Telefonterror!

Ich blätterte die Zeitung durch. Sonntagmorgen und so ein richtiger Tag zum Faulenzen, aber mir war gerade gar nicht so zum Tagträumen und Relaxen. Ganz im Gegenteil. Ich hatte nämlich einen Bericht im Innenteil der Zeitung gefunden, der mich nachdenklich gemacht hatte. Eine junge Frau wurde von ihrem früheren Freund verfolgt. Der Mann wollte weder das Ende der Beziehung noch den neuen Partner seiner Ex akzeptieren, weswegen er diesen immer wieder telefonisch bedrohte und ihm schließlich sogar auflauerte. Ein Stalker par exzellence, wie es im Fachjargon heißt, aber immerhin war der Mann nun doch gefasst worden und saß in Untersuchungshaft…

Ich ließ die Zeitung sinken und dachte nach. Albert werkte noch im Bad, ich hörte ihn vergnügt pfeifen, während der Rasierapparat surrte. Was war das bloß für ein Mensch! ging mir durch den Kopf. Wie kann ich einen Menschen nur als alleiniges lebenslanges Eigentum ansehen? Hart presste ich die Lippen aufeinander, es musste sieben oder acht Jahre her sein, als ich mich Hals über Kopf in einen Mann verliebte, der leider gebunden war. Als er mir das gestand, war ich im ersten Augenblick getroffen, um nicht zu sagen enttäuscht, aber mir wurde schnell klar, dass ich nicht die Zweitfrau spielen konnte und wollte. Der Mann meines Herzens, Horst Gabriel, reagierte erstaunt darauf, dass ich kurzerhand wieder mit ihm Schluss machte.

Es muss wohl noch immer schwer vorstellbar für einen Mann sein, dass man sich nicht als Nebenfrau hergibt. Aber nach zwei Wochen stand er völlig überraschend vor meiner Wohnungstür. „Ich habe sie verlassen“, sagte er nur, und auch wenn ich zunächst zweifelte, er hatte mich nicht belogen. Er zog zu mir in meine Wohnung, meldete sich um, und wenn seine frühere Gefährtin, eine gewisse Birgitta Holzmann, am Handy anrief, legte er auf. Ich war ehrlich gesagt baff, mehr als das: das erste Mal in meinem Leben lernte ich das Gefühl kennen, dass sich jemand im Zweifelsfall für mich entschieden hatte. Allerdings konnte ich mich nicht lange dieses Gefühls erfreuen.

Zunächst kam dieser anonyme Brief, in dem ich unflätig beschimpft wurde und in dem mir eine augenscheinlich heftig gestörte Person mit dem Umbringen drohte. Ich erschrak, aber Horst beruhigte mich – er hielt das ganze nur für einen makabren Scherz. Ich war schon geneigt ihm zu glauben, als ich kurz darauf bei meiner Heimkehr von der Arbeit vor dem Wohnblock von einem Stein getroffen wurde. Ich blutete sogar leicht, weil das Wurfgeschoss nicht einmal so klein und außerdem sehr spitz beschaffen war. Horst war unglaublich besorgt und ich bin mir heute sicher, dass er damals schon eine Ahnung hatte, wer hinter dem Ganzen steckte.

Schließlich setzte der Telefonterror ein. Mitten in der Nacht wurde ich mit unterdrückter Nummer angerufen, übel beschimpft und bedroht, und als ich auf Horsts Rat hin das Handy nächtens einfach ausschaltete, wurde meine Mailbox mit dem Unrat voll gelabert. Ich deaktivierte meine Mailbox und erhielt daraufhin SMS, vom Internet aus geschrieben, sodass der Absender nicht nachvollziehbar war. „Bring dich um!“ oder „Bist du auf Drogen? Ich mach dich kaputt!“ so oder ähnlich lauteten die Freundlichkeiten und irgendwann war ich mit den Nerven fertig. Wenn nur das Handy läutete, schrak ich schon zusammen. Ich war mit Horst auf der Polizei, aber man konnte im Moment wenig tun gegen die Person. Horst verhielt sich sehr aufmerksam und liebvoll, aber er wusste damals sehr genau, dass seine Exfreundin Birgitta Holzmann ihn nicht loslassen konnte…

Sie wollte mich fertig machen, weil ich ihr den Mann weggenommen hatte. Das hatte sie auch Horst schon gedroht, als er ihr den Laufpass gegeben hatte. Er selber hatte das zunächst nicht ernst genommen, und bis heute weiß ich nicht, warum er mir nicht früher alles erklärte. Immerhin musste ihm doch bewusst sein, dass ich mich teilweise am Rande eines Nervenzusammenbruchs befand. Erst als mich Birgitta an einem Morgen auf dem Weg zur Arbeit regelrecht überfiel und mich mit einem großen Stein niederschlagen wollte, kam die Sache auf. Jemand vor der Bushaltestelle kam mir unerwartet zu Hilfe, überwältigte die Tobende und rief die Polizei.

Diese Frau, Birgitta Holzmann, muss in ihrem Hass nicht mehr ganz zurechnungsfähig gewesen sein. Selbst auf der Polizei noch brüllte sie wie am Spieß, dass sie mich fertig machen würde… Sie hielt sich einige Zeit stationär in einer Nervenheilanstalt auf und bekam später einen Prozess, aber ich hatte nichts mehr mit ihr zu tun. Von Horst habe ich mich kurz nach dem Überfall durch seine Ex getrennt. Ich konnte ihm nicht vergeben, dass er mir nichts von seinem Verdacht und Birgitta Holzmanns Drohungen im Vorfeld erzählte hatte. Mir wäre einiges erspart geblieben, wenn er nicht indirekt seine Exfreundin durch sein Schweigen gedeckt hätte, weil er sich schuldig gefühlt hatte.

Ich verließ Horst also, nahm mir eine Wohnung in einem anderen Viertel von Linz und seither ist meine Handynummer auch geheim… Überrascht blickte ich auf, als Ali vor mir stand, glatt rasiert und verschmitzt lächelnd. Ich war für einen Moment in die Vergangenheit abgeglitten, in einen Abschnitt der Vergangenheit, der wehgetan hatte, denn diese Zeitspanne war schlimm für mich gewesen, sehr schlimm sogar. Aber davon musste ich Ali jetzt nichts erzählen, ich ließ mich in seine Arme nehmen und widmete mich erfreulicheren Dingen…

© Vivienne

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