BEMERKENSWERTE FILME
von Vivienne – Oktober 2003
„Sabrina“
Es war einmal ein bezauberndes Filmmärchen. Schwarzweiß, leichtfüßig inszeniert und voller Charme. Audrey Heburn, rehäugige, aparte Schönheit aus den 50er und 60er Jahren, betörte mit ihrer Film-Wandlung vom unscheinbaren Teenager zur bildschönen Frau gleich zwei Kaliber unter Hollywoods Größen: Humphrey Bogart und William Holden. Billy Wilder, Kult-Regisseur mit österreichischer Vergangenheit, schuf mit dieser Romanze ein Stück Filmgeschichte wie es schöner nicht sein kann… und unvergänglich.
Doch über Sabrina aus dem Jahre 1954 möchte ich heute nicht reden. In den 90er Jahren, genau genommen 1995, wagte sich Sydney Pollack, oscarprämiert (Jenseits von Afrika) und erfolgsverwöhnt (Tootsie) an diesen Filmstoff, der eigentlich unmöglich vergleichbar genial in Szene gesetzt werden konnte. Allein Pollack scheute nicht das Risiko, wohl wissend, dass auch ein guter Regisseur einen Klassiker wie Sabrina nicht besser sondern höchstens anders gestalten kann. An dieses einfache Konzept hielt er sich dann, und er veränderte letztlich auch nicht zu viel, sondern gerade was nötig war, um dem Remake eine eigene Dimension zu geben.
Kurz zum Inhalt, aber wer kennt den eigentlich noch nicht: Sabrina, Tochter des Chaffeurs der reichen Larrabees, ist unsterblich in David, den jüngeren Sohn der Familie – Playboy, Schürzenjäger, Lebemann verliebt, der sie nicht einmal wirklich kennt. Um dem ein Ende zu bereiten, schickt sie ihr Vater nach Paris, damit sie dort eine versierte Ausbildung erhält. Amerika ist mein Land, und Paris ist meine Heimatstadt. Trotz der Verlockungen der Stadt der Liebe kann Sabrina David nicht vergessen, aber als sie zurückkehrt, ist sie eine bezaubernde, schöne Frau geworden, die plötzlich auch für David interessant wird. Es scheint, als hätte Sabrina ihr lang gehegtes Ziel erreicht, aber das neue amouröse Abenteuer seines kleines Bruders ruft Linus Larabee auf den Plan: David soll die Tochter von Geschäftsfreunden heiraten wegen eines wichtigen Deals den er als Chef des Familienkonzerns eingefädelt hat. Dass David dieses Vorhaben zum Scheitern bringen könnte, weil er der Chaffeurstochter schöne Augen macht, will er nicht zulassen.
Er inszeniert zunächst ziemlich brutal einen häuslichen Unfall, der seinen Bruder vorerst ein paar Tage aufs Krankenbett wirft. Der nächste Schritt ist, Sabrina selber zu umgarnen, ihr das Herz zu brechen um sie dann wieder retour nach Paris zu schicken. Dann steht der Hochzeit aus Geschäftsraison nichts mehr im Weg, wie Linus meint. Und Sabrina verliebt sich tatsächlich in den reifen, distinguirten Linus, womit dieser aber nicht rechnet: auch er verfällt dem Charme und der Anmut der jungen Frau zusehends. Nachdem er der todunglücklichen Sabrina schließlich wie geplant das Ticket nach Paris überreicht hat, kann er sich verständlicherweise über den Erfolg nicht freuen er liebt Sabrina ja selber – und will seine Pläne mit David gänzlich über den Haufen werfen. Aber auch Bruder David hat mittlerweile begriffen, dass der kleine Unfall kein Unfall war. Die Situation kulminiert in einem groß angelegten wie komischen Familienstreit mit kleinen Handgreiflichkeiten David übernimmt kurzerhand die Firma, erklärt sich bereit zur Heirat mit der Tochter der Geschäftspartner und schickt Linus mit dem nächsten Flug nach Paris: zu Sabrina…
Es war einmal…. ein Märchen. Märchen ist dieses Remake von Sabrina keines geworden, über Charme, Witz und Poesie verfügt es trotzdem, und es hält dem Vergleich mit der Komödie aus dem Jahr 1954 durchaus stand. Julia Ormond, die Sabrina aus den 90er Jahren, tut sich verständlicherweise schwer an die unvergleichliche Audrey Heburn heranzureichen, aber sie kopiert sie auch nicht sondern schafft es durchaus, ihrer Sabrina eigene Züge zu verleihen. Harrison Ford, eigentlich festgelegt auf Action-Typen (Indiana Jones), überrascht mich als Linus und beweist, dass er mehr drauf hat als knallharte Jungs. Er meistert seinen Part mit Witz, Selbstironie und Tiefgang: Linus ist im Grunde kein netter Charakter, und die Gradwanderung vom bösen Geschäftsmann zum Verliebten ist ihm mit Bravour gelungen. Trotz des Schattens von Humphrey Bogart, gegen den er ankämpfen muss.
Ein paar Worte noch zur Musik: Wie im Original zieht sich das Chanson La vie en rose, im Original von Edith Piaf, in Sabrina als Hauptthema durch den ganzen Streifen. Wem der Song gefällt: die berühmte französische Chansonette mit dem wechselvollen Leben, die bereits 1963 starb, hat eine Fülle an großartigen Liedern aufgenommen, die sich im gut sortierten Plattenhandel auch schon auf CD finden. Mein Tipp: Edith Piaf ist genial, einfach umwerfend, elektrisierend, man versteht ihre Songs, auch wenn man nicht französisch spricht…. allein Kraft ihrer Persönlichkeit und ihrer Stimme, mit Gänsehauteffekt.
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