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08.04.2005, © Vivienne

Schauplatz Schule

Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir! war ein einstmals oft bemühter Spruch, der uns zu meiner Schulzeit immer wieder mit auf den Weg gegeben wurde. Zwar sollte der Lernprozess im Idealfall das ganze Leben anhalten, aber am nachhaltigsten prägen uns wohl die Jahre der Kindheit und damit auch der Schulzeit. Dass sich da heute einiges im Gegensatz zu früher geändert hat, nicht nur in den Schulen selber sondern auch in der Einstellung der Schüler zur Schule, dazu habe ich, liebe Leser, zuletzt einige Beispiele gesammelt. Ob Sie nun selber Kinder haben oder nicht, Sie werden jedenfalls staunen und vielleicht auch meinen, ich erzähle da ein paar Märchen. Aber das tu ich ganz sicher nicht…

Erste Schule, im Bezirk Linz-Land.

Ein fünfzehnjähriges Mädchen, dass die HAK im Bezirk besucht, möchte wechseln. Am liebsten in eine gleichwertige Schule ins nahe Linz. Eltern und Lehrer sind ratlos. Das Mädchen ist mit Abstand Klassenbeste, schreibt auch bei schwierigen Schularbeiten Sehr gut um Sehr Gut, und das in allen Fächern. Gegenüber ihren Eltern gibt der Teenager schließlich zu, dass sie sich nicht mehr wohl fühlt in der Klasse. Diese Klasse wurde für die Fünfte neu zusammengestellt, und es befinden sich einige Schüler im Gefüge, die sich nicht von früher kannten. Die Schülerin, die sonst nie Kontaktschwierigkeiten kannte, hat Probleme mit einer Clique von Mädchen, die selber vom Lernen und Mitarbeiten im Unterricht nicht viel hält. Sie feinden die Kollegin wegen ihrer Schulerfolge und ihres Ehrgeizes an, aber auch deshalb, weil sie selber nicht raucht (!) – im Gegensatz zum Großteil der Mädchen in der Clique. Der Klassenvorstand und der Direktor überlegen Maßnahmen, um die exzellente Schülerin zu halten…

Zweite Schule, eine Unterstufe in Linz.

Eine zwölfjährige Schülerin plaudert aus dem Nähkästchen, was in ihrer Klasse und der Schule, einer Privatschule mit an sich ausgezeichnetem Ruf, läuft. Eine  kleine Gruppe von Schülern in der gemischten Klasse fällt immer wieder unangenehm auf. Mit lästigen Streichen, aber auch mit übermäßigem Alkoholgenuss. In den Pausen werden nämlich sehr häufig Alkopops und Ähnliches konsumiert. Einer der Schüler ist eines Tages so betrunken, dass er während des Unterrichts umfällt und ins Spital transportiert werden muss. Der Alkoholspiegel im Blut des Zwölfjährigen ist zunächst beängstigend, aber nach ein paar Tagen kann er wieder in die Schule kommen.

Die Suchtbereitschaft scheint in der Klasse allgemein sehr hoch zu sein. Einer aus der Clique hat sich den Unterarm gebrochen und schabt in der Pause mit einem Lineal immer wieder Staub von seinem Gips. Seine Kumpane machen sich einen Spaß daraus, diesen Staub wie Kokain zu einer „Straße“ zu ziehen und dann zu „schnupfen“. Ein Heidenspaß für die Halbwüchsigen, obwohl sie durch das Pulver husten und spucken, eine rote Nase bekommen und bisweilen auch die Augen tränen. Aber: Früh übt sich, was ein echter Kokser werden will…!

Nicht genug, kommt es in der Schule auch sehr häufig zu Sachbeschädigungen. Während des Unterrichtes verlassen immer wieder zwei Burschen der Clique die Klasse, angeblich um auszutreten. In Wirklichkeit verstopfen die zwei ganz gezielt bei den Burschen wie bei den Mädchen die WC’s mit etlichen Rollen Papier, und ebenso die Waschbecken. Und zudem wird zum Abschluss noch der Wasserhahn aufgedreht, damit die Toiletten überflutet werden. Haha, ist das lustig! Strafaktionen, wie dass die Burschen unter Aufsicht selber wieder Ordnung machen müssen (aufwischen, entstopfen, etc.) fruchten nichts – der Reiz des Verbotenen überstrahlt alles…

Ich kenne die Geschichten übrigens aus verlässlicher Quelle, beide Schüler, von denen ich diese Informationen habe, sind mir persönlich bekannt und durchaus vertrauenswürdig. In so einem Zusammenhang höre ich geradezu den Ruf mancher nach einer „starken Hand“, die diesen schlecht erzogenen Schülern (besonders an der zweiten Mittelschule) die Beachtung von Regeln und Geboten „physisch“ klarmachen sollte. Was natürlich kontraproduktiv ist, viel mehr müsste man sich fragen: Wie kann es so weit kommen? Wo sind da die Eltern? Und wie sah ihre Erziehung aus, dass sich ihre Kinder derartig aggressiv und destruktiv verhalten? Die Erklärung sieht ziemlich sicher bei jedem ein wenig anders aus, und man kann wohl nur mutmaßen, was da alles falsch gelaufen ist. So kommt nämlich kein Kind zur Welt!

Trotzdem gibt mir eine Beobachtung in meinem Beruf – ich arbeite bekannterweise in einem Call Center – in dem Zusammenhang zu denken. Es ist teilweise schon erschreckend, wie viele Kinder ich bei meinen Telefonaten untertags allein zu Hause antreffe. Kinder ohne jede Aufsicht und Kontrolle, auf sich allein gestellt. Kinder die vermutlich niemand hindert, sich in der elterlichen Bar ab und an zu bedienen, sich Gewalt- oder Pornofilme anzusehen oder die zumindest mit dem Fernsehgerät allein gelassen werden und sich dabei so ganz und gar nicht positiv berieseln zu lassen. Eindrücke aller Art, die man nie wieder löschen kann…

Ich bin mir dessen bewusst, dass meine These etwas eindimensional ist. Und in vielen Familien geht es nicht anders, weil beide Eltern verdienen müssen oder die Mutter als Alleinerzieherin die Familie erhalten muss. Keine Frage, ich hebe hier nicht den Zeigefinder – aber ich mache mir Gedanken, ob sich wirklich jeder bewusst ist, welche Verantwortung man gegenüber dem eigenen Kind hat und wie sich Schüler wie die oben beschriebenen, die teilweise gar nicht kapieren, was sie anstellen, einmal mit ihrem Leben fertig werden sollen…

Vivienne
 

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