Nach Ingolfs Tod wurde das Leben auf dem Hof sehr beschaulich. Die Hühner waren weniger aufgeregt. Und Philip war auch ein Stein vom Herzen gefallen.
Das Wetter wurde veränderlich. Oft regnete es; und am Morgen hing dichter Nebel in der Luft. Melissa spürte Ihre Knochen. Auch Rolf klagte öfter, er werde alt. Die Bäume verloren ihre bunten Blätter.
Für Philip waren diese Veränderungen ein Rätsel. Er hatte den Wechsel der Jahreszeiten noch nicht durchgemacht. Sein Fell wurde dichter. „Im Winter wird es noch sehr viel kälter!“ antwortete Melissa auf seine Frage. „Warte nur bis es schneit.“
Philip war verwirrt.
Er hatte keine Ahnung, was Schnee war. Wenn dieser Schnee aber kalt war, dann wollte er es gar nicht wissen.
Auch Stefans Verhalten wurde immer sonderbarer. Nicht nur, dass er ständig Hunger hatte. Schließlich gab es ja genug Mäuse auf dem Hof. Aber er war nicht mehr so zum Spaßen aufgelegt. Auch für kleine Entdeckungsreisen hatte er keine Zeit.
„Was ist los mit dir?“ fragte Philip verzagt. Stefan sah ihn verständnislos an. Melissa beobachtete ihren traurigen Sohn. Sie kannte den Grund für Stefans Appetit; und sie wusste, warum er nicht mehr so viel spielen wollte.
Rolf riet ihr, mit Philip zu reden. Melissa schüttelte den Kopf. „Er würde mir nicht glauben. Als junger Kater weiß er noch nichts vom Leben. Er glaubt natürlich, dass Stefan für immer bei uns bleibt.“
Philip war in der Koppel. Er lauschte aufmerksam einer von Ferdis Erzählungen. Stefan trieb sich irgendwo am Hof herum. Er schnüffelte in jeden Laubhaufen; seit dem Sommer war er fast fett geworden. Philip beklagte sich, dass Stefan nicht mehr sein Freund sei. „Nur mehr das Essen macht ihm Spaß!“ Ferdi wunderte sich nicht. „Natürlich frisst er jetzt viel. Er muss ja einen Winterschlaf halten.“
Philip brachte sein Maul nicht mehr zu. „Ein Winterschlaf?“
„Wusstest du das nicht?“ begann Ferdi seine Erklärung. „Ein Igel findet im Winter nämlich nicht genug zu essen. Deshalb frisst er sich im Sommer groß und fett. Im Winter schläft er dann. Wenn es wieder warm wird, erwacht er dann. So, als hätte er nur eine Nacht geschlafen.“
„Du schwindelst mich an!“ rief Philip.
„Frag‘ doch deine Mutter“, blieb das Pferd ganz ruhig. „Sie wird dir dasselbe sagen.“
Philip rannte zornig weg. Mit der Pfote wischte er sich ein paar Tränen weg. Stefan würde ihn doch niemals verlassen.
Seine Augen füllten sich wieder mit Tränen.
Melissa sah ihn gütig an. „Ferdi hat recht“, sagte sie sanft. „Aber er ist doch mein Freund!“ schluchzte Philip. „Das wird er auch bleiben“, beruhigte ihn Melissa. „aber er kann im Winter nicht so leben wie wir.“
Der rote Kater war traurig. Er saß mit Stefan vor der Scheune. Ein kalter Wind blies; der Mond war nicht zu sehen. Auch Stefan war bedrückt. Die beiden mussten Abschied nehmen.
„Ich komme im Frühjahr wieder“, versprach der Igel.
Ihm war auch zum Weinen zumute.
Philip konnte nichts sagen. Er lehnte sich nur an seinen Freund und weinte.
Stefan gab sich einen Ruck.
„Was sind schon drei oder vier Monate?“ meinte er fest. „Du solltest froh für mich sein. Ich kann in einem warmen Laubhaufen schlafen. Du musst in der Kälte deine Mäuse fangen. Oder im Schnee sitzen!“
Da musste Philip lachen. Seine Tränen trockneten.
„Mein Freund“, sagte Stefan leise und bewegt.
„Mein Freund“, antwortete Philip aus ganzem Herzen.
Sie stupsten noch einmal ihre Nasen aneinander. Die Augen der beiden Freunde glänzten. Der Wind begann stärker zu wehen. Philip und Stefan sahen sich noch einmal an. Dann lief der Igel rasch über den Hof; zu den Laubhaufen.
Bis zum Frühjahr, dachte Philip.
Er blickte noch lange in die Nacht hinaus; erst spät ging er in die Scheune. Melissa schien zu schlafen. Aber sie hatte ihren Sohn gehört und gesehen. Philip starrte den Korb an. Schließlich rollte er sich in einer Ecke ein.
Am nächsten Morgen kam Rolf früh zu den beiden. Philip wollte noch schlafen; aber der Hund stupste ihn an. „Wer wird denn so müde sein?“ zog er ihn auf. „Komm, ich zeig dir etwas!“ Unmutig folgte ihm der Kater. Am Teich traute Philip seinen Augen nicht.
„Wie ist das möglich?“ fragte er. Vorsichtig tapste er auf die dünne Eisschicht. Rolf lachte. Philip war ganz fasziniert. Er beobachtete die dünnen Luftblasen unter dem Eis.
Er rief Rolf zu: „Komm‘ doch auch herauf!“ Rolf lehnte dankend ab. Die dünne Schicht wäre unter ihm geborsten.
Melissa sah den beiden zu.
Sie lächelte zufrieden.