Home Kolumnen Die bunte Welt von Vivienne
17.10.2005, © Vivienne
Die Schwiegermutter
In kaum einer Lebensphase wird man so stark und so nachhaltig geprägt wie in der Kindheit. Und wenig bereitet uns besser oder auch schlechter auf die kommenden Beziehungen vor wie das Verhältnis zu den Eltern. Eine Frau, die mit ihrem Vater nicht auskommt oder ihn hasst, wird keine gesunde Bindung zum anderen Geschlecht aufbauen können. Eine Frau, die ohne Vater groß geworden ist, wird sich eher Vaterfiguren als Partner suchen, nicht nur vom Alter sondern auch vom Erscheinungsbild her (Beschützerinstinkt). Ein Mann, der immer stark an seiner Mutter hing, wird nicht nur alle Frauen in seinem Leben an seiner Mutter messen, die Mutter wird im direkten Vergleich auch meistens besser abschneiden oder zumindest oft
Meine Schulkollegin Hanna war immer eine sehr starke Person gewesen, nicht nur attraktiv sondern auch mit einem ausgeprägten Charakter ausgestattet. Eigenwillig so nannten sie manche, aber im Gegensatz zu vielen anderen Menschen, denen ich vor und nach ihr begegnet war, wusste sie genau was sie wollte. Hopp oder drop! hieß es bei ihr, ganz oder gar nicht denn halbherzige Entscheidungen sind oft schlimmer als ein klarer, eindeutiger Schnitt! Das hatte sie mir bei unserem letzten Treffen unmissverständlich klar gemacht. Wir standen am Urfahraner Markt, direkt vor dem Riesenrad, wo wir uns zufällig über den Weg gelaufen waren
Du bist jetzt auch verheiratet? war ihre erste Frage, als sie den Trauring an meinem Finger entdeckt hatte. Seltsam. Du hast doch immer behauptet, du würdest nie heiraten! Ich hatte befürchtet, dass sie mit dieser Erinnerung aufwarten würde. In der Tat hatte ich in kindlicher Gedankenführung einmal gemeint, dass man als unabhängige Frau besser dran wäre. Fast, als hätte ich geahnt, was mich noch alles erwarten würde in meinem Leben in Sachen Liebe Geschickt wechselte ich also das Thema und ich weiß nicht mehr genau, wie wir auf das Thema Schwiegermütter kamen. Hanna wirkte jedenfalls mit einem Mal sehr reserviert und unvermittelt wurde sie persönlich. ich sag es dir, ich war mit Kurt gerade ein paar Wochen beisammen. Montagmorgen, ich hatte mir frei genommen und lag so um 8:00 Uhr noch in den Federn. Plötzlich schreckte ich hoch, die Wohnungstür wurde aufgestoßen und ich hörte Stimmen im Flur. Mein Puls begann zu rasen und ich schnappte mir meinen Morgenmantel und lief aus dem Schlafzimmer!
Hanna machte eine Pause und ich spürte ihren verhaltenen Unmut. Im Wohnzimmer stand Kurts Mutter mit einer Freundin. Kurt hatte ihr den Schlüssel schon vor längerer Zeit gegeben, wie ich später erfuhr. Die Mama putzte ihm immer die Wohnung, weil er längere Zeit Single gewesen war. – Die Leute grüßten nicht, sondern gingen in die Küche um sich umzusehen. Umzusehen? Ich verstand das nicht ganz. Hanna nickte. Mama wollte sich vergewissern, ob ich auch reinlich uns sauber war und gut für ihren Sohn sorgte. Nein! entfuhr es mir und nicht sehr respektvoll. Eine von der Sorte? Furchtbar! Was hast du getan? Hanna zuckte die Achseln. Ich habe sie rausgeworfen, alle beide, als sie ins Schlafzimmer wollten. So eine Frechheit! Hanna nickte und ihr Kinn verlieh ihrem Gesicht einen energischen Ausdruck.
Schließlich fuhr sie fort. Ich habe Kurt dann in der Arbeit angerufen und ihm gesagt, dass ich seine Mutter hier nicht mehr dulden würde, nicht unangemeldet. Ich habe ihn vor keine Alternative gestellt, und es war mir klar, dass das wohl eine Entscheidungsfrage für unsere Beziehung darstellte. Es hatte schon die ganze Zeit ein wenig gekriselt zwischen uns, wir waren in einer Sackgasse, ehrlich gesagt. Im Grunde rechnete ich damit, dass es aus war mit uns beiden. Ich würde es nicht noch einmal akzeptieren, dass seine Mutter quasi Kontrollbesuche bei uns machte Am Nachmittag rief seine Mutter dann an bei uns. Sie beschimpfte mich unflätig und dass sie mir alles heimzahlen würde. Dann legte sie wieder auf. Hanna nickte nachdenklich.
Am Abend kam Kurt. Er sagte kein Wort. Ich hörte ihn die ganze Zeit im Flur hantieren. Schließlich kam er ins Wohnzimmer und sah mich nur an. Ich wusste nicht, was er wollte oder was er jetzt dachte. Er sah mich nur an und dann ließ er einen Schlüssel auf den Tisch fallen. Sie wird nicht mehr kommen! sagte er mit leiser Stimme. Ich war ziemlich überrascht, ich hatte mir keine Hoffnungen mehr über unsere Beziehung gemacht. Und ich fragte mich, was er mir damit sagen wollte Hanna atmete laut und vernehmlich. Es war fast grotesk, an diesem Abend haben wir uns endlich ausgeredet. Kurt hatte mir reinen Wein eingeschenkt, wie seine Mutter immer sein Leben dirigiert hatte, weil er ihr einziges Kind war. Sie hatte sogar versucht, ihn gegen seine früheren Freundinnen aufzuwiegeln Was für ein Drachen! entfuhr es mir. Dass er überhaupt den Wohnungsschlüssel wieder von seiner Mutti bekommen hat
Plötzlich strahlte Hanna. Ja, er hatte Streit mit ihr deswegen und sie hat mich danach angerufen und beschimpft. Kurt hat mir anvertraut, dass die Situation schlimm für ihn gewesen war, sehr schlimm. Sie war ja trotz allem seine Mutter, die er liebte. Aber, und das machte mich so glücklich, er gab offen zu: es wäre schlimmer für ihn gewesen, mich zu verlieren als sie. Mich hat er wirklich geliebt. Darum auch der symbolische Kraftakt mit dem Schlüssel Und? konnte ich meine Neugierde kaum zügeln. Hanna wirkte sehr zufrieden, als sie fort fuhr. Wir sind aus der Krise gekommen. Wir haben im Jahr darauf geheiratet, das erste Kind war schon unterwegs. Jetzt haben wir drei und im Mai waren wir zwölf Jahre verheiratet
Ich dachte nach. Schon ungewöhnlich, nicht wenige Männer entscheiden sich in dieser Situation immer für Mama. Kurt musste Hanna tatsächlich sehr lieben, dass er sein Leben doch noch umgekrempelt hatte, für sie. Schwiegermama war sehr beleidigt, sie ließ fast ein Jahr nichts von sich hören, aber zur Hochzeit ist sie dann doch gekommen. Und der erste Enkel hat uns dann einigermaßen ausgesöhnt Freunde sind wir allerdings nie wirklich geworden, aber das machte mir wenig aus. Sie ging ja nicht mehr ein und aus bei uns
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