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23.07.2005, © Vivienne

Mein erster Freund
Teil 1

Liebe ist immer kompliziert, voller Umwege und Missverständnisse. Jene Paare, die sich das erste Mal sehen, sofort wissen woran sie sind und sich praktisch gleich für den gemeinsamen Lebensweg bei der Hand nehmen, die gibt es fast nicht. Ehrlich, ich kann mir nicht vorstellen, dass es wirklich auch auf diese Weise funktioniert. Wenn ich mir meine Lieben und Verliebtheiten so in Erinnerung rufe, ist der Beziehung immer eine mehr oder weniger lange Zeit vorausgegangen, in der man sich in der Schwebe befand. Fühlt er nun auch so oder nicht? Will er nur nett sein oder rede ich mir was ein? Und diese Unsicherheit zu Beginn, die bleibt eigentlich immer, ich brauchte mir ja nur meine lange Anfahrtsphase mit Albert vorstellen. Die Liebe zwischen uns hatte sich über Jahre gezogen, bis es schließlich doch gepasst hatte… Gut Ding braucht Weile.

Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit, aber auch der passende Augenblick um die erste richtige Liebe Revue passieren zu lassen. Ich lebte damals in Salzburg, verbummelte ein Studium, für das ich nicht reif genug war und lernte schön langsam das Salzburger Nachtleben kennen. Teuer war die Stadt, wenn ich mich so zurückerinnere, teuer und voller Touristen und ich besserte das Geld für mein Studium mit einem Job an einem Stand auf, wo ich Zuckerl aller Art verkaufte, fein säuberlich abgewogen und verpackt. Selbstredend kamen immer viele Studenten vorbei, manche kannte ich persönlich von Vorlesungen. Tim war einer, an den ich mich vom Sehen gut erinnern konnte. Er saß immer in der Vorlesung Freitagvormittag hinter mir, neben einem bebrillten Burschen, der aussah wie ein müder Abklatsch von Buddy Holly.

In der Vorlesung hatten wir nie ein Wort gewechselt, aber an diesem Tag war er mir aufgefallen, weil er es gewagt hatte, dem Herrn Professor zu widersprechen. Der hatte die Majestätsbeleidigung locker weggesteckt und Tim eine Predigt gehalten, die zwar am Kritikpunkt vollkommen vorbeigelaufen war, nichts desto Trotz aber sehr heftig ausfiel. Tim machte sich scheinbar nichts draus. Er grinste, als ich ihn nur eine halbe Stunde später in einem Salzburger Innenstadtcafé wieder traf. Ich selber musste gleich wieder auf meinen Stand, verkaufen stand wieder an, und so gönnte ich mir vorher noch eine Melange. Mir fiel zuerst gar nicht auf, dass Tim, der mit ein paar Freunden weiter hinten saß, immer wieder in meine Richtung blickte.

Als ich aber die Melange bezahlte und aufstand, hörte ich ihn plötzlich rufen: „Frau Kollegin?“ Ich begriff erst nach einer Weile, dass er mich gemeint hatte. Unwirsch sah ich ihm im ersten Augenblick ins Gesicht. Er aber grinste weiter und musterte mich interessiert. „Frau Kollegin, kannst du mir dein Skriptum leihen? Ich habe neulich die Vorlesung versäumt!“ Ich hatte schon eine abschlägige Antwort auf den Lippen, als ich merkte, wie der junge Mann, der so selbstbewusst tat, vor Aufregung zitterte. Was ist los? dachte ich mir. Nie wäre ich auf den Gedanken gekommen, dass der junge Mann meinetwegen so nervös sein könnte. Meinetwegen. Weil er es zum ersten Mal gewagt hatte, mich anzureden…

„Okay.“ Ich wusste nicht, warum ich plötzlich doch zusagte. Ich reichte ihm die Mappe hinüber, aber er winkte ab. „Nicht jetzt, ich fahr über’s Wochenende heim nach Freilassing. Gib mir doch deine Telefonnummer! Ich ruf dich Anfang nächster Woche an und hol mir die Unterlagen zum Kopieren.“ Ich stutzte. In Ordnung, warum nicht? Aber irgendwie verunsicherte mich die Vorgangsweise des Burschen, der mittelgroß und blond war, alles in allem eher  farblos auf mich wirkte. „Hier ist meine Nummer. Wenn du anrufst, bitte nach Vivi verlangen, ich wohne mit drei Mädels zusammen!“ Ich erinnere mich genau, wie mich Tim darauf hin anstrahlte. „Okay, Vivi. Du bist nett. Danke.“ Und er drückte mir einen Kuss auf die Wange.

Entgeistert blickte ich ihm nach. Erst dann wurde mir bewusst, dass der Standbesitzer wohl schon auf mich warten musste und ich hastete in die andere Richtung. Der Nachmittag verlief hektisch, ich hatte viel zu tun und ein Japaner fotografierte mich sogar mit meiner langen lockigen roten Mähne… Irgendwie hatte Tim es geschafft, mich aus dem Konzept zu bringen. Mir war nicht bewusst warum. Und in der Nacht träumte ich wirres Zeug und ständig tauchte sein Gesicht vor mir auf. Gott sei Dank hatte ich genug zu tun, sonst hätte ich wohl nur vor mich hin gegrübelt. Und trotzdem kam sein Anruf Montagmittag völlig unerwartet. Ich selber hob sogar ab, ich war gerade auf dem Sprung zu einer Vorlesung und als einzige unseres Kleeblatts daheim.

„Hallo Vivi!“ Ich erkannte ihn nicht einmal sofort, aber schließlich fühlte ich so etwas wie ein merkwürdiges Grummeln in meinem Bauch. Verdammt, was war los mit mir? Während ich fast ungläubig beobachtete, wie ich selber, eine völlig fremde Person, mich mit Tim verabredete, um ihm meine Skripten zu leihen, musste ich mir selbst eingestehen, dass mir der Bursch auf einmal nicht mehr gleichgültig war. Wegen eines Skriptums, wegen Unterlagen für eine Vorlesung? War ich wirklich so eine ahnungslose Landpomeranze, die sich in jeden verliebte, der ihr ein wenig zu nahe kam? Nein, das war ich nicht! Ich nahm meine Mappe und machte mich auf in die Stadt. Was war denn schon dabei, wenn er mich zu einem Kaffee einlud? Ein aufmerksamer Bursch, der halt auf diese Art DANKE sagen wollte! Okay,  ich hatte nichts dagegen.

Teil 2

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