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23.07.2005, © Vivienne

Mein erster Freund
Teil 2

Fortsetzung von Teil 1

Tim strahlte mich an, als ich nach meiner Vorlesung in dem Café auftauchte. Er begrüßte mich mit einem Kuss auf die Wange, worauf ich etwas erschrocken vor ihm zurückwich. Ich konnte dieser Küsserei nicht wirklich etwas abgewinnen. Sie machte mich erstens unsicher und hatte zweitens doch wohl keine wirkliche Bedeutung. Tim bestellte uns je einen Verlängerten und begann zu plaudern, und wieder fiel mir auf, dass er sehr nervös war: seine Hände zitterten die ganze Zeit leicht. Das Gespräch zwischen uns plätscherte leicht dahin und ich war überrascht, dass mir Tim so viel zu erzählen hatte. Ich ertappte mich selber dabei, wie ich des Öfteren auf die Uhr sah.

„Hast du keine Zeit mehr?“ Tims Stimme hatte auf einmal einen fast traurigen Klang. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, nein.“ Was hätte ich sonst sagen sollen? Unsere Unterhaltung kam ins Stocken. Minuten schwiegen wir uns an, die Situation war mir peinlich und ich überlegte fieberhaft, wie ich sie beenden hätte können. Aber mir fiel nichts ein, über das wir uns unterhalten hätten können. Schließlich zahlte ich doch und machte mich auf den Heimweg. Als ich unsere Wohnung aufsperrte, musste ich die Mappe aus der Hand legen, und da wurde mir eines erst richtig bewusst. Tim hatte ja völlig auf das Skriptum vergessen. Sehr wichtig konnte es ihm ja nicht gewesen sein…

Meine Mitbewohnerinnen, denen ich davon erzählte, waren sich einig: „Er ist verliebt in dich! Ganz sicher!“ Aber ich nahm mich mit aller Gewalt zurück. Nein, ich wollte mir nicht eingestehen, dass ich auch schon Feuer gefangen hatte. Dass ich irritiert war und dennoch den Schmetterlingen in meinem Bauch nicht trauen wollte. Wer weiß, vielleicht wollte er mich nur auf den Arm nehmen? Ich war fast froh, ein paar Tage nichts von ihm zu hören oder zu sehen. Aber am Freitag folgte wieder die fast obligate Vorlesung, in der auch Tim wieder auftauchte. Ich spürte förmlich, wie er zusammenzuckte, als er mich erkannte. Aber ich schnaufte tief durch und setzte mich wieder an meinen Stammplatz. Minuten später stand Tim neben mir. „Hallo!“

Er setzte sich ohne ein weiteres Wort neben mich und packte seine Unterlagen aus. „Mein Skriptum brauchst du ja ohnedies nicht, oder?“ Ich konnte mir diese zynische Bemerkung nicht verbeißen. Tim erschrak und begann nach Worten zu klauben. Der Professor unterbrach seine Bemühungen, es wurde still im Vorlesungssaal. Eineinhalb Stunden versuchte ich mich auf den Vortrag zu konzentrieren, und teilweise gelang es sogar. Der Professor verabschiedete sich schließlich und ich wollte mich Richtung Ausgang bewegen. „Es tut mir leid!“ Tim klang heiser, und ich spürte seine Hand an meinem Oberarm. „Tut mir leid, das wegen der Unterlagen war eine dumme Anmache. Können wir uns nicht einfach so sehen? Bitte.“ Ich drehte mich irritiert zu Tim um. Irgendwie wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Es schien fast unvorstellbar für mich, dass sich jemand ernsthaft in mich verlieben konnte…

Rund um uns beide staute es sich in Richtung Ausgang. Die Kollegen blickten uns teilweise verärgert an. Ich nickte schließlich. „Ruf halt an…“ Nur einen Moment sah ich die Freude in Tims Gesicht aufblitzen, dann war er schon im Gedränge der Studenten verschwunden. „Was soll ich tun?“ Die Frage, die ich an meine Mitbewohnerinnen gerichtet hatte, beschäftige mich sehr. „Abwarten, er meldet sich sicher…“ Die Mädels hatten Recht, er rief schon am nächsten Morgen an. „Wann können wir uns sehen?“ Und wir verabredeten uns gleich noch für denselben Abend. In den folgenden Stunden ging ich durch die Hölle. Ich mache mir was vor! hämmerte es durch meinen Kopf. Du wirst dich unsterblich blamieren! Mechanisch duschte ich, wusch meine Haare und föhnte die Locken.

Dabei ertappte ich mich, dass ich genau so zitterte wie Tim, wenn er mit mir redete. Liebe kann furchtbar sein… Nicht zu wissen woran man ist, kann die schlimmste Folter in den Schatten stellen. Schließlich machte ich mich viel zu früh auf den Weg in das Lokal, wo mich Tim treffen wollte. Ich rührte lustlos in meinem Tee, saß ganz alleine an einem Tisch und die laute Musik zermürbte mich. Tim selber hätte ich fast nicht gehört, er stand plötzlich neben mir und sah sehr glücklich aus. Er setze sich einfach neben mich und wir begannen zu reden, wobei die laute Musik der Unterhaltung eher abträglich war.

Schließlich nahm mich Tim bei der Hand und wir gingen nach draußen. Die Mainacht war herrlich, der Himmel hatte seine schönsten Sterne aufgezogen und irgendwann in dieser Nacht, in der wir durch den Mirabellpark spazierten, hat Tim mich das erste Mal geküsst. Ohne viele Worte waren wir ab diesem Zeitpunkt beisammen, ohne in den fast zweieinhalb Jahren je richtig zusammen zu ziehen. Tim blieb im Studentenheim, ich bei meinen Mädels in der Wohnung im Zentrum der Stadt. Wir wechselten uns immer ab, wer bei wem schlief und diese erste Liebe, die so unschuldig, schön und bezaubernd war, gehört zu jenen Erinnerungen, die ich nicht missen möchte…

Vivienne

 

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