielleicht, so hatte Rolf Melissa heimlich erzählt, würde er ein neues Auto kaufen.
Philip hatte sein „Bad im Heu“ ganz gut überstanden. Er mied aber trotzdem seither den Heuschober. Man konnte dem feuerroten Kater beinahe beim Wachsen zusehen. Wenn er auf dem Hof stand, leuchtete sein Fell in der Sonne. Die Tiere hatten ihn recht gern. Stefan war auch schon ein sehr ansehnlicher Igel geworden.
Der Teich war schon länger fast ausgetrocknet. Daher hatte er für Kater und Igel seinen Reiz verloren. Viel lieber waren sie jetzt bei Ferdi im Stall oder auf der Koppel. Sie lauschten seinen Erzählungen. Ferdi erzählte gerade von Jagdausflügen, bei denen Wildtiere wie Füchse erlegt wurden. Der Gedanke, dass Tiere getötet werden, machte den beiden Angst.
„Warum tun die Menschen das?“ wollte Stefan wissen.
„Nun,“ versuchte Ferdi zu erklären, “ ihr zwei fängt Mäuse, um essen zu können. Der Mensch tut das auch. Zwar nicht Mäuse, aber andere Tiere. Und da er nicht sehr stark ist und nicht schnell, braucht er Waffen.“
„Darf ich einmal auf dir reiten?“ fragte Philip.
„Wie willst du auf meinen Rücken kommen?“ lachte Ferdi.
Philip nahm zweimal, dreimal Anlauf. Doch er schaffte es nicht. Ferdi blickte ihn treuherzig an. Sein Schweif verjagte einen Schwarm Fliegen, die ihn fast ständig umschwirrten.
„Vielleicht, wenn ich auf das Gatter klettere…“ murmelte der Kater.
Ferdi wollte es ihm ausreden. Doch der Kater kletterte unbeirrt weiter. Da erzitterte das Gatter. Anton, der Hammel, war mit dem Kopf dagegen gelaufen. Philip fiel beinahe herunter.
„Was ist los?“ fragte Stefan.
„Kommt mit!“ antwortete Anton.
Er war kein großer Redner. Vieles, was man ihm sagte, vergaß er wieder.
Das Schaf Erika hatte im Mai zwei Junge bekommen. Moritz und Matilda. Moritz war ein Wildfang. Schon zweimal hatte der Tierarzt seine Wunden verbinden müssen. Weinend erzählte Erika Philip und Stefan, dass Moritz verschwunden war. Seit einer Stunde hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Philip und Stefan durchsuchten die Weide, auf der sich die Schafe aufhielten. Stefan entdeckte ein blutiges Loch am Zaun. „Er ist sicher hinausgelaufen!“ war Stefan klar.
Philip beschloß dem Lamm zu folgen.
„Aber du warst doch noch nie draußen!“ widersprach der Igel.
„Du läufst zu Rolf!“ antwortete Philip.
Dann kroch er durch die Öffnung. Der Geruch von Moritz war schwach. Im hohen Gras vor dem Wald war es schwer, vorwärts zu kommen.
Plötzlich war ein leises „Mäh“ zu hören. Moritz lag am Waldrand. Er hielt sein blutendes Bein an sich gepresst. Philip redete ruhig auf ihn ein. Aber das Schaf hörte nicht auf ihn. „Ich werde sterben,“ jammerte Moritz. „Oh, wie tut das weh!“
Philip war ärgerlich. Das Lamm war nicht schlimm verletzt. Aber es tat sich selber leid. Der Kater bat das Lamm noch einmal aufzustehen. Er merkte nicht, dass jemand lautlos von hinten näher kam. Erst als ein dünner Ast knackte, drehte er sich um. Dann erschrak Philip.
Ingolf stand wenige Schritte von ihm entfernt. Im ersten Moment wollte Philip weglaufen. Aber er konnte Moritz nicht im Stich lassen.
Ingolf grinste böse: “ Verschwinde, roter Kater. Diese Beute nimmst du mir nicht!“ Er bleckte die Zähne. „Sonst freß‘ ich dich als Vorspeise.“ Der Fuchs leckte sich voller Appetit die Schnauze.
Moritz begann wieder zu weinen. Ingolf warf dem Schaf einen hungrigen Blick zu. Da sprang Philip auf den Fuchs zu und biss ihn in die weiche Nase. Der Kater erschrak, als er Ingolfs wütendes Gesicht sah. Oh weh, dachte er.
Doch dann hörte er Rolf bellen. Auch waren jetzt laute Stimmen zu hören. Ingolf knurrte. Rolf erschien auf der Lichtung und stürmte auf den Fuchs los. Der warf Philip einen bitterbösen Blick zu. Der Kater spürte seine Wut. Die Bäuerin und der Knecht kamen nun auch heran. Die Bäuerin hatte die Schrottflinte in der Hand.“ „Das wird dir noch Leid tun!“ rief Ingolf Philip zu. Mit ein paar Sprüngen verschwand er im hohen Gras. Rolf wollte ihm folgen. Doch der Knecht pfiff ihn zurück.
Die Bäuerin bückte sich zu Philip und streichelte ihn. Dann nahm sie das wehleidige Lamm auf den Arm. Philip ritt auf Rolfs Rücken zurück. Er war verstört. Nicht nur, weil der Fuchs ihm gedroht hatte. Er erkannte wie furchtbar es ist, ein Leben ohne Freunde zu führen.
Ohne einen einzigen Freund.